“Musik als Bekenntnis und die
Überwindung des programmatischen Denkens”
Dass Richard Wagner keine Symphonien komponieren konnte, will man im Lager der überzeugten Wagnerianer immer verschweigen.
“Er tat sich immer sehr schwer…“
So kann man es auch ausdrücken, was allerdings heißt, dass er die wenigen, die er komponiert hat, besser weggeschmissen hätte, als damit seinen eigenen Ruf zu schaden.
Das größte Vorbild ist allerdings das Primum Optimum Beethoven, der von Wagner über alles verehrt wurde.
Bei dem Magier der Tonmalerei Richard Wagner stand das Symphonische eher im Hintergrund, was den Meister sehr geärgert hat.
Dadurch bringt er in die Vorspiele vor allem den Vorspielen zum “Lohengrin”, “Tristan und Isolde” und den “Meistersingern von Nürnberg” Elemente herein, die schon dieses Vorspiel eher als eine Symphonie erscheinen läßt.
Die Idee der Absoluten Musik
Der Begriff der Absoluten Musik läßt sich abgrenzen zur Programmmusik.
Er ist vielfach diskutiert und analysiert worden, was hier einen gewissen Rahmen sprengen würde.
Allerdings kann man sagen, dass zum Verständnis von großen Werken der Programmmusik es eigentlich unerläßlich ist, gewisse Erläuterungen vor der Rezeption heranzuziehen, Literatur, Erläuterungen, Dissertationen etc.
Bei komplizierteren Werken wie Wagners durchkomponierte Musikdramen kommt man dabei nicht herum.
Wagner hat sich ja sehr umfangreich in Schriftform zu seinen Werken geäußert, allerdings sind Wagners Schriften kein Schlüssel zum Verständnis der Werke, sondern die Werke eher ein Schlüssel zum Verständnis der Schriften.
Um einmal wieder etwas kritisch zu urteilen (was ich ja als überzeugter Alt-Wagnerianer eigentlich gar nicht darf) kann man sagen, dass Wagner als Schriftsteller mit philosophischen Tendenzen schon lange vergessen wäre.
Wagner war/ist ja immer gut für treffende Zitate, die er geprägt hat, was man natürlich auch immer mit Vorsicht genießen muss, aber hierbei geht es ja um das Zitat und nicht um seinen Autor.
“Musik ist nicht die Darstellung einer Idee, Musik ist die Idee selbst”
Nicht schlecht, Herr Wagner, das bedeutet, dass (in Wagners Werken) die Kompositionsschiene nicht als Koloration zur Handlung zu sehen ist, sondern als eigenständiger Teil des Werkes, der allerdings kongruent mit den anderen Elementen (Bühnebild, Choreographie, Kostümierung, Lichtregie etc.) verknüpft ist und sich gegenseitig auch oftmals synergetisch steigern kann.
Trotzdem sieht man hier die Idee und zwar die Idee selbst integriert.
“Das Orchester spricht immer die Sprache des Unaussprechlichen”
Wagners Tristan-Komposition im Ausnahmewerk “Tristan und Isolde” drängt die Handlung und die zwei Protagonisten schon fast in den Hintergrund und die Hauptposition und ‑rolle übernimmt die Komposition, also das Orchester.
Es gibt glaube ich kaum ein Werk, über dessen Musik so viel gerätselt und heruminterpretiert worden ist, wie Wagners Tristan mit seinem todeserotischen Sog.
“Die unendliche Melodie”
Beginnend und endende Melodie läßt ein Werk erkennen, was einen Anfang und ein Ende hat. Dies war für Wagner natürlich zu wenig.
Er wollte ein nie endendes Werk schaffen (was er auch geschafft hat).
Denn die Kompositionsebene pflanzt sich im Kopf des Rezipienten fort und fort und …
Wagner hebt hier Grundsätze voll aus den Angeln (was ja auch so gewollt war) für sein Kunstwerk der Zukunft.
Im Tristan, vor allem in der Komposition, öffnen sich dem Hörer ganz andere bzw. neue Welten, die normale jahrzehntelange Grundregeln überwinden.
Hier (in “Tristan und Isolde”) erkennt man Wagners Hang zur Symphonie, denn es ist ja eine Liebes-Symphonie, wo er seine in ihm schlummernden symphonischen Ideen austoben konnte.
“Endlich kann ich mich symphonisch austoben” schreibt er selbst an seine Muse in der Schweiz Mathilde Wesendonck.
Es zeigt Wagners inneren Trieb zur Symphonie.
Bruckners Siebte (No. 7 in E major)
Dem großen Symphoniker (Organisten und Komponisten) Anton Bruckner muss man ja vorhalten, dass er seinen gigantischen Symphonien keine bzw. nur selten Namen oder Gattungsbezeichnungen gegeben hat.
Dieses wäre von Vorteil, damit der Rezipient etwas näher an das Werk herantreten kann, vor allem wenn der Schöpfer sich selber dazu äußert.
Bruckner war in diesem Punkt eher zurückhaltend, andererseits sind ja die Wege von großen Schöpfern oftmals sehr abwegig, vielleicht sollte der Hörer sich bei der Universalsprache Musik jeder seine eigenen Gedanken machen ohne sich in eine vorgegebene Schiene drängen zu lassen.
Also ein interpretatorischer Trick der Fantasieanregung ohne Vorgabe (von mir!)
Bruckner war ungeheurer Wagner-Verehrer, aber nicht von Wagners Werken an sich, sondern eher von Wagners Musik.
Da Bruckner eher tölpelhaft auftrat, mit viel zu großer Kleidung und unterwürfigem Agieren, wurde er oftmals belächelt, auch von Wagner, der ihn als armen Organisten aus Wien bezeichnete.
Nur hätte Wagner nie gedacht, dass die Symphonien Bruckners (nach seinem Tode!) Weltruhm bekommen würden, während seine (Wagners) symphonischen Versuche heute keinen mehr interessieren (und auch so gut wie nie aufgeführt werden).
Bruckners Siebte Symphonie wird gemeinhin als “Die Melancholische” bezeichnet (No. 7 in E major WAB 107), eine der wenigen Symphonien, die der Komponist nicht verändert hat und die es demgemäß nur in einer Fassung gibt.
Die anderen hat Bruckner oftmals auch aus Selbstzweifel verändert, sodass sie in verschiedenen Versionen vorliegen.
“Melancholisch” kann man natürlich breit ausgedehnt interpretieren, hier ist mir nicht bekannt, ob der Begriff vom Schöpfer selber erfunden worden ist oder ob er nach seinem Ableben hinzugedichtet wurde, ich schätze eher das Letztere.
Nur eines ist klar, der zweite Satz ist dem Tod Wagners in Venedig gewidmet, denn während der Arbeit an dem Werk erfuhr Bruckner vom Tode Wagners, was ihn tief getroffen hat.
Wagner Tuben
Der zweite Satz (Adagio - Sehr feierlich und sehr langsam) ist Wagners Tod gewidmet, die Tempoangabe zeigt, wie ernst es Bruckner hier um die richtigen Wiedergabe war.
Der Schlussteil ist als Trauergesang anzusehen.
Außerdem werden in diesem 2. Satz zum ersten Mal von Bruckner die sogenannten “Wagner Tuben” eingesetzt, die Richard Wagner für das Walhall-Thema im “Rheingold” für die ersten Festspiele hat extra anfertigen lassen (!)
Dies alles zeigt den engen Bezug Bruckners zu Wagner, dessen Tod 1883 ihn hat bitter weinen lassen (nach seinen Angaben).
Wie bereits angedeutet, können solche Bezeichnungen (“Die Melancholische”) bei Bruckners Symphonien vorkommen, aber man weiss ja nicht, ob sie aus der Hand des Komponisten sind, denn der war sehr “schweigsam” in Bezug auf schriftliche Belege zu seinen Werken.
Bruckner gibt selber zu, dass er beim Komponieren bestimmer Sätze nicht mehr wisse, wie er auf die Idee gekommen sei.
Weitergehende Erläuterungen zu den Symphonien gibt es von Bruckner nicht oder nur sehr wenige.
Vielleicht hat das Ganze bei Bruckner ja auch System, dass er also wollte, dass die Nachwelt sich über die Werke selber Gedanken machen sollen, ohne dass er diese Gedanken vorgab.
»Letztendlich sagt alles die Musik«
Um wieder auf die Tristan-Komposition zurückzukommen, ist dieser Satz bzw. dieses Zitat voll zutreffend, auch auf die Idee der Absoluten Musik (worum es hier ja eigentlich gehen sollte).
Wagners Tristan hat das Paradoxe, dass die Erhöhung (durch die Musik) durch die Zurücknahme (der Handlung bzw. der Reduzierung) entsteht, dass die Komposition also alles trägt – man muss, was man nicht sieht, in dem sehen, was man hört.
Denn sowohl der Tristan mit seinem schwülstigem Liebeszauber als auch große Symphonien beherbergen Musik, die alles sagen muss, auch das Schweigen, was sie zum Klingen bringt.
“Weil die gegenwärtige Weltlage geistig gesehen Schwäche ist, flüchte ich zur Stärke und schreibe kraftvolle Musik” (Anton Bruckner 1874)
*W
*https://www.bruckner-online.at
*eingefügte Grafiken hauptsächlich entnommen aus
(https://www.abruckner.com)
*Gewisse Passagen meines Beitrages wären nicht möglich
ohne teilweise Übernahme und Rückgriffe aus Fachquellen
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Weiterführende Literatur :
*Carl Dahlhaus, “Die Idee der Absoluten Musik“
Bärenreiter-Verlag Kassel, 1978
(ISBN-13 : 9783761805992)
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CD-Tipp :
“Sämtliche Symphonien No.1–9“
Valery Gergiev – Münchner Philharmoniker
Label : MPhil DDD, 2017–2019
Erscheinungstermin : 20.11.2020
Aufnahme aus der Stiftsbasilika St. Florian / Linz
9 CD-Box mit hochwertigem Booklet
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*Weitere Beiträge in meiner Bruckner-Reihe :
(Sonstiges / Bruckner)