Die ehemalige Fabrikanlage der Ravensberger Spinnerei ist einschließlich der sie umgebenden großzügigen Parkanlage ein Denkmalkomplex mit hoher Bedeutung für die frühe Industrialisierung und Baugeschichte der Stadt Bielefeld im 19. Jahrhundert und von überregionalem Rang.
Reizvolle Parkanlage (2003)
Gemeinsam mit der Volkshochschule, dem Historischen Museum, der Kunstgewerbesammlung der Stadt Bielefeld / Stiftung Huelsmann, dem Programmkino Lichtwerk, einem gastronomischen Betrieb, der Hechelei und der Einrichtung “Arbeit und Leben” sowie dem nördlich angrenzenden Freibad und der weiter östlich gelegenen Großsport- und Freizeithalle ist der Ravensberger Park ein beliebter Lern- und Erholungsraum für Alt und Jung.
Spiegelverkehrt (2003)
Historie
Am 19. Februar 1855 genehmigte König Friedrich Wilhelm von Preußen die Gründung einer Aktien-Gesellschaft unter dem Namen Ravensberger Spinnerei. Zweck der Gesellschaft war die Errichtung von Hanf- und Flachsspinnereien und Webereien sowie die Produktion von Garnen und Geweben. Knapp zwei Jahre später wurde am 15. Januar 1857 um 5.25 Uhr die erste Schicht im neu erbauten „Fabrikschloss” an der Heeper Straße gefahren. Das Hauptgebäude ist 105 Meter lang, 20 Meter breit und 27 Meter hoch. Im Mittelbau war das Kesselhaus und in den flankierenden Flügeln die Spinnereisäle untergebracht.
Fabrikschloss (2003)
Im Zuge der Vorbereitungen zur Aufstellung des Flächennutzungsplanes der Stadt Bielefeld wurde der Landeskonservator im Juni 1963 durch die Stadt über den Spinnerei-Komplex umfassend informiert. Offensichtlich hielt ihn der Landeskonservator nicht für denkmalswürdig, denn auch bei einer erneuten Überprüfung im Jahre 1967 wurde von ihm die Nichtaufnahme in die Denkmalschutzliste nicht beanstandet. Die Stadt ging deshalb davon aus, dass bei einer Überplanung dieses Bereiches denkmalpflegerische Gesichtspunkte keine Rolle spielen würde, denn aufgrund der ersten großen Textilkrise standen sämtliche Gebäude einschließlich der Freiflächen zum Verkauf an.
Im Jahr 1968 erwarb die Stadt das rund 6,1 Hektar große Gelände zu einem Preis von circa sechs Mio. D‑Mark. Neben der Realisierung einer seit 1954 projektierten Straßencity-randtangente waren ein Arbeitsamtsneubau und die Errichtung einer Stadt-/Freizeithalle vorgesehen.
Der Landeskonservator hielt nach erneuter Befassung im Jahr 1972 das Hauptgebäude für denkmalwürdig. In seinem Schreiben vom 20.11.1973 hält er die Unterschutzstellung des gesamten Ensembles für unabweisbar.
Grüne Insel (2003)
Zwischenzeitlich hatte sich bestehend aus allen Schichten und Gruppen der Bevölkerung im Oktober 1972 zur Rettung der „Grünen Insel” eine “Bürgerinitiative Spinnerei” gebildet, die sich mit beispiellosem finanziellen und persönlichen Einsatz engagierte. Als die Stadt im März 1976 einen Bebauungsplanentwurf vorlegte, in dem nach wie vor ein Straßenkreuz das Gelände zerschnitt, gründete sich ein „Förderkreis Bürgerzentrum Ravensberger Park”, der sich gemeinsam mit dem Verein “pro grün” diesen Planungen widersetzte.
Im Oktober 1976 wurde deutlich, dass ein Straßenkreuz aus verkehrsplanerischer Sicht nicht erforderlich sei. Nachdem im Juni 1977 die Planungen durch Ratsbeschluss aufgegeben wurden, wurde der Architekt Peter Obbelode (†) im Oktober 1978 beauftragt, nach den Vorstellungen der Volkshochschule die Planungen für den Umbau des Hauptgebäudes in Angriff zu nehmen.
Im Auftrag des Förderkreises entwarf der Planer Friedrich Spengelin ergänzend ein “Leitbild für die Nutzung des Geländes der Ravensberger Spinnerei und der Nachbarbereiche”
Fast wie ein Castell (2003)
1980 wurde mit dem Umbau begonnen, für den das Land einen Zuschuss von 12 Mio. DM bewilligte, während die Stadt weitere 14 Mio D‑Mark investierte. Nach fünfeinhalbjähriger Bauzeit wurde das einstige Fabrikgebäude, das den ursprünglichen Charakter bewahrt hatte, am 19. Januar 1986 in einem Festakt als „Haus der Weiterbildung” seiner Bestimmung übergeben.
Teils durch private, öffentliche oder Stiftungsmittel wurden nach und nach sämtliche Gebäude, sofern der Verfall noch nicht zu weit fortgeschritten war, wiederhergestellt und neuen Bestimmungen zugeführt.
Heute ein Ort der Begegnungen, Veranstaltungen, Firmen- Events, Tagungen, Kulturveranstaltungen, einem Museum und einem Park in einem.
Geschichte und Moderne vereint…
Alle Gebäude und Veranstaltungsorte auf einem Blick
“Warum willst Du Dich von uns Allen Und unsere Meinung entfernen ? Ich schreibe nicht euch zu gefallen Ihr sollt was lernen”. GOETHE
Als Samstags in der Früh das Telefon schellte, rechnete ich mit allem, aber damit nicht. Es meldete sich ein gewisser John aus Weimar, was mich leicht verdutzt machte.
“Wie kann ich Ihnen helfen Herr John…?”, antwortete ich leicht verwirrt.
Er wäre der Schreiber und Freund von Goethe.
Ich glaubte erst, dass es ein Witz sei, aber der 1. April war ja schon längst vorbei.
Herr Goethe hätte meine Texte gelesen und ihn stört immens meine Darlegung der beiden schiefen Türme von Bologna, wo ich versuche, seine These des “Schiefen” zu widerlegen.
“Tja”, sagte ich leicht stolz, “es ist kein Versuch, sondern ein Beweis!”.
Und genau darüber wolle der Herr des Hauses mit mir reden und mich aus diesem Grunde zu sich in sein Gartenhaus nach Weimar einladen.
Ich war doch leicht geschockt, holte aber intuitiv meinen Kalender aus der Schublade.
“Geben Sie etwas vor…”
“Was halten Sie von Pfingsten ?”, meinte John und ich willigte ein.
Als sich nun die Pfingsttage näherten, machte ich mich bei strahlendem Sonnenschein mit meinem neuen Volvo auf den Weg nach Weimar, schon fünf Mal war ich dort und hatte mein Lieblingshotel am Park an der Ilm für 2 Nächte gebucht. Für Sonntag Nachmittag um 14 Uhr war ich zum Tee eingeladen.
Goethes Gartenhaus gehört ja zu den meist fotografierten Häusers Deutschlands und auch ich habe es bei meinen zahlreichen Besuchen mehrfach festgehalten.
“…schon von weit her erkennbar”
Noch leicht zu früh, ging ich an diesem lauen Pfingst-Sonntag siegesbewusst durch das weiße Tor in Goethes Garten.
An der rückseitigen Tür war keine Schelle zu erkennen, deshalb benutzte ich den Türklopfer, allerdings war es gar nicht nötig, denn ich wurde ja erwartet, und John machte mir sofort die Tür auf. “Schön, dass Sie gekommen sind, Herr Goethe erwartet Sie bereits.”
Die Möbel, das Stehpult, der Sitzbock und die Farben der Wände zeigten, dass es eine Art Rückzugsstätte des viel beschäftigten Goethe war … aber warum nimmt er sich die Zeit gerade mich zu empfangen ?
“Rückzugsstätte für geplagte Geister”
John führte mich in die erste Etage in ein privates Zimmer des Hausherren.
…als ich doch leicht nervös das Zimmer betrat
Als ich doch leicht nervös das Zimmer betrat, saß Goethe mit dem Rücken zu mir und schaute aus dem Fenster hinaus in den Park.
“…Herr Goethe”, ich traute mich gar nicht laut zu sprechen, “Sie wünschten mich zu sprechen”. Goethe drehte sich schnell auf seinem Hocker herum. Er sah aus…tja, wie ein normaler Mensch, im Morgenrock mit einer schwarzen Hose und Lackschuhe, ein hoher weißer Kragen ließ seinen Kopf schon leicht versinken.
“…wie ein normaler Mensch”
“Es ist mir eine Ehre Herr Goethe, dass Sie mir die Freude machen…”, stotterte ich – Goethe lachte leicht zynisch.
Erst einmal bestellte er bei der Magd einen Tee und bot mir einen Stuhl an. “Ich wusste gar nicht, dass Sie Teefreund sind…”, sagte ich etwas verlegen.
…kommen wir zur Sache
“Na ja”, sagte Goethe, “kommen wir zur Sache…”
“Die zwei schiefen Türme”
“Meine Zeit ist knapp…Sie behaupten, dass meine These zu den beiden schiefen Türmen von Bologna nicht stimmen würde, Sie erlauben sich dieses zu behaupten”, sagte Goethe schon leicht erregt und angriffslustig.
Ich holte erst einmal Luft, behielt aber die Fassung und konterte.
“Ich war dreimal in Bologna und habe dort Einiges erforscht, auch den mittelalterlichen Turmbau…”
Goethe hatte meinen Bericht über die beiden Türme vor sich auf dem Tisch liegen.
“Sie müssen immer bedenken Herr Goethe, auch große Geister können einmal irren.”
Nachdem wir einen Tee genossen hatten, legte ich siegesbewusst los…
“nicht nur von Goethe erklommen”
“Der Torre Asinelli hat wie jeder weiß, eine ziemliche Neigung und Sie glauben, dass er schräg gebaut worden wäre, und da liegen Sie falsch…“
Goethe schaute ziemlich aggressiv und griesgrämisch aus dem Fenster.
“Und Sie meinen dies besser wissen zu müssen…?”, konterte er.
“Sie müssen immer bedenken, wie viele Jahre die Türme schon stehen, durch das langsame Neigen der Schale des Turmes hat sich ja auch sein Innenleben, also sein Treppenaufgang und seine Stufen geneigt und wenn man hochsteigt, steht man ja im geneigten Turm geneigt. Man merkt dies aber kaum…eine Art optische Täuschung..”
…Goethe fing immer mehr an zu grübeln
Goethe fing immer mehr an zu grübeln und ich merkte, dass seine Gehirnzellen arbeiteten, er schwieg einen Moment.
“Sie behaupten in Ihrem Buch, die Backsteinschichten liegen horizontal, natürlich liegen sie horizontal, aber dies ist ja kein Beweis, dass der Turm schräg gebaut worden ist.”
Hiermit holte ich voll gegen Goethe aus.
“Der Bau eines solchen Turmes war ja in der damaligen Zeit ein ziemlich mühevolles Unterfangen und zeitaufwendig, aber ihn dann auch noch schräg zu bauen, das war kaum möglich, da liegen bzw. stehen Sie komplett schief Herr Goethe…”
Goethe sagte kein Wort mehr und merkte, dass ich ihn in die Enge treiben wollte.
“Aber es war doch klar”, konterte Goethe, “dass damals alles mit Türmen zugebaut war in Bologna, da musste ja etwas her, was auffiel…”
“Schön und gut, aber das beweist ja nicht, dass der Turm schräg gebaut worden ist”, erwiderte ich.
“Wenn Sie nämlich den Nachbarturm, den Torre Garisenda, betrachten, so sieht man, dass dieser wesentlich kleiner ist, nur er ist auch geneigt, er war damals nämlich schon fast fertig, als man mit Erschütterung sah, wie er sich immer mehr neigte und damit er nicht einstürzte, hat man ihn bis auf eine gewisse Höhe abgetragen, dadurch steht er heute noch. Er steht ja direkt neben dem hohen Turm, was zeigt, dass das Fundament nicht nur unter dem kleinen schlecht war und ist, sondern auch unter dem großen…”
“Halt…”, rief Goethe und unterbrach mich in meinen umfangreichen Ausführungen.
…er machte einen merkwürdigen Eindruck
Goethe machte einen merkwürdigen Eindruck, er merkte, dass ich ihn mit Fachwissen in die Enge getrieben hatte, er konnte und wollte aber von seiner Thesenicht abgehen, sonst hätte er ja die Stelle in seinem Buch revidieren müssen, er war in einer Zwickmühle. Wahrscheinlich hat sich noch kaum jemand getraut, ihm zu widersprechen und er merkte, dass dieses doch möglich ist.
Was nun ? Keiner sagte mehr ein Wort. Goethe merkte, dass er sich geirrt hatte und ich wollte nicht noch mehr Beweise und Belege auf den Tisch bringen.
…wir tranken noch einen Tee
Wir tranken noch einen Tee und nach ein paar Minuten stand Goethe auf und machte eine Geste des Abschieds. Tja, dachte ich, auch die Stärksten haben ihre müden Stunden.
Er geleitet mich persönlich bis zum weißen Eingangstor und ich verabschiedete mich dankend für seine Einladung.
“Wir können es dabei belassen”, sagte er mir zum Abschied.
Als ich am nächsten Morgen Weimar verließ, dachte ich, er soll bei seinem Glauben bleiben und ich bei meinem.
Was lernen wir daraus :
“Auch die Stärksten haben ihre müden Stunden”
Nachtrag :
Goethes These, dass die horizontale Schichtung der Backsteinschichten der Beweis dafür wäre, dass der Torre degli Asinelli, der größere der zwei Türme, schief gebaut worden ist, ist nicht tragbar. Genauso ist es nicht 100prozentig beweisbar, dass durch die Schrägung des “Innenleben” und die schräge Stellung des Hinaufsteigenden, der Turm schräg geworden ist. Trotzdem deuten fast alle anderen Argumente darauf hin, dass es kaum möglich war, so einen Turm schief zu bauen und dass die Chance, dass er schräg geworden ist, so gut wie sicher ist. Aber große Geister können sich eben auch einmal irren, sowohl Goethe, wie auch ich.
“Wie man sich durch eine Idee viele Denkmäler setzen kann”
Wenn man durch die heutige Welt wandelt, kommen einem immer wieder Worte über den Weg, bei denen man erst einmal überlegen muss, was die Menschheit damit überhaupt meint.
Ob nun Flyer, Fast-Food, Dates, Up-Dates, Coaching etc.
Nun gibt es Gott sei Dank immer noch ein deutsches Wort, was man zur Erläuterung heranziehen kann, doch mit der Zeit gewöhnt man sich an solche Wörter und übernimmt sie auch in seinen Wortschatz.
Wenn “PatchWork-Familien” vor einigen Jahren jeden hätte dumm dastehen lassen, ist es mittlerweile kein Fremdwort mehr, während die normale klassisch-deutsche Familie schon fast ein Fremdwort geworden ist. Nun machte ja , wie so häufig in der Geschichte, ein schlauer Mann eine Erfindung, mit der er seinen Namen zu verknüpfen verstand und somit ging sein Name für seine Erfindung in den Sprachschatz über – kurz um, er setzte sich selbst nicht ein Denkmal, sondern viele.
Und dieser Mann hieß Ernst Litfaß (1816–1874). Der Stiefvater Lifaß’ hatte im damaligen Berlin ein Druck- und Verlagshaus, was er nach dem Todes des Stiefvaters voll übernahm. Dieser Herr war nicht nur ein guter Geschäftsmann, sondern hatte auch erfinderisches Talent. Er führte nämlich Schnellpressen und den Buntdruck nach französiche-englischem Muster ein und druckte als erster großformatige Plakate (Affichen). Neben vielen Ehrungen und Honorationen am damaligen königlichen Hofe, setzte er sich auch sozial für verwundete Soldaten und deren Angehörige ein.
Ernst Litfaß (1816–1874 / Wikipedia)
Nun hat dieser Herr Litfaß etwas erfunden, was ihn unsterblich gemacht hat, und zwar die sogenannte Litfaß-Säule. Angeblich war er empört über das wilde Plakatieren. Bekanntmachungen und Werbung für Orchesteraufführungen, Theatervorstellungen oder für den Zirkus wurden wild an Mauern und Häuserwände geklebt (was man aus der heutigen Zeit auch gut nachvollziehen kann).
Wildes Plakatieren
In abendlicher Stunde kam er auf die Idee und die Litfaß-Säule war geboren. Er stellte einen Antrag bei den Behörden (1854) und stellte im damaligen Berlin erst einmal 150“Annoncier-Säulen” auf. Zunächst dienten diese der unentgeltlichen Plakatierung für öffentliche Bekanntmachungen und gewerbsmäßigen Veröffentlichungen von Privatanzeigen, quasi traditionelle Reklameträger.
Der ungeheure Vorteil war und ist ja der, dass keine Wände von Häusern mehr verunstaltet wurden, sondern, dass man auf kleinem Platz eine große Anzahl von Plakaten anbringen kann und zudem brauchen die Betrachter und Leser ja nur um diese Säule herumzugehen und können damit alles sie Interessierende lesen und begutachten.
Somit sollen in damaliger Zeit viele interessierte Bürger immer um die Säulen gestanden haben, um die neusten Nachrichten zu lesen. Da mag man in der heutigen voll-digitalisierte Welt drüber schmunzeln, doch muss man bedenken, wie durch die Weitsicht dieses Herren ein kommendes Geschäft der Reklame vorgedacht wurde.
In der heutigen Handy-Spielsucht-Zeit sieht man kaum noch jemanden vor einer Litfaß-Säule stehen und einen Text lesen, aber trotzdem hat sich diese Werbemethode bis heute gehalten (!) Glückwunsch, Herr Litfaß.
Nach dem Tod des Erfinders, verbreitete sich diese Idee über ganz Deutschland aus. Keinem hat man so viele “Denkmäler” gesetzt wie für Herrn Litfaß, denn heute gibt es noch 67.000 Litfaßsäulen in ganz Deutschland, wovon etwa 50.000 zur Werbung für kulturelle Veranstaltungen genutzt werden. So wird man auch für die Ewigkeit berühmt und setzt sich selbst ein Denkmal, bzw. sehr viele.
Nun ist die Zeit ja nicht stehen geblieben. Oftmals geht man ja heute eher an solchen Säulen vorbei ohne ihnen einen Blick zu widmen, trotzdem bleibt es ein Geschäft, denn an so einer Säule Werbung anzubringen, kostet Geld und zwar oftmals viel Geld. Hierbei haben allerdings Veranstaltungen kultureller oder sportlicher Art den Vorrang, aber umsonst ist gar nichts mehr, also zudem eine Geldeinnahme-Quelle, die nicht viel Platz wegnimmt. Tja, eine gute Idee ist besser als ein Leben lang Büroarbeit.
Nun ist, wie gesagt, die Zeit nicht stehen geblieben und man musste langsam ein neues Wort erfinden, was trotzdem das Denkmal von Herrn Litfaß nicht umstürzen kann.
Und dieses Wort ist “Eye-Catcher”.
Was ist datt denn, würde sich Herr Litfaß sicher fragen, vielleicht etwas Versautes oder ein Begriff aus der Boxkunst oder Hühnerzüchtung (?)
Denn auch außerhalb von diesen Säulen stolpert man immer wieder über Werbung ohne Ende, vor allem über Stand-Schilder vor Geschäften, sodass man oftmals auf die Straße ausweichen muss und die bei Sturm sehr schnell wegfliegen können. Und diese sollen von der Grundidee her, also verkaufstechnisch suggestiv, den Vorbeieilenden dazu animieren hereinzugehen und etwas zu kaufen (außer, wenn sie weggeflogen sind). Man muss schon ein bisschen Phantasie haben, hier zu erkennen, dass es sich um einen sogenannten “Eye-Catcher” handelt, aber wenn man von der Grundschule Englisch gelernt hat, kann man es erahnen.
…Perugia
Außerhalb des werbeverstopften Heimatlandes kam man im südlichen Italien auf die Idee, Todesanzeigen von verstorbenen Mitbürgern auf extra dafür reservierten Flächen zu kleben, um den Mitbewohnern zu informieren, wer von dannen gezogen ist. Auch eine hervorragende Idee, die teure Todesanzeigen in Boulevardblätter überflüssig machen.
Ade für alle Ewigkeit
…Verona
Was wirkliche “Eye-Catcher” sind, erfährt man im noblen Verona, wo die Parfümwerbung das Herz (fast) jeden Mannes höher schlagen lässt.
Parfüme aus Oberitalien
Noch etwas intimer wird es in derselben Stadt (Verona) bei sogenannter DUB, was soviel heißt wie Damenunterbekleidung, obwohl es ja ein Produkt für Frauen ist, werden sicher eher Männer dort ihr Auge drauf werfen – aber Männer müssen es ja meist auch bezahlen.
Eye-Catcher für Männer
… Avignon
Aber es gibt nicht nur “Eye-Catcher” für das männliche Auge, sondern auch für das weibliche. Dies erfuhr ich im südlichen Avignon, denn hier zeigt sich ein unbekleideter Herr ; er verdeckt als solches nur sein Gesicht, wahrscheinlich, weil er nicht erkannt werden will. Wie vormals erwähnt, kann man ja hier schon eher von “Eye-Catcher” sprechen, was allerdings ins Pornografische gehen würde. Aber für eine Anti-Aids-Werbung wäre es nicht schlecht.
Eye-Catcher im wahrsten Sinne des Wortes
Wenn das natürlich Herr Lifaß wüsste…
…Bologna
Im hochgeistigen Bologna hat man an einem zentralen Punkt die Idee gehabt, nicht nur ein Plakat aufzuhängen, sondern hat das Motiv gleich auf vier Plakate verteilt. Denn in der Via delle Belle Arti, einer Stichstraße der Via Zamboni in der Altstadt von Bologna befindet sich nämlich die Pinacoteca Nazionale diBologna, die das Herz eines jeden Kunstinteressierten höher schlagen lässt. Und dafür braucht man einen guten Namen und einen “Eye-Catcher”. “Das Haus der Giganten” (La dimora dei giganti) klingt zwar etwas überheblich, aber Ehre, wem Ehre gebührt, und dafür wurden gleich vier Plakate zu einem Ganzen vereint.
Haus der Giganten
Etwas größere Nachforschungen würde es jetzt bedürfen, herauszufinden, wen das Plakat zeigt, bzw. welcher Schöpfer dieses Werk geschaffen hat, diese Mühe hatte ich mir bisher trotz aller Bologna-Begeisterung allerdings noch nicht gemacht.
…Sevilla
Ein wahrer “Eye-Catcher” lief mir im spanischen Sevilla über den Weg, was zeigt, dass das Bundesland Bayern doch auch außerhalb des Heimatlandes bekannt und gefürchtet ist, denn beim Betrachten dieses Seppels mit Tiroler Hut bekommt man schon Angst vor Gewaltbereitschaft, obwohl es nur ein Werbeplakat für einen Deutschkurs ist (Herr Goethe kommt im Text auch vor!).
Ein Bayer in Sevilla
Bayern scheint ja der Inbegriff des Deutschen zu sein, kann man natürlich sehen, wie man will, aber als Motiv eines “Eye-Catcher” gut geeignet.
Hier (Sevilla) springen einem natürlich an jeder Ecke die resoluten Damen ins Auge, die die Hauptsportart der Stadt verkörpern, nämlich den Flamencotanz.
Rasante Weiber
In diesem Fall steht man “Face to face” (wieder so ein Begriff) der rasant blickenden und stark geschminkten Dame gegenüber, sodass man schon leicht Angst bekommen kann, obwohl hier ja nur für ihre Tanzkünste geworben wird.
Flamenco als Kunst
Aber das ganze kann sogar, wie das obere Foto belegt, schon leicht künstlerisch genutzt werden, denn dieser “Eye-Catcher” zeigt dieselbe Sportart (Flamenco) als Gemälde. Vielleicht ist in frühen Zeiten Herr Bizet durch die Gassen Sevillas gebummelt und durch den unten zu sehenden “Eye-Catcher” auf die Idee zu seiner Oper “Carmen” gekommen, wer weiß…
…könnte von George Bizet sein
…Barbiere in Sevilla
Die Zeiten der Zünfte ist noch lange nicht vorbei und eine dieser Zünfte ist ja die Frisierkunst. Allerdings müssen sich heute Frisöre (früher Barbiere) auch etwas werbetechnisch einfallen lassen, um die Kunden bei ihrer großen Konkurrenz in ihr Frisier-Studio zu locken.
Barbier von Sevilla
Hierbei geht der Frisör schon richtig rasant zu Werke, zielsicher steuert er sein Opfer, bzw. seinen Kunden, äh. Kundin an. In sportlicher Stellung ergreift er eine Locke des Hauptes der mit geschlossenen Augen auf das Kommende wartenden Dame, die hoffentlich nachher, wenn sie die Augen öffnet, nicht einen Schock bekommt, wenn sie das Werk des Barbieres sieht. Dieses dachte sicher auch ein gewisser Herr Rossini bei der Betrachtung dieses “Eye-Catchers” in den Straßen der andalusischen Stadt und es wurde vielleicht sogar der Auslöser seines Werkes “Der Barbier von Sevilla”. Eine Vermutung, die ja eher gewagt ist…
…Venedig
Aber auch zur letztjährigen Biennale in Venedig (2019) ließen die “Eye-Catcher” nicht lange auf sich warten.
Herr Dubuffet bei der Biennale in Venedig
Der französische Maler und Bildhauer Jean Dubuffet (1901 – 1985) zeigt hier seinen Humor auf einem Plakat des Palazzo Cavalli-Franchetti an der Accademia-Brücke in Dorsoduro. Es ist sicher schon etwas her, dass Herr Dubuffet in Venedig ausgestellt hat, aber ein Gespräch mit den einheimischen Gondoliere liess die Zeit eines Witzes zu. Alte schwarz-weiß-Fotografien haben doch “Eye-Catcher”-Reiz, weil sie in unserer bunten Welt sofort ins Auge stechen und dies ist ja auch der Sinn dieser “Eye-Catcher”.
…Aix-en-Provence
Zurück im geistigen Zentrum der Provence zeigte sich ein werbetechnisch geglückter Trick, dem man auch in unseren Gefilden immer wieder begegnet. Man nimmt einfach Werbung aus längst vergangenen Zeiten und möbelt sie neu auf.
Waschtag
Vor der Erfindung der Waschmaschine, hatten es Frauen ja nicht so einfach mit der Säuberung der Wäsche, es war harte Knochenarbeit mit einem Waschbrett in einem Topf mit heißem Wasser zu versuchen, die nicht mehr ganz weißen Westen wieder weiß zu bekommen. Das Waschpulver im unten zu sehenden “Eye-Catcher” in Aix-en-Provence scheint aus Marseille zu stammen und im Hintergrund erkennt man ja die Küste des rauschenden Meeres. Die Dame scheint allerdings doch noch Spaß an der Sache zu haben, auch wenn der Spaß bei einem Waschtag sicher schnell nachgelassen haben muss.
…Florenz
Im mondänen Florenz zeigte sich aber auf den ersten Blick, dass zu viele “Eye-Catcher” nicht gut für die Augen sind, weil man dann nämlich gar nichts mehr lesen kann (also doch Boxer-Sprache).
Weniger wäre mehr
Ein ähnliches Bild bot sich sicher auch dem Anfangs erwähnten Herrn Litfaß, als er durch die damaligen Prunkstraßen Berlins bummelte und er dann die Idee einer Säule hatte, die diesem unschönen Anblick ein Ende schaffen sollte. Das hat er dann ja auch geschafft, …aber anscheinend nicht im teuren Florenz.
…Kotor
Eine wahrliche Steigerung des Effektes der Parfümwerbung Veronas, fand ich in der Festungsstadt Kotor in Montenegro. Dass es bei so einer geschichtsträchtigen Stadt bzw. Festung wie Kotor, überhaupt Werbeflächen für “Eye-Catcher” gibt (?) – sicherlich war es im Schaufenster einer Parfümerie, denn weibliche Besucher hat Kotor ja auch zu verzeichnen.
Der Duft der weiten Welt
Ohne am heimischen Herd, bzw. LapTop am Foto herumzuverfälschen, zeigt hier der Designer dieses “Eye-Catcher” sehr viel Geschick, den Duft dieses Parfüm optisch in die Nase steigen zu lassen, denn die leicht bekleidete Dame umschwebt ein rötlicher Duft, der sie zum Nachdenken anregt. “Soll ich es kaufen oder nicht ?” Im Hintergrund verschwimmt alles, aber ablehnend scheint sie nicht zu sein, eher berauscht und das soll ja ein gutes Parfüm, bzw. ein guter “Eye-Catcher” sein.
…Tallinn
Der Litfaß-Säule alle Ehre machte ein Plakat, was schon wesentlich mehr ist, als nur ein Plakat im nördlichen Tallinn. Denn diese Glitzer-Party wird nicht nur in Worten angepriesen, sondern durch einen “Eye-Catcher”, der es in sich hat und das Auge jedes Vorbeigehenden anzieht. “The Ultimate Glitter Party” – was immer dies sein soll, zeigt die schwarz geschminkte Dame auf dem Plakat, was die ganze Säule (!) umgibt, in einem Glanz, der sich sehen lassen kann und an einzelnen Stellen schon heruntergleitet. Na, wer da nicht hingeht, ist selber Schuld – jeder wird dann am Abend merken, wie die glitzernden Eintrittspreise sind, laut dem Plakat muss es sich ja lohnen.
Glanz und Glitter
…Sturm-Kreationen
Die heftigen Winde der letzten Zeit bringen wahrlich hervorragende “Kunstwerke” ans Tageslicht, was zeigt, dass die Natur der beste “Schöpfer” ist.
Kunstwerke der Natur
…Doppelbelichtungen
Zum Abschluss eine wirklich gelungene Bild-Kreation. Wie man dem abschließenden Foto entnehmen kann, schwebt meine Person in den Hauch dieser Dame mit Rose über. Es erinnert ein bisschen an die Ergüsse der 60er-Jahre. Auch wenn ich noch nie Glück bei Frauen hatte, eine gelungene Fusion des Verfassers dieses Beitrages mit einer erotisch anmutenden Dame im Rosenduft. Dies hätte Herrn Litfaß sicher auch angesprochen…
Im Rausch der Rose
Was lernen wir daraus :
“Eine gute Idee ist besser, als ein Leben lang Büroarbeit”
Wie man dem Foto unten entnehmen kann, war ich schon immer ein Buchfreund. Mein Vater war schon in den 60er-Jahren in einem Buchclub, was damals nicht so häufig vorkam. Und wenn man dann, so wie ich, noch gelernter Schriftsetzer ist, spielen natürlich Bücher generell ein große Rolle, noch mehr als das Internet.
Mit Buch geboren
Wenn man also seit Jahr und Tag liest (ich wüsste kaum eine Ära, in der ich in den letzten 25 Jahren nicht gelesen habe), entwickelt man sich ja auch als wissender Rezipient.
Gute Bücher sind die, die man immer wieder lesen kann.
Es gab sogar Bücher, die mich so begeistert haben, dass ich sie nach der Beendigung sofort wieder von vorne begonnen habe.
Viele Bücher habe ich nach einer gewissen Zeit noch einmal gelesen. Es kann dann allerdings auch vorkommen, dass einen das Buch nicht mehr so begeistert, wie beim ersten Mal und man fragt sich, wie kommt denn das??? Dann erkennt man, wie man sich in dieser Zeit entwickelt hat und wenn es einen dann wieder begeistern …
…dann ist es das richtige Buch.
Unser Jöte darf nicht fehlen
Und um so “richtige Bücher” soll es jetzt gehen, nämlich die sogenannten Bücher für die Insel.
Die Anzahl habe ich (erst einmal) auf fünf begrenzt.
*J.W.v.Goethe – “Italienische Reise” (1786–88) *Friedrich Nietzsche – “Also sprach Zarathustra” (1883) *Edward Buwer-Lytton – “Rienzi, der letzte der Tribunen” (1835) *Daphne du Maurier – “Ein Tropfen Zeit” (1969) *Anne Chaplet – “Die Fotografin” (2002)
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*Johann Wolfgang von Goethe – “Italienische Reise”
Goethe war und ist ja nicht nur der größte deutsche Dichter, war bewandert in Farbenlehre, Botanik und Flora, hat nebenbei Jura studiert und war aktiv in der Politik tätig, sondern er war auch einer der ersten Deutschen, die das damalige noch nicht ergründete “Sehnsuchtsland” Italien in einer 18monatigen Reise durchzog und dann die Reise auch noch schriftlich festhielt. Goethes “Italienische Reise” ist quasi das Italien-Buch in der Geschichte, wo man als reisefreudiger Italienfreund nicht herum kommt. Das Standardwerk für alle kommenden Reiseberichte und ‑bücher über Italien. Seine Reise ging durch ganz Italien beginnend im deutschen Karlsbad bis durch ganz Sizilien und zurück über Mailand und dem Comer See. Wenn man jetzt schon öfter in Italien war, ist es natürlich interessant, an die Städten zu kommen, wo Goethe war und diese in diesem Buch verewigt hat.
Goethe und Italien
Zum Werk an sich sei zu sagen, dass Goethe seine 18monatige Reise als eine Art “Wiedergeburt” angesehen hat – seine euphorischen Schilderungen aller Kunstdenkmäler, Bauwerke, Kunstwerke und der Landschaft fallen begeistert aus – das Kritische fällt eher unter den Tisch. Wie mir auffiel, hat Goethe den Fehler (zu mindestens auf der Hinreise) gemacht, einige bedeutende Städte wie Verona, Padua, Venedig, Bologna, Perugia zu schnell zu durchreisen, weil es ihn magnetisch einzig und allein nach Rom zog, dadurch bleiben einzelne (auch bedeutende) Städte mit eher kurzen Aufenthalten auf der Strecke. Der erste Teil vor dem 1. Rom-Aufenthalt fällt demgemäß vom Umfang her dünner aus, als die beiden Rom-Aufenthalten (inkl. dem Kapitel über den Römischen Karneval).
Trotzdem ist Goethes “Italienische Reise” das Standardwerk und wird es immer bleiben. Meine Ausgabe (Beck-Verlag München) ist auch noch mit einer größeren Anzahl von Skizzen und Lithografien von Baudenkmäler und Kunstwerken geschmückt, die alles noch ein bisschen anschaulicher machen, in einer Zeit, als es vieles ja noch nicht gab. Wenn man bedenkt, dass Goethe die Reise ja machte, als es außer der Kutsche oder Schiffe, noch keine anderen Verkehrsmittel (neben den eigenen Beinen) gab, ist es aus der heutigen Sicht schon fast unvorstellbar so eine Strecke auf diese Art und Weise zurückzulegen.
Das Werk liest sich fließend, ist sehr abenteuerlich und hat einen großen Anhang mit Erläuterungen, Korrespondenz und einen Bericht über den Römischen Karneval.
Da kann man nur sagen :
“Nur wo man zu Fuß war, war man wirklich”
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*Friedrich Nietzsche – “Also sprach Zarathustra”
Friedrich Nietzsches Werk “Also sprach Zarathustra” wird öfter als sein Hauptwerk bezeichnet. Bei großen Schöpfern ist es als solches gesehen Unsinn von “Hauptwerk” zu sprechen, nur wenn das Werk das bekannteste oder meistverkaufteste ist. Das bedeutet natürlich noch lange nicht, dass es auch das beste ist. Man sollte also mit dem Begriff “Hauptwerk” vorsichtig umgehen. Aber warum wird der “Zarathustra” oftmals als Nietzsches Hauptwerk bezeichnet ?
Nietzsches Schatten
Nietzsche hat ja seine Werke zum größten Teil nicht durchgeschrieben, es sind Anthologien. Dies bedeutet eine Sammlung ausgewählter Texte oder Textauszüge in Buchform oder im weiteren Sinne eine themenbezogene Zusammenstellungen aus literarischen, musikalischen oder grafischen Werken (Definition). Im Falle Nietzsche sind es oftmals durchnummerierte Aphorismen.
Also selbstständige einzelner Gedanken, ein Urteil oder eine Lebensweisheit, welche aus nur einem Satz oder wenigen Sätzen bestehen kann. Oft formuliert er eine besondere Einsicht rhetorisch kunstreich als allgemeinen Sinnspruch (Definition).
“Ich versuche in einer Zeile mehr auszudrücken, als manche in einem ganzen Buch nicht”
Dieses Zitat von Nietzsche zeigt schon die Aussagekraft seiner Sprachkunst als unendliche Quelle der Erkenntnis. Es gab Jahre (2003-08), als ich immer Nietzsche auf Reisen dabei hatte und es gibt kaum ein Werk von ihm, was ich nur einmal gelesen habe, vom “Tragödienbuch” bis zum “Ecce Homo” habe ich alles bis zu viermal gelesen. Wenn man nun alle Werke kennt, scheint sich dieser Schreibstil (Anthologien) zu perfektionieren und sich im “Zarathustra” zur Krönung zu führen.
Alles und noch viel mehr…
Zarathustra wird als eine Art wandernde Erlösungsfigur dargestellt, die der Passion Jesu sehr nahe kommt – pointierte Zwischenüberschriften oftmals nur aus zwei oder drei Worte bestehend, leiten ein neues “Kapitel” ein, dieses besteht allerdings aus gezielten Aphorismen.
“Schreibe mit Blut und du wirst erfahren, daß Blut Geist ist…”
Dieses Zitat zeigt, dass Nietzsche es mit seinem “Zarathustra” ernst meinte.
“…wer in Blut und Sprüche schreibt, der will nicht gelesen, sondern auswendig gelernt werden”
Blut und Geist
Es zeigt, dass es Nietzsche nicht auf Durchfluss ankam, sondern er sah seine Stärke in piontenhaften Zitaten, um den Kern der Sache besser treffen zu können, als durch lange, oftmals auch ausschweifende Texte. Wenn man nun den “Zarathustra” durchgehend liest, fügt sich alles zu einem einheitlichen Weltbild zusammen.
Dieses einheitlichen Weltbild, was sich einem immer mehr einprägt, ist einer der Gründe, warum der “Zarathustra” eines der Bücher ist, die man immer wieder lesen kann…
….oder besser um mit einem Zitat Nietzsches zu enden :
“Meine Werke sind nicht zum Lesen oder Vorlesen, sie sind zum Aufschlagen”
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*Edward Buwer-Lytton – “Rienzi, der letzte der Tribunen”
Als drittes ein wahrer Klassiker der Literaturgeschichte.
Edward George Bulwer-Lytton (* 25. Mai 1803 in London ; † 18. Januar 1873 in Torquay) war/ist ein englischer Romanautor und Politiker, der es geschickt verstand, geschichtliche Ereignisse und Vorfälle in Romanform umgeformt für seine Werke zu nutzen. In späteren Werken tendiert Bulwer (wie man ihn in einer Abkürzung nannte) schon zu okkulten und auf die Science-Fiktion-Literatur hinweisenden Schreibstil und Inhalte.
…antiquare Ausgabe in Fraktur
Bei dem bekanntesten Werk “Die letzten Tage von Pompeji” greift er nicht etwas Überirdisches auf, sondern er nimmt sich ein geschichtliches Ereignis, den Ausbruch des Vesuvs 79 n.Chr. und schafft damit einen Roman mit fiktiver Geschichte.
Bei dem Werk, um das es hier gehen soll, handelt es sich nicht um etwas Fiktives, sondern um einen Person, die Geschichte gemacht hat, und diese Personen gab es ja schon viele – Luther, Jesus, Hitler, Napoleon… Diese Personen reizen ja immer wieder die Geister großer Schöpfer, ihre Werke daraus zu schaffen, weil die meisten Menschen ja diese Personen kennen, also die Zahl der Interessierten für den Roman oder das Werk somit höher ist, als wenn er einer unbekannteren Person gewidmet ist.
Poetisch ausformuliert
Und diese Person ist der römischer Volks-Tribun RIENZI, der dem Volk Befreiung vom Joch des Adels verspricht, Wohlstand und Einigkeit, vom Volk bejubelt, sich selbst zum Volkstribun erhebt, gefeiert wird und eine große Macht erlangt. Seine Gegner schmieden bereits einen Plan, um den Volksführer zu stürzen. Nach allem Jubel wendet sich aber wie so häufig in der Geschichte das Blatt und derselbige Tribun wird vom selben Volk hingerichtet und gehenkert. Die Geschichte spielt im mittelalterlichen ROM. Es geht wie immer um Machtkampf, Verschwörung, Rache und Wahn.
Als nämlich die Steuer wieder mal erhöht wird, wird das Volk rebellisch, es greift zu den Waffen und stürzt den einst Hochgejubelten, der im brennenden Kapitol unter den zusammenstürzendem Gebäude, eine Art Scheiterhaufen, umkommt.
Der Aufbau dieses historischen Romans hat etwas (für mich) Faszinierendes, der Autor schiebt nämlich zwischen die fiktiven Kapitel, einzelne sachlich erläuternde Kapitel, um den Leser eine Art Erklärung der Sachlage unterstützend zu geben. Eine hervorragende Struktur so einen umfangreichen Roman (628 Seiten) etwas aufzulockern und zwar nicht mit Lückenfüllern, sondern eher mit historischen Fakten. Wenn das sachliche Kapitel vorbei ist, wird die Handlung wieder aufgegriffen. Ich habe den “Rienzi”-Roman in Fraktur aus einem Antiquariat aus dem Internet und bereits viermal gelesen.
Kein geringerer als Richard Wagner nahm sich, wie einige andere (z.B. Fr. Engels) des Stoffes an, da er den Roman in seiner Rigaer Zeit als Kapellmeister (1837–39) in die Hand bekam und schuf daraus sein “Durchbruchswerk”, eine 5aktige Große Tragische Oper “Rienzi, derletzte der Tribunen”, womit er zum damaligen Zeitpunkt alles in den Schatten stellen wollte , was es auf der Opernbühne gab (was er auch geschafft hat!). Dieses in späteren Jahren verstoßene Frühwerk mit seinen 5 Stunden Spielzeit, war zu Wagners Lebzeit das populärste seiner Werke, was ihm später schon etwas peinlich war, wenn man an da Kommendes denkt.
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Jetzt kommt etwas mehr leichtere Kost aus dem Bereich der Belletristik.
*Daphne du Maurier – “Ein Tropfen Zeit”
1969 war ja die Hochblüte der Hippie-Bewegung, wer erinnert sich aus unserer Generation nicht daran (?), allerdings auch die Hoch-Blüte der Rauschmittel. Diese gab es zwar schon immer, aber zu diesem Zeitpunkt (60er Jahre) wurden die “Räusche” mit eingebunden in Werke, ob nun kommerziell oder eher kreativer Natur.
Wie ich am Anfang schon erwähnte, war mein Vater in den 60er Jahren im Frankfurter Buchclub, was damals nichts Alltägliches war. So bekam ich als 13jähriger das Buch Anfang der 70er Jahre in die Hand. Ob ich es damals gelesen habe, ist mir nicht mehr bekannt, aber eins hat mich damals (wie heute) begeistert, und das ist das Cover der Ausgabe von 1969.
Ekstatisch futuristisch
Ein Bild, was man vielseitig auslegen und interpretieren kann, aber auf alle Fälle Fantasie anregend. Schon alleine der Titel “Ein Tropfen Zeit” lässt das Herz eines jeden mit Fantasie behafteten Menschen höher schlagen. Die Droge Zeit, die einen in eine andere, längst vergangene Zeit, versetzen kann ; wer hat als Kind (oder auch als Erwachsener) davon nicht einmal geträumt (?).
Ein Professor macht es möglich, in dem Keller seines Hauses in Cornwall (Wales) eine neue flüssige Droge zu erfindet. Ein enger Freund und Mitwissender stellt sichzur Verfügung die Droge zu testen, als der Professor für ein paar Wochen außer Landes ist. Er gerät in eine andere Welt, in längst vergangene Zeitenund kehrt immer wieder zurück ins Jetzt. Beide planen einen gemeinsamen Trip, doch dazu kommt es nicht mehr. Die Sucht wird immer stärker und zeigt böse Folgen.
Das väterliche Buch ist verloren gegangen, allerdings besorgte ich es mir vor ca. 2 Jahren und lass es mit Begeisterung in einem Strich durch, spannend von der ersten bis zur letzten Zeile.
Daphne du Maurier (* 13. Mai 1907 in London ; † 19. April 1989 in Par, Cornwall) war eine britische Schriftstellerin, deren Romane auch teilweise verfilmt worden sind. Ihre Geschichten spielen hauptsächlich an der englischen Küste, wo sie sich niederließ. Ihre Romane und Erzählungen zeichnen sich durch Spannung und psychologische Tiefe aus.
Der Roman hat mich begeistert und ist es auf alle Fälle wert, mehrfach gelesen zu werden, nicht unbedingt als Lückenfüller.
Entnommen bei bei : https://www.azquotes.com
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Das fünfte Buch für die Insel ist wiederum ein belletristisches.
*Anne Chaplet – “Die Fotografin”
Kurze Vorgeschichte. In den Wintermonaten des Jahres 2004 hatte ich mich in der städtischen Bücherei mit besseren Krimis eingedeckt, um die dunkle Jahreszeit zu überbrücken. Viele habe ich gar nicht zu Ende gelesen oder schon nach 20 Seiten abgebrochen. Doch eines hatte mich dann doch gefesselt, sodass ich es genauer unter die Lupe nahm.
Es war “Die Fotografin” von einer gewissen Anne Chaplet. Nach einer kurzen Recherche fand ich heraus, dass die Autorin gar nicht Anne Chaplet heißt, sondern ein (schriftstellerisches) Doppelleben führt. Unter ihren wahren Namen Cora Stephan arbeitete sie schon als Lektorin, Übersetzerin, und Verfasserin von Wirtschaftsliteratur und stammt aus Hessen.
Schon interessant und zeigt einige Fantasie. Mit diesem Eindruck deckte ich mich im besagten Winter (und auch danach) mit Büchern von Frau Chaplet/Stephan ein, wovon sie schon über ein Dutzend geschrieben hat. Jetzt war ich allerdings enttäuscht, denn keines der anderen Bücher kam an die Qualität der “Fotografin” heran. Frau Stephan verzeihe mir diese Erkenntnis. Ich weiß auch nicht warum, nur dass ich “Die Fotografin” mittlerweile viermal gelesen habe.
Ohne in eine lange Rezension zu verfallen, ist das Faszinierende daran nicht, dass es ein besserer Krimi ist, den man fließend herunter lesen kann, sondern der gefühlvolle Schreibstil, den die Autorin bei gewissen Szenen an den Tag legt.
Wechselnde Handlungsstränge verteilen sich auf verschiedene Orten : Frankfurt a.M. und das Nest Beaulieu in der Provence – ein Ort, der wirklich existiert (eine Gemeinde mit 1676 Einwohnern im Département Hérault in der Region Okzitanien rund 20 km nord-östlich von Montpellier in Süd-Frankreich). Vor allem die Handlungsstränge in der Provence, wo sich mehrere Menschen, die sich als solches gar nicht kennen, aber eine gemeinsame Vergangenheit haben, nach langen Jahren wieder begegnen (keine schlechte Idee).
Die Zusammenhänge werden oft verschleiert, die Handlungsorte wechseln, es kommt zu ungewöhnlichen Begegnungen nach langen Jahren, alles wird immer verknüpfter und fixiert sich immer mehr in das Nest Beaulieu in der Provence, was eher friedlich erscheint (im Roman), dann aber zum Zentrum der bis ans Ende spannenden Handlung wird.
Die Person, die bei Chaplet immer wieder auftaucht, auch in den anderen Romanen, ist die Frankfurter Staatsanwältin Karen Stark, die ein gutes Gespür für kompliziert aussehende Fälle hat, vor allem, wenn man ihr einen Fall einfach aus der Hand nehmen will, um ihn vor der Aufklärung zu bewahren.
Sehr gut, Frau Chaplet…äh… Frau Stephan, nur verstehe ich nicht ganz, warum mir die anderen Romane, die auch eine ähnliche Struktur haben, nicht zugesagt haben (?)
Das Buch hat mich zu meinen Provence-Aufenthalten der Jahre 2014/15 mitanimiert. Auch das Foto auf dem Schutz-Umschlag sprach mich an, Fotos von ähnlichem Bildaufbau habe ich auch unzählige gemacht…auch in der Provence.
…alle Fünf
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Gut mal wieder ein Zitat aus meiner Zitatenkiste zu zaubern :
Mein erster Beitrag des neuen Jahres verlagert sich einmal wieder in die Vergangenheit, und zwar an die Weihnachtstage 2008, als ich nämlich vor 11 Jahren wieder einmal meine “Weihnachtsflucht-Residenz” in den Süden verlagerte, diesmal nach Sizilien, um genauer zu sein, nach PALERMO.
… 3.000jährige Altstadt
Die 3.000jährige Altstadt ist nicht so schachbrettartig aufgebaut, wie z.B. das “Spanische Viertel” in Neapel, trotzdem gibt es Hauptachsen, die die ganze Altstadt schnurgerade durchziehen, wenn man am Anfang des Corsos sich auf die Straße setzt, kann man durch ganz Palermo bis zum Ende der Straße sehen. Man sollte hierbei aber wegen des Verkehrsaufkommen vorsichtig sein, sich auf die Straße zu setzen. Oftmals ist es so, dass diese Hauptachsen am Anfang und am Ende ein Tor haben, bzw. was davon übrig geblieben ist, allerdings zeigen diese Jahrhunderte alten Stadt-Tore auch den Prunk und die damalige Macht dieser Sizilien-Metropole.
Porta Felice – Blick zum Porta Nuova
Allerdings habe ich 2008 bei leicht trüben Wetter (wie das Foto zeigt) es doch geschafft mit dem “auf die Straße setzen”, zu mindestens zeigt sich bei dem Blick durch das Porta Felice ein Blick bis ans andere Ende zum Stadttor Porta Nuova. Man sieht, dass zu diesem Zeitpunkt der Andrang eher gering war, denn auf der Hauptachse Via Vittorio Emanuele ist an diesem Spätnachmittag kein Auto weit und breit zu sehen, wenn man genau hinsieht, nur eine Person, der gemächlich über die Straße schreitet.
Porta Nuova Palermo
Der Durchgang oder die Durchfahrt durch das Stadttor auf der anderen Seite (Porta Nuova), weist gerade einmal schätzungsweise vier Meter Breite auf, was zeigt, dass es zu dessen Bauzeit noch keine Autos oder LKWs gab, sondern nur Kutschen.
…Goethe in Palermo
Zum Thema Straßen von Palermo hält Goethe in seiner “Italienischen Reise” eine kleine Anekdote fest, die ihm nach seiner Ankunft in Palermo passiert ist.
…schon von Goethe kritisiert
Goethes Aufenthalt fiel auf Anfang April 1787, das Wetter war noch etwas launisch. Dem Dichter fiel allerdings auf den Straßen Palermos auf, dass sie mit einer dicken Schicht von Unrat, Fäkalien und Schmutz bedeckt waren, der bei Hitze schnell sich in einen dreckigen Staub verwandelte und bei Wind durch die Corsos geblasen wurde, dass man kaum noch Luft kriegte.
Goethe in Palermo
Er sprach daraufhin einen Kaufmann an, warum man die Gassen, Corsos und Straßen nicht einmal säubere (?) Dieser erklärte Goethe ausgedehnt und mit viel Humor, dass man durch die dicke Schicht des Morastes wenigstens nicht sehen könnte, wie schlecht die Qualität des Pflasters von Palermo sei, was wieder Gelder für die Instandhaltung frei werden lassen müsste, wo die Entscheider allerdings nicht besonders glücklich drüber wären. Außerdem würde sich der Boden, auf denen die Karossen der Reichen einherfahren, dann doch wesentlich weicher anfühlen und eventuelle Schlaglöcher nicht auffallen. Hier (in Sizilien) hätte der Mensch immer noch genug Humor sich über das Unabwendbare lustig zu machen. (“Italienische Reise”, 5. April 1787, Seite 236).
Hauptachse Via Vittorio Emanuele
Um in die Gegenwart, bzw. zum Jahr 2008, zurückzukehren, geht es bei der erwähnten Hauptachse um die Via Vittorio Emanuele, die die 3.000jährige Altstadt von Palermo vom Porta Felice im Nord-Osten am Hafen bis zum Porta Nouva im Süd-Westen in der Nähe der Kathedrale schnurgerade durchschneidet.
Corso Vittorio Emanuele und Via Maqueda
Der oben abgebildeten Karte aus frühen Zeiten ist zu entnehmen, was Goethe in seiner “Italienischen Reise” unter dem Datum 3. April 1787 verzeichnet :
“Unser erstes war, die Stadt näher zu betrachten, die sehr leicht zu überschauen und schwer zu kennen ist, leicht, weil eine meilenweite Straße vom untern zum obern Tor, vom Meer bis gegen das Gebirg’ sie durchschneidet und diese ungefähr in der Mitte von einer anderenabermals durchschnitten wird : was auf diesen Linien liegt, ist bequem zu finden ; das Innere der Stadt hingegenverwirrt den Fremden, under entwirrt sich nur mit Hülfe eines Führers in diesem Labyrinthe.” (“Ital. Reise”, Seite 229/30)
…Hauptachsen
Hier sieht man, dass Goethe die Struktur der Stadt schnell erkannte, was ja auch für einen Fremden nicht schwer ist – denn neben der erwähnten Via Vittorio Emanuele gibt es eine zweite Hauptachse, nämlich die ViaMarqueda, und diese beginnt am Teatro Massimo im Norden und endet am Stadttor Porta di Vicari im Süden. Hierbei ist zu bedenken, dass Palermo zur Zeit Goethes (1787) wesentlich kleiner war, als heute. Die damaligen Stadttore sind heute mitten in der Stadt, damals standen sie an den Rändern der Stadt, die heute die Altstadt ist. Was früher am Rande, ist heute mitten drin, bedingt des steten Wachsens und Ausdehnens der Metropole.
Quattro Canti Palermo
Was Goethe bei seiner Darstellung der Stadt allerdings vergessen hatte, ist die Tatsache, dass sich an dem mittigen Schnittpunkt dieser beiden Hauptachsen ein Platz befindet.
…Quattro Canti
Um genau zu sein, heißt dieser Platz Quattro Canti di città, was so viel heißt, wie “Stadtplatz der vier Ecken”.
Blick nach Süden
Der in barocker Architektur eingerahmter Platz zählt zu den herausragenden Werken barocker Architektur in Palermo. Offiziell heißt er Piazza Vigliena nach dem spanischen Vizekönig Juan Fernandez Pacheco de Villena, der das Architektur-Ensemble erbauen ließ. Der Platz wird auch Teatro del Sole genannt, weil den ganzen Tag über das Sonnenlicht auf eine der Eckfassaden fällt, an jeder Ecke zeigt sich eine Palast-Fassade, von denen jede der vier anders ist, obwohl sie auf den ersten Blick gleich erscheinen.
…der Sonne entgegen
Jede der vier bewundernswerten Teil-Fassaden steht irgendwann am Tag in der Sonne, egal wieviel Uhr es ist und wo die Sonne gerade steht. Oftmals erkennt ein geübtes Auge italienischer Baukunst, vor allem in Venedig, dass die prunkvollen Fassaden oft nur davor gesetzt worden sind, hier am Quattro Canti merkt man, außer kleine Abweichungen, dass die Gebäude dahinter dazu gehören, quasi ein Abrundung einer Ecke dieses jeweiligen Gebäudes ist. Die südliche “Ecke” ist sogar ein Teil einer Kirche (Chiesa di San Giuseppe deiPadri Teatini), von der die beiden Ecken rechts und links neben dem Eingang von der Via Vittorio Emanuele aus rundlich (nach innen) gebogen sind.
Die Entstehungsgeschichte dieses Platzes beruht auf einer Stadterweiterung nach Osten im 17. Jahrhundert – die Hauptstraße Cassaro (Via Vittorio Emanuele) sollte bis ans Wasser, dem heutigen Hafen (La Cala) nach Osten erweitert werden. 1608 ließ der spanische Vizekönig Maqueda im rechten Winkel dazu eine weitere große Straße die Via Nuova (heute Via Maqueda), bauen.
Diese beiden schnurgerade corsoartigen Hauptachsen teilen die Altstadt in vier Stadtteile : Albergheria, Seralcadio,La Loggia und Kalsa. Die Stadtteile tragen heute die Namen mandamenti Palazzo Reale, Monte di Pietà, Castellammare und Tribunali.
Der daraus entstandene achteckige Platz mit geschwungenen Fassaden wurde damals Piazza Vigliena genannt. An vier Ecken der Kreuzung wurde von einem florentiner Architekt je ein Palast errichtet.
Weihnachtliches Palermo 2008
Die vier konkav geschwungenen, von der Struktur her gleichen, aber bei näheren Betrachten leicht abweichenden Fassaden, sind nach oben hin dreigeteilt und mit Säulen und antiken Skulpturen geschmückt, die jeden Besucher erst einmal ins Staunen versetzen, da man so schnell gar nicht alle vier aufnehmen kann, sowohl im Kopf, als auch mit der Kamera nicht. In den Sockelnischen befindet sich je ein Brunnen.
Das beste ist, dass jede Eck-Fassade noch einen anderen Schutzpatron hat, sicher ist sicher. Genauso ist jede Ecke einem Herrscher und einer Jahreszeit gewidmet, was sich in den Skulpturen und den jeweiligen Wappen erkennen lässt.
Wein-Göttin oder Venus
Auch die Erotik kommt im südlichen Sizilien nicht zu kurz. An den Ecken stehen nämlich je zwei fantasievoll gestaltete Laternen mit je vier Lampen. Hier ließ es sich meine Kamera (trotz eher düsterem Wetter) nicht nehmen, eine der Damen zu fotografieren, die die Füße der Laternensäulen zieren.
… der Film
Um wieder in die Gegenwart des Jahres 2008 zurückzukehren, erschien in den Kinos genau einen Monat (Kinostart 20.11.2008) vor meinem Besuch in Palermo der Film “Palermo Shooting” von Wim Wenders mit Campino in der Hauptrolle (*sh. Anhang).
Er spielt den erfolgreichen Mode- Fotografen Finn, der sich auf die Suche nach dem Sinn des Lebens nach Palermo begibt, dort begegnet er der personifizierten Person des Todes, genau wie einer Italienerin, in die er sich verliebt. Er gewinnt in Traum-Sequenzen eine neue Perspektive fürs Leben und schwebt zwischen Erinnerung und Gegenwart hin und her.
Ein Zitat habe ich mir aus dem Film gemerkt :
“Man merkt, dass man tot ist daran, dass man nicht mehr träumt”
*Anhang : In jenem Jahr (2008) sah es beruflich bei mir nicht gut aus und nachdem ich den Film zum zweiten Mal in einem traditionellen Kino in Essen gesehen hatte, kam folgender Eintrag in mein Tagebuch vom 26. November 2008 :
“…die Sehnsucht nach Italien wächst, weg von der ganzen Scheiße hier!”
Es zeigt, dass der Film mich doch berührt haben muss und, dass es zu dem Zeitpunkt nicht gerade gut bei mir ausgesehen haben muss.
“Wie man sich das Leben ein bisschen erleichtern kann”
Viele Probleme gibt es als solches gar nicht, sie werden gemacht. Und von wem werden sie gemacht ? Vom Probleme Mensch.
“Viele Sachen werden zur Erleichterung erfunden und werden zur Erschwerung” (Schopenhauer).
Man sieht hier, welchen zeitlosen Wert Schopenhauers Schriften haben, obwohl es damals viele Dinge noch gar nicht gab, erkannte Schopenhauer sie schon und seine Erkenntnisse haben bis heute Gültigkeit.
Man denke nur an das leidige Thema Geld. Wer kennt das nicht ? Geld ist ja eigentlich erfunden worden zur Erleichterung, kann aber schnell zum Problem werden, und zwar zu einem immensen Problem, vor allem, wenn man es braucht (das Geld). Geld ist nur solange gut, wie man es nicht braucht.
Thema Cannabis
Ein weiteres leidiges Thema ist die Heilpflanze Cannabis. Von Grund auf ist es ja eine Heilpflanze, die zu unzähligen Dingen für den Menschen gut, förderlich und heilsam ist – wenn natürlich der sogenannte THC-Anteil hoch ist, kann es schnell zur Sucht werden. Aber was kann nicht zur Sucht werden ?
Auf der Lieblingsinsel der Deutschen, Mallorca, gibt es sogenannte “Social Clubs”, wie ich unlängst las. Diese liegen alle leicht außerhalb der Orte. Eine Art Hazienda für Kiffer – warum nicht ? Wenn man Mitglied ist, kann man in deren Räumlichkeiten legal kiffen oder besser gesagt Cannabis genießen.
Eigenanbau ist in Spanien erlaubt (soweit ich weiß), und was man hinter seinen eigenen vier Wänden macht, geht keinen etwas an. Es soll ja nur den eigenen Bedarf abdecken. In Deutschland wäre dies wie so vieles undenkbar, man denke ja nur an die endlosen Streitereien um die neue E‑Cigarette.
Allerdings kann man mittlerweile schon in deutschen (!) Apotheken Cannabis-Produkte zur Schmerzlinderung kaufen, was zeigt, dass alles doch in die Richtung Legalisierung geht, was ja auch gut ist.
Was gängige Meinung ist und was gleichgeschaltete Mainstream-Medien in Deutschland über gewisse Themen zu verbreiten versuchen, ist mir so oder so egal…
Tee-Genuss…
Meine Leidenschaft ist der Tee-Genuss. Ich zelebriere Abend für Abend eine Art “Tee-Zeremoniell” mit einer Kanne guten, richtigen Tee (keinen Beutel-Tee), und zwar mit meinem kompletten Winterling-Teeservice (auf dem Foto ist nur ein Teil davon zu sehen).
Abendliches Tee-Zeremoniell
Wie man dem Foto entnehmen kann, brennt auf dem flachliegenden Tisch eine Kerze, ein gutes Buch liegt zum Lesen unter dem Tisch bereit, der Raum wird in eine sanfte Beleuchtung gelegt und wenn dann bei der hervorragenden Akustik meiner ELAC-Boxen die Klänge von Wagners zaubervollen Werken erklingt, dann ist (fast) alles perfekt. Da fehlt nur eins, und das ist der Cannabis-Tee…
Djemaa el-Fna – Marrakesch
Aus dem fernen Marrakesch brachte ich mir vor einigen Jahren den Tee “Marokkanische Minze” mit, diesen kann man auch in heimischen Gefilden erstehen, aber nicht den, den man in Marokko bekommt. Die Wirkung dieses Tees hielt nach dem abendlichen “Tee-Zeremoniell” bis zum Abend des folgenden Tages an, was zeigt, dass es etwas anderes ist, diesen Tee im Ursprungsland zu erstehen, als bei einem Tee-Händler in Dortmund oder Essen zu kaufen.
Genauso ist es mit dem Cannabis-Tee.
Bei meinem ersten Sevilla-Aufenthalt 2014 hatte ich mir versuchsweise aus der Altstadt von Sevilla (Santa Cruz) aus einer Art “Reformhaus” Rooibusch-Cannabistee mitgebracht und dieser wirkte damals enorm. Bei meinem diesjährigen Aufenthalt in Santa Cruz stürmte ich sofort suchend nach dem Reformhaus, was auf der Straße den Tee anbietet.
…direkt auf der Straße
Wer einmal in Sevilla (Santa Cruz) war, der weiß, dass man hier schnell die Orientierung verlieren kann. Somit fand ich erst am zweiten Tag das “Reformhaus”, was ca. 50 Sorten Tee anbot. Diesmal schlug ich zu und nahm mir gleich ein halbes Kilo mit (Kilopreis : 50,00 €).
Rooibusch-Tee Cannabis
Als ich nach 5 Tagen wieder leicht erschöpft in meinen 4 Wänden war, probierte ich natürlich als erstes meinen ergatterten Tee aus. Ich wurde weder high noch stoned, aber als ich nach ca. 3 Stunden mein Bett aufsuchte, und am nächsten Morgen aufwachte, hatte ich ca. 12 Stunden geschlafen. Ob dies an dem Tee oder an den Anstrengungen der Reise lag, ist fragwürdig. Nur am zweiten Abend schlief ich nach wiederholtem Genuss des Tees wiederum bestimmt 10 Stunden.
…lang ist es her
In frühen Jahren meiner Jazz-Begeisterung weilte ich oft in einem der besten Jazz-Clubs der Region in Dortmund. Dort wurde auch häufig (im Vorraum) Cannabis gepafft. Es ist ein lasziv-süßlicher Geruch, der mir in Erinnerung geblieben ist.
Wenn man nur die Nase in den andalusischen Tee steckt, riecht er auch leicht danach. Obwohl Rooibusch-Tee ja meistens leicht süßlich riecht. Ob das Süßliche nun von der Rooibos-Pflanze stammt, oder der Cannabis-Mischung, ist schwer zu sagen.
…facebook oder nicht
Auf facebook schreibt man, dass der Tee keinen THC-Anteil hätte. Meines Erachtens wird dies nur geschrieben, um das Suchtmittel-Gesetz zu umgehen. Wie streng oder nicht streng dies in Spanien ist, ist mir nicht bekannt.
Nun ist zu sagen, dass es kein reiner Cannabis-Tee ist, sondern eine Mischung. Nämlich eine Art Kräutermischung der Rooibusch-Pflanze, die früher nur in süd-afrikanischen Gebieten vorkam.
Rooibos-Strauch
Rooibusch hat neben der Eindeutschung viele Namen bekommen : Afrikanns Rotbusch, Redbush, Rooibos, Koopmans-Tea (Kaufmanns-Tee). Eine Art ginsterartiges Gewächs der Schmetterlingsblütler, der in frühen Jahren wild im sandigen Boden Südafrikas wuchs. Als man die Vermarktung (und ein Geschäft) witterte, baute man ihn gezielt an. Der weiche und aromatische Geschmack entsteht aber (angeblich) am besten bei Rooibos-Tee aus den genannten Regionen, was durch das Klima und den Boden bedingt ist. Schon um 1770 berichteten mutige Reisende, dass die Ur-Einwohner regelmäßig diesen rötlichen Tee tranken, allerdings verbreitete sich dieses wohlschmeckende und gesunde Getränk erst im 20. Jahrhundert.
Ein anderer facebook-Leser schrieb auf meinen Kommentar hin, dass in besagtem Reformhaus, welches dreimal in Sevilla vertreten ist, es noch eine andere Mischung eines Cannabis-Tees geben würde (“…try a more rational mix next time, e.g. passiflora/cannabis, and you’ll sleep even longer!”), durch dessen Genuss man noch länger schlafen könnte (?).
Ich hatte allerdings nur diesen ROOIBOSCANABIS (man schrieb es dort mit einem N) entdeckt, einen anderen nicht, sonst hätte ich sicher diesen auch einmal getestet.
Aber mal ganz ehrlich, was soll ich mit Tee, wo ich noch länger schlafe. 10 bis 12 Stunden sind ja nun genug, ich muss ja schließlich auch noch arbeiten, um mein Geld für einen Sevilla-Aufenthalt zu verdienen…
Zu sogenannte Regeln, Gesetze, die ja immer der Machthaber festlegt, kann man nur wieder Nietzsche zitieren :
“Der Mensch ist etwas, was überwunden werden muss!”
Immer wieder passiert es einem reisenden Menschen in gewissen Städten an Häusern sogenannte “Erinnerungstafeln” zu erblicken. Natürlich nur, wenn man ein Auge dafür hat… Dieses bedeutet, dass in diesem Haus einmal vor langer Zeit eine bekannte Persönlichkeit gewohnt oder gewirkt haben muss.
Oftmals wird auch der Name einer “Berühmtheit” aus kommerziellen Gründen benutzt, um z.B. ein Hotel herauszuheben aus der Menge aller anderer Hotels in der jeweiligen Stadt. Denn in diesem Hotel, weilte ja einmal in grauer Vorzeit diese berühmte Person und nicht in einem anderen…
“Ruskins House” – Venedig 1850/2019
Bei meinem 5. Venedig-Aufenthalt im Juli weilte ich auch in so einem Hotel. Welches ist eigentlich egal – aber hier hatte um 1850 der britische Schriftsteller John Ruskin geweilt und vor allem, gewirkt. Auch ein Venedig-Begeisterter (wer ist das nicht?), der sich aber auch Gedanken um den Erhalt der Stadt im steigenden Meer machte. Er verfasste nach seinen Eindrücken ein mehrteiliges sehr umfangreiches Werk (“The stones of venice”). Dieses ist meines Wissens (fast) nur auf Englisch erschienen, eine Ausnahme bildet eine 3 bändige Taschenbuchausgabe von 1994 (Harenberg-Verlag), die man in Deutsch genießen kann.
Inwieweit Ruskin nun wirklich in diesem Hotel weilte und vor allem, wie lange, bleibt dahingestellt. Hierbei geht es natürlich nur darum, das Hotel durch den Namen des eher unbekannten Autors (ich kannte ihn bis zu dem Zeitpunkt auch nicht) herauszuheben…warum nicht ?
Modiglianis Haus (Venedig 2019)
Nicht weit entfernt im südlichen Stadtteil Venedigs Dorsoduro traf ich in einer Seitengasse der Zattere auf eine weitere “Berühmtheit” und ein Mensch mit einer kulturellen Bildung wie ich, erkannte diese Person sogar an seiner Handschrift. Und zwar ist dies der italienische Maler Amedeo Modigliani, der aus der Toskana stammt. Aus früheren Jahren meiner intensiveren künstlerischen Aktivitäten hatte ich allerdings Modiglianis Werke nicht unbedingt als bewundernswert in Erinnerung. Wie man erfahren kann, hatte er ein eher trauriges Leben mit Krankheiten, Drogen und frühem Tod. Auch bitterarm soll er gewesen sein, aber dann ein Haus in Venedig (?), widerspricht sich aber gewaltig. Dass er hier in Venedig ein Haus hatte, war mir neu und ich erfuhr es auch erst durch Recherchen nach meiner Rückkehr aus Venedig.
…auch Peter Tschaikowski war hier (Florenz 2014)
Nun hat eine weitere Stadt, die auch in der Toskana liegt, einiges an großen Geistern angezogen. Im südlichen Stadtteil Santo Spirito von Florenz trifft man auch auf einige Tafeln mit den Namen berühmter Persönlichkeiten, bekanntere oder auch unbekanntere. Wie man dem obigen Foto entnehmen kann, weilte in diesem Haus der russische Komponist Pjotr Iljitsch Tschaikowski (Pëtr Il’ič Čajkovskij).
…eher unbekannt (Florenz 2014)
Genau wie der aus Florenz stammende Bildhauer Pasquale Romanelli, der ja eher unbekannt ist (auch mir), hier Tage seines Daseins verbracht haben muss.
Ein weiterer Name ließ wieder im sommerlich warmen Florenz des Jahres 2014 mein Gedächtnis arbeiten, nämlich Louis Aragon. Ich brauchte schon eine kurze Zeit, bis mir einfiel, dass dies ein surrealistischer Schriftsteller aus Frankreich war/ist, der hier im Süden sicher mehr Ruhe fand für seine Arbeit, als im lauten Paris.
…der heiße Hauch des Südens
Im zweiten September-Teil diesen Jahres zeigte sich mir das südlich Sevilla eher mit bedeckter Wolkendecke.
Sevilla ist ja nicht nur die Stadt der Opern und des Flamencos, sondern auch die Stadt einer ausgedehnten Keramik-Kunst.
Die Stadt des Keramik
Man kommt an kaum einem Haus vorbei, an dem nicht irgendetwas (egal was) mit Keramik verziert ist. Straßenschilder, Türklinken, Hausnummern, Handläufe von Treppen, Arztschilder, Hausklingeln mit Namensschild, Eingangstüren, Fensterrahmungen, und somit auch “Erinnerungs-Schilder” an Personen, die einen Bezug zu dieser jeweiligen Wohnstätte haben.
…sogar gerundet für Säulen
Ob rund, gerade, eckig, um die Ecke, von unten nach oben, von oben nach unten … egal, man hat das Gefühl, dass man versucht diese Kunst überall zu präsentieren.
…Erinnerungen an Marokko
Der marokkanische Einzugsbereich erstreckte sich in früheren Jahren (soweit ich weiß) ja bis hoch in spanische Gefilde. Die marokkanischen Mosaikkunst Zellig lässt ja jeden Marokko-Besucher vor Staunen stumm werden, da er nicht nur handwerkliches Geschick aufweist, sondern auch viel Fantasie.
Marokkanisch-orientalischer Touch
Somit ist es natürlich denkbar, dass diese Mosaikkunst hier in der Torero-Stadt aus dem afrikanischen Marokko stammt und dort seine Wurzeln hat.
Schuster bleib bei deinen Leisten
Um nun zum Ausgangsthema zurückzukehren, gibt es auch hier in Sevilla eine große Anzahl dieser “Erinnerungstafeln” an den Häuserwänden, die von der Aufmachung gleich aussehen, alle rechteckig mit denselben Maßen und in blauer Schrift auf weißem Hintergrund.
“…hier lebte Armado Gutierrez”
Man hat hierbei sogar noch ein bisschen mehr Fantasie aufgebracht, als bei anderen Tafeln. Denn man gibt dieser rechteckigen Tafel erst einmal einen schönen Rahmen, der sogar oft herausgearbeitet ist. Des Weiteren erscheint die besagte Person links oben in der Ecke der Tafel mit einem Bild, sogar oftmals bei der Arbeit oder in seiner Berufskleidung.
Torero Antonio Montes
Man erkennt also auf einen Blick, ob es sich um eine Privatperson handelt oder einen Gewerbetreibenden.
…in ehelicher Verbundenheit
Manchmal erscheint sogar ein Ehepaar – wenn schon immer Zank und Streit war, dann soll man für die Nachwelt wenigstens hier friedlich vereint erscheinen.
Der künstlerische Effekt wird noch gesteigert, indem man das Bild der Person durch Kränze und Rahmungen heraushebt, Ehre wem Ehre gebührt, ob es stimmt oder nicht.
…ein strahlendes Gesicht
Die oben zu sehende Dame zeigt ja mit ihrem strahlenden Lächeln eine gewisse mütterliche Ausdruckskraft. Dieses wird durch einen Rahmen um ihr Gesicht noch hervorgehoben. Wenn man bei dieser Tafel in die untere Zeile schaut, erkennt man links das Wort “TUS Vecinos” – ob es sich hierbei um einen Fußballverein handelt, ist fraglich (?)
Auch die Wahl der Schriftart weicht von Tafel zu Tafel ab, es ist also jede Tafel einzigartig, auch wenn sie auf den ersten Blick gleich erscheinen. Jeder Mensch ist ja auch einzigartig, dadurch muss ja auch jede Tafel anders sein.
…alles in Versalien
Dem Gesicht dieser strahlenden Dame ist der ganze linke Teil der Tafel gewidmet, der Text beschränkt sich nur auf den rechten Teil. Hierbei ist der ganze Text in Versalien (Großbuchstaben) geschrieben, was einen Schriftsetzer wie mich eher abschreckt, da man Fließtext niemals in reinen Großbuchstaben setzen sollte, höchstens Überschriften, oder herausgehobene einzelne Worte. Dies ist allerdings “Fach-Latein”.
…das südliche Triana
Wenn man genau hingesehen hat, konnte man feststellen, dass auf vielen dieser Platten als Fußzeile vor dem Datum das Wort TRIANA erscheint. Dieses ist ein südlich vom Kanal (Canal de Alfonso XIII.) gelegener Stadtteil, der für mich, auch bei einem früheren Besuch dieser Metropole, einen ruhigeren Eindruck machte. Nicht so viel Verkehr, kleinere Geschäfte, schöne Gassen…und eben sehr viele dieser Gedenktafeln.
Das ruhige Triana
Wie man der Fahne entnehmen kann, scheint hier das Wasser nicht weit entfernt zu sein, was auch stimmt, die Anzahl der Fisch-Restaurant ist auch auffallend hoch. Die erste Häuserzeile am Kanal genießt sicher einen schönen Ausblick, nicht nur auf den Kanal, sondern auch auf das oberhalb liegende Santa Cruz.
Tanzmeister Manolo Marin
Der Herr auf der oben zu sehenden Tafel scheint die Kunst des Flamenco-Tanzes gut beherrscht zu haben, denn er wird hier als “maestro de baile” direkt unter seinem Namen tituliert. Wenn man nachsieht, bedeutet dies soviel wie “Tanzlehrer, Ballettmeister etc. “ Dass er die Musik im Blut hat, zeigt schon die Körperhaltung auf dem Bild. Das Bild braucht gar keine Rahmung, da seine Gestikulation eine Rahmung unnötig macht.
Mutterherzen
Auch die Mütter bekannter Persönlichkeiten kommen nicht zu kurz. Die oben zu sehende, etwas schlichter gestaltete Tafel, ist nämlich nicht dem eigentlichen “Helden” gewidmet, sondern dessen Mutter (!), wie man sehen kann, handelt es sich hier um die Mutter des Poeten (“madrede los poetas”) Manuel Y Antonio Machado.
Und somit zeigen sich dem Besucher der Stadt nicht nur bekannte Persönlichkeiten, sondern auch normale Handwerker, Toreros, Poeten und stadtbekannte Personen oder sogar deren Mütter (!).
Abschließend sei zu sagen, dass man diese fantasievolle Keramik-Kunst also nicht nur als “Eye-Catcher” (wie man heute sagen würde) zum Anlocken von Besuchern und Kunden benutzt, sondern auch eher unkommerziell benutzen kann.
Als Werbung für meinen Blog würde dies an meinem Hotel in Sevilla sich auch gut machen.
…in Memoriam herrrothwandertwieder
“Wenn alle Toten auferstehen, dann werde ich in Nichts vergehen!” (“Fliegender Holländer”, 1. Act)
Der Palazzo Contarini del Bovolo gilt als historische Sehenswürdigkeit und ist ein gotische Palast im Stadtteil San Marco leicht unterhalb des Campo Manin in Venedig.
Schneckenform
Das Besondere an diesem leicht versteckt liegenden Palast ist eine Wendeltreppe (Scala Contarini del Bovolo), die alle Stockwerke erschließt und die so erscheint, als sei sie davor gebaut oder an einer Ecke des eher schmalen Gebäudes gesetzt worden. Und wegen dieser Wendeltreppe ist er auch berühmt geworden und in die Kunstgeschichte eingegangen.
Nur die Treppe machts…
Laut Literatur soll der Palazzo, außer der touristisch genutzten Treppe, insgesamt in keinem guten Zustand sein.
Der Palast als solches ist ein Gebäude des ausgehenden 15. Jahrhunderts der Familie Contarini. In einem kleinen “Vorgarten” hat man als Ausstellungs-Relikte einige Reste von Brunnenfassungen (“vere di pozzo”) ausgestellt, eine davon trägt auch das Wappen der Contarini.
Der mit einem Gitterzaun umgebene Vorhof soll eben etwas mehr Historisches für den Besucher darstellen, da sind ja alte Relikte immer nützlich, auch schon, um den Blick des Besucher anzulocken. Ein weiterer kleiner Innenhof ist von dieser Seite nicht einblickbar.
Zur Historie seien einige Fakten zu nennen : Im Jahr 1499 hatte der damalige Hausherr (Pietro Contarini) die Idee diesen eher mager aussehenden Innenhof mit einem wendelförmigen Anbau in Form einer aufsteigenden Treppe zu verschönern. Für damalige Zeiten eine eher ungewöhnliche Idee, die es auch zu dem Zeitpunkt in Venedig noch nicht gegeben hatte und als völlig neuartig anzusehen war. Der Baumeister war ein gewisser Giovanni Candi (nach anderen Quellen Giorgio Spavento) zeigte sein Können hier eine Wendeltreppe im Stil der Renaissance errichten zu lassen, die eine eher ungewöhnliche Form haben sollte. Es sollten eine Serie von Loggien sein, die sich ansteigend durch Rundbögen öffnen. Eine aufwändige Idee, aber große Werke in der Menschengeschichte waren ja immer nicht ganz so einfach. Die Treppe endet in einer Art Kuppelraum, der einen hervorragenden Blick über ganz Venedig (was ich allerdings als etwas übertrieben ansehe) bietet.
Blick ist im Preis enthalten
Im 19. Jahrhundert diente der Palast eine Zeit lang als Hotel und beherbergt ein pädagogisches Institut.
Der Palazzo mit “Schneckenhaus”-Treppe (Bovolo - ital. Schneckenhaus) ist nicht ganz einfach zu finden (aber was ist in Venedig einfach zu finden?). Als Haupt-Orientierungspunkt ist der nach Pomnik Daniele Manin benannten Platz Campo Manin leicht oberhalb ratsam.
Man muss sich am besten immer spontan durch die Gassen treiben lassen und hat dann oft mehr Erfolg etwas zu finden, als wenn man konzentriert etwas sucht.
Bei meinen Venedig-Aufenthalten ist dies immer meine Devise gewesen, und somit habe ich auch das meiste gefunden ohne es zu suchen. Denn Venedig ist ja als solches eher für den Wasserweg in damaliger Zeit errichtet worden und nicht für Fußgänger, dadurch hat man es per pedes immer schwieriger, als mit einem Boot.
So auch in der zweiten Juli-Woche diesen Jahres (2019), als ich durch eine kleine Seitengasse der Calle Locande auf die Wendeltreppe aufmerksam wurde. Ein richtiger Aha-Effekt, denn der Palazzo ist ja eher unscheinbar, bzw. fällt hier, wo ja alles voll ist mit Palazzos, weniger auf. Vielleicht war dies ja auch ein Grund des damaligen Hausherren eine derartig ungewöhnliche Wendeltreppe anbauen zu lassen, also seinen Palast etwas mehr herauszuheben aus der Masse aller anderen.
Man entrichtet den Eintritt ja hauptsächlich, um durch die Schranke gehend diese schneckenartige Wendeltreppe zu erklimmen, schon alleine des Ausblicks wegen.
Ausblicke
Allerdings ist auch eine kleine Kunstausstellung im Sala del Tintoretto im Eintrittspreis enthalten.
Zum Zeitpunkt meines 5. Venedig-Besuches lief ja die 58. Biennale di Venezia, die vom 11. Mai 2019 bis zum 24. Nov. 2019 die Stadt mit eher modernerer Kunst-Installationen bereichert und viele Kirchen und Palazzos für den Besucher zur Betrachtung der Werke öffnet.
So auch der Palazzo Contarini del Bovolo, bzw. dessen Wendeltreppe.
Ich staunte nicht schlecht… Denn bei der Erklimmung der Wendeltreppe fielen sofort farbig transparente Folien ins Auge, die vor die rundbogenartigen Fenster gespannt waren.
Trasformata in un faro multicolore
Tja, da ist man überrascht, denn hier hat (wie ich später erfuhr) eine Künstlerin ihre Hand angelegt, nämlich die aus Armenien stammende Narine Arakelian leistete mit dieser fantasievollen Installation den Beitrag zur diesjährigen Biennale für das Land Armenien.
Pharos Flower
Die armenische Schöpferin nannte ihre Installation “Pharos Flowers”. Wenn man jetzt etwas Gesamtbildung hat, dann weiß man, dass bei der Insel Pharos vor Alexandria in der Antike der größte Leuchtturm der damaligen Zeit stand und dieser gehörte zu den 7 Weltwundern, nämlich der “Leuchtturm von Alexandria”.
Roter Aufstieg
Ohne tiefer in die Interpretation dieses Werkes einzudringen und die Schaffensgründe der Schöpferin zu ergründen, ist natürlich die Idee diese aufsteigende Wendeltreppe in einen Leuchtturm zu verwandeln, schon wirklich erlebenswert, bei Tag und bei Nacht. Warum jetzt “Flower”, kann ich nicht definieren.
Lila Ausblick
Wenn man mit kreativer Ader und mit Goethes Farbenlehre im Kopf, mit der Kamera direkt durch die transparente Folie fotografiert, ergeben sich von bekannten venezianischen Motiven doch fantasievollen Bilder, die an Farb-Filter für die Kameralinse erinnern.
….mal in Rot….
…mal in Gelb…
…mal in Blau…
…mal in Lila…
…mal in Grün.
Hierbei fusionieren sich ja drei Ebenen. Erst einmal die gotische Wendeltreppe und der gotische Palazzo aus dem 14. Jahrhundert, dann die Idee der Verwandlung dieser Wendeltreppe in einen Leuchtturm durch die armenische Künstlerin, und dann die eigenen Interpretationen, die man sich selbst hineindenkt.
Abschließend sei hier aus Nietzsches “Unzeitgemäßen Betrachtungen“ zitiert :
“Damit ein Ereignis Größe habe, muss zweierlei zusammenkommen : der große Sinn derer, die es vollbringen,und der große Sinn deren, die es erleben”
Doch hier in Venedig waren es sogar drei : …der Schöpfer der Scala Contarini del Bovolo, die armenische Künstlerin und derjenige, der durch die einfarbige Folie hindurch fotografiert.
Was lernen wir daraus ?
“Große Werke entstehen immer erst im Kopfe des Betrachters”
Palazzo Contarini del Bovolo Corte Contarina, del Bovolo, 4303, 30124 Venezia VE, SM täglich : Mo.–So.: 10–18 Uhr Letzter Einlass 30 Minuten vor Schließung Geschlossen : 1 Januar, 15 August, 1 November, 25 und 26 Dezember
Bei der Phantasie von manchen Künstlern und Schöpfern kommt man bei der Rezeption ihrer Werke oft schon ins Staunen, egal ob es nun Maler, Schriftsteller oder Komponisten sind.
Aber einer hat bei dem “In-Szene-stellen” seiner Ideenquellen viele und vieles in den Schatten gestellt, viele ins Staunen versetzt und sogar (Musik-)Wissenschaftler oftmals Kopfzerbrechen bereitet, und zwar wie öfter schon besprochen, Richard Wagner.
Fast zu jedem Werk hat Wagner etwas erfunden oder hinzugedichtet, was man eine sogenannte “Inspirations-Legende” nennt. Was ist dies ?
Der Schöpfer (in diesem Fall Wagner) nimmt sich prägnante Teile oder Passagen aus einem seiner Werke, die schon viele begeisterte Hörer und Verehrer ins Staunen versetzt haben, und gibt einen Grund vor, wie und wo diese entstanden seien. Jeder Rezipient, vor allem von Wagners Werk, fragt sich, wo so ein genialer Schöpfer alle diese Ideen her hatte oder/und was hat ihn zu so einer Ausdruckskraft hingeführt und angeregt (?)
Und da kann natürlich nur einer eine Antwort geben, nämlich der Schöpfer des Werkes selbst. Und hier war Wagner schon ein geschickter (und oft auch dreister) Fälscher und Selbst-Inszenator.
Dieses alles hat den Grund, die Genialität des Werkes noch stärker in Scenen zu stellen und aufzupuschen (wie man heute sagen würde). Es wird das “Objekt” suggestiv mit etwas anderem verknüpft, sodass die Frage, wo er die Idee her hatte, beantwortet wird, und das von Künstler selbst. Nur, dass es in den meisten Fällen bei Wagners Inspirationslegenden nicht stimmt, also gelogen oder zeitlich versetzt worden ist. Oft handelt es sich bei Wagner um sogenannte “zeitversetzte Überraschungs-Semantik”. Was ist das ?
Wagner muss ja irgendwann und irgendwo die Idee oder Inspiration gehabt haben, sonst würde es die jeweilige Passage ja gar nicht geben. Nun versetzt Wagner einfach den Zeitpunkt der “Eingebung” auf einen anderen Zeitpunkt, als sie wirklich war. Und dem nicht genug – Wagner erkennt geschickt die Sensations-Geilheit seines wissenden Publikums und baut eine plötzlich auftretende Überraschung ein (“…in dem Moment hatte ich die Idee!”). Diese “Plötzlichkeits-Semantik” hat auch einen Grund und eine Bedeutung. Wagner will seine Ideen in eine schon fast göttliche Eingebung erhöhen, um das Publikum noch stärker ins Staunen zu versetzen, als es schon ist.
Im Falle von Wagner Inspirationslegenden sei allerdings gesagt, dass er vieles aus dem Grund erfunden hat, um seinen Haupt-Sponsor Ludwig II. von Bayern zu verzaubern, damit dieser ihn auch weiterhin (finanziell) unterstützt – ganz schön dreist. Auf Befehl Ludwigs sollte Wagner seine Autobiografie “Mein Leben” schreiben, was er dann auch tat, bzw. nicht tat, denn er diktierte sie seiner zweiten Frau Cosima.
“Mein Leben”
Beim Abfassen dieses umfangreichen Buches in 2 Bände musste er natürlich bei der Version bleiben, die er dem König (per Brief) vormals auf die Nase zu binden versucht hatte, sonst wäre es ja aufgefallen, dass er gelogen hatte, bzw. es erfunden hatte.
Hier nun eine kleine Auflistung von einigen Wagnerschen “Inspirationslegenden”:
*Die Karfreitags-Legende (Parsifal) – 1857 *Die Vision von La Spezia (Rheingold-Legende) – 1853 *Die Erleuchtung von Biebrich (Meistersinger-Vorspiel) – 1862 *Die Klageweise Tristans (Tristan u. Isolde) – 1858 *Das Assunta-Erlebnis (Meistersinger) – 1861
Die Jahreszahlen beziehen sich auf den Entstehungszeitpunkt der Inspirationslegende mit dem in Klammern dahinterstehenden Werknamen, für den die Legende erfunden worden ist.
Um die es jetzt gehen soll, spielt in einer “Stadt”, die schon viele in Ihren Bann gerissen hat, nicht nur Wagner, nämlich VENEDIG.
Und hierbei geht es um das …
Assunta-Erlebnis von Venedig aus dem Jahre 1861
Ich erlaube mir hier, den Schöpfer in seiner Auto-Biografie selber zu Wort kommen zu lassen :
“Bei aller Teilnahmslosigkeit meinerseits muss ich jedoch bekennen, daß Tizians Himmelfahrt der Maria im großes Dogensaale eine Wirkung von erhabenster Art auf mich ausübte, so daß ich seit dieser Empfängnis in mir meine alte Kraft fast wie urplötzlich wieder belebt fühlte.” “Ich beschloß die Ausführung der Meistersinger.”
Soweit der Schöpfer selbst.
“Santa Maria Gloriosa dei Frari” – Tiziano Vecellio, 1516–1518
Hierzu sind einige Erläuterungen nötig. Richard Wagner war nie ein Freund der italienischen Malerei und hatte hiervon auch nur wenig Ahnung – für ihn gab es eigentlich nur ein Kunstwerk, und dies war und ist das seinige. Die Hintergrund-Geschichte ist die, dass die befreundete Familie Wesendonk, die immer nach großen Werken strebte, Wagner schon fast genötigt haben muss, einmal mitzugehen, was ihn eigentlich gar nicht interessiert (“…bei aller Teilnahmslosigkeit meinerseits…”). Er ging mürrisch mit. Bei der Abfassung der Auto-Biografie setzt er den Ort des Geschehens in den Dogenpalast, wo das Bild angeblich gehangen haben soll. Das ist der erste Fehler, denn das Bild hing zu diesem Zeitpunkt (1861) nicht im Dogenpalast, sondern in der Gallerie dell’Accademia in Dorsoduro an der Accademia-Brücke. Später revidiert er diesen Fehler mit dem Argument, dass er sich vertan hätte – na ja, Irren ist menschlich und das kann ja auch Wagner passieren.
Wagner hatte kurz vorher seinen Verleger (Schott) wie immer um Geld gebeten, um seine Arbeit an den “Meistersinger von Nürnberg” fortsetzen zu können. Das heißt, dass das Thema “Meistersinger” brandaktuell war, somit bot sich eine gute Gelegenheit an, das ganze Projekt durch eine innere Eingebung in ein helleres und glaubhafteres Licht zu stellen, quasi ein inszenierter kreativ auslösender Moment, der sich dann ja in Venedig anbot.
Jetzt haben sich natürlich unzählige Wagner-Forscher und Musikwissenschaftler vieler Jahre Gedanken gemacht, was Tizians grandioses Bild mit der “Meistersinger”-Komposition und ‑Konzeption zu tun haben könnten (?)
Hier einige Versuche der Erläuterung :
“… die erste und einzig wahre Liebe meines Lebens”
Wagners “Liebe” zu der jüngeren Frau des Schweizer Industriellen Otto Wesendonk war eher platonischen Charakters (oder Wunschdenken). Er bezeichnet Mathilde als die “einzig wahre Liebe seines Lebens” – sie wird als auslösender Faktor für die “Tristan”-Komposition bezeichnet und ihr ist der erste Act der “Walküre” gewidmet. Diese Person muss schon eine große Bedeutung gehabt haben, außerdem war sie wesentlich jünger als Wagner (was Musen so an sich haben) und hatte ein zart geschnittenes Gesicht, kurz gesagt, eine Schönheit wie in einem Märchen. Wenn man sich Tizians Gemälde einmal genauer ansieht, so könnten die Gesichtszüge auf Mathilde zu mindestens hinweisen (was allerdings als gewagte These schnell wieder vom Tisch ist).
“…bombastische Werke”
Wagners “Meistersinger” sind ja ein bombastischer Werk von fast 5 Stunden mit den meisten Statisten auf der Bühne und was zu Lebzeit des Schöpfers neben dem “Rienzi” das populärste war. Genauso wird man vor Tizians Assunta stehend schon stumm über die immensen Maße des Bildes (6,90 m x 3,60 m) und man fragt sich, wie in damaliger Zeit (1516) ein Künstler so ein Werk schaffen konnte (?) Hat also die Bombastizität des Gemäldes Wagner an die Bombastizität seines Werkes erinnert …?
“…die Ausführung der Meistersinger”
Außerdem heißt es ja “…die Ausführung der Meistersinger”. Wohlgemerkt “Ausführung” – nicht “Aufführung”. “Ausführung” bedeutet einen langlebigen Plan, vorbereitende Gespräche etc. in die Realität umsetzen, also zu Papier bringen, letztendlich festhalten oder festlegen. Solche vorbereitende Gespräche könnten natürlich auch mit Mathilde stattgefunden haben (was mir nicht bekannt ist). Es kann alles, vor allem bei einem Schöpfer mit so einer Phantasie wie Richard Wagner. “Aufführung” hieße, das bereits Geschaffene auf die Bühne zu bringen.
“…Aufenthalt in Marienbad”
Die nächste These ist folgende. Wagner weilte 1845 im Kurbad Marienbad in Böhmen, wo er den Plan der “Meistersinger” entworfen haben soll. Und der Name “Marienbad” blühte dann in Wagners Gedächtnis wieder auf, als er Tizians Maria in die Augen schaute (?) Eine nicht haltbare These, die nur auf der Namensgleichheit beruht.
Dies alles sind Vermutungen, die einiges Phantasievolles an sich haben, aber sie sind sehr allgemeiner Art und “Allgemeines” ist für so ein spezifisches Thema zu ungenau.
…heute in der Basilica dei Frari in S.Polo (2007)
Der Wahrheitsgehalt dieser “Tunnelforschung” lenkt sich eher zur Wahrheit, wenn man bedenkt, dass Wagner ein Meister der pathetischen Selbstinszenierung war. Das heißt, etwas (oder sich selbst) geschickt in Scene setzen oder etwas so lenken, dass es noch immenser aussieht, als es schon ist. Es bedarf schon etwas Überwindungskraft für einen nichtlügenden Menschen (wie mich) zu dem Ergebnis zu kommen, was immer verständlicher wird.
Denn die Ausführung der “Meistersinger” haben mit Tizians Assunta rein gar nichts zu tun !
Denn nach seiner Schilderung des Besuches des Dogensaales (falsch) lässt Wagner einen Absatz. Dann kommt wie in Stein gemeißelt :
“Ich beschloß die Ausführung der Meistersinger.”
Zu beachten ist der Absatz, der den Entschluss von der vorherigen Handlung abtrennt. Es ist hier die ungeheure Fähigkeit Wagners für theatralische Effekte zu berücksichtigen. Ganz schlicht und einfach ist es ein schriftstellerischer Coup eines Ergusses, nämlich den Anblick der Maria als Auslösendes für die Umsetzung, bzw. die Weiterschaffung des bereits angefangenen Werkes fortzusetzen.
Das “Ausführen” findet nämlich kurz danach bei der Rückfahrt Wagners von Venedig nach Wien statt. Wieder zitiere ich den Meister aus seiner Biographie :
“…verließ ich nach vier äußerlich wahrhaft trübseligen Tagen zur Verwunderung meiner Freunde plötzlich Venedig und trat, den Umwege zu Lande auf der Eisenbahnlinie folgend, meine lange graue Rückreise nach Wien an. Während der Fahrt gingen mir die “Meistersinger”, deren Dichtung ich nur noch nach meinem frühesten Konzepte im Sinne trug, zuerst musikalisch auf ; ich konzipierte sofort mit größter Deutlichkeit den Hauptteil der Ouvertüre in C‑Dur.”
Bei dieser “Ausführung” muss man sich als Eingeweihter schon manchmal ein Lachen unterdrücken. Dieser oben zu sehende Absatz aus “Mein Leben” (Seite 906) soll nämlich das bombastische Ergebnis des Tizian-Ergusses sein – als solches ein bisschen mager, so eine Eisenbahnfahrt als Endergebnis dieses schon dramatisch-liturgischen Erlebnisses in Venedig zu sehen. Aber irgendwann müssen solche Werke ja nun einmal im Kopfe des Schöpfers entstehen.
Wagner schreibt hier von der Konzeption der Ouvertüre, obwohl es gar keine Ouvertüre ist, sondern ein Vorspiel (!) – aber egal. Nur wenn man nach vorne sieht, soll ja dieses Vorspiel ein Jahr später (1862) in Biebrich am Rheinentstanden sein.
“An einem schönen Sonnenuntergange, welcher mich von dem Balkon meiner Wohnung aus dem prachtvollen Anblick des goldenen Mainz mit dem vor ihm dahinströmenden majestätischen Rhein in verklärter Beleuchtung betrachten ließ, trat auch plötzlich das Vorspiel zu meinen “Meistersingern”, wie ich es einst aus trüber Stimmung als fernes Luftbild vor mir gesehen hatte, nahe und deutlich wieder vor die Seele.”
Biebrich am Rhein
Also war nach dieser Beschreibung von 1862 der Erguss des Assunta-Erlebnisses hinfällig und wird in ein trübes Licht als fernes Luftbild gestellt. Also doch nicht so toll mit Tizian - da fragt man sich als genauer Leser, wo Wagner denn nun wirklich die Idee hatte, denn hier hebt eine Inspirationslegende die andere auf (“mit größter Deutlichkeit” – “aus trüber Stimmung”).
Nach dieser langen Ausführung von Vermutungen, Thesen, Spekulationen zeigt sich aber abschließend etwas ganz anderes.
…seit dieser Empfängnis
Das Ungeheuerliche ist nämlich der Passus “…seit dieser Empfängnis”. Empfängnisse gibt es in Wagners Werken als Erotiker der Weltüberwindung genug, da braucht man nur an die erotische Kraft des “Tannhäuser” zu denken. Erotisches Feeling hatte Wagner ja nun, was manchmal schon an Pornografie grenzt. Letztendlich ist folgende These am glaubhaftesten und logischsten, aber auch immer noch im Reich der Utopie. Denn durch den Begriff “Empfängnis” gibt Wagners abgründige Identifikation mit der Gottesmutter zu erkennen. Nur das ihm (Wagner) nun vermittelt über die Kunst die Empfängnis göttlicher Kraft zuteil kommt, und nur sein Werk es sein wird, was künftig eine Erlösung darstellen wird. Das “Empfängnis” ist quasi die Einsetzung des Musikdramatikers als des neuen Mittlers zwischen der zu überwindenden Welt und dem Absoluten.
Wenn man jetzt noch etwas weiter schaut, so halten Briefe und Cosimas Tagebücher fest, dass Wagner bei dem Besuch italienischer Museen auch in Venedig mit der kunstinteressierten Frau immer mürrisch draußen blieb oder fehlte. Und als er 1880 diesmal von Cosima überredet, wirklich in der Accademia vor dem Gemälde steht, soll er laut Literatur eher kritisch und abweisend sich geäußert haben, so als ob ihn das Bild von seiner Aussagekraft gar nicht interessieren würde. Das widerspricht sich aber nun extrem mit der Version des Assunta-Erlebnisses von 1861 (“…eine Wirkung von erhabenster Art”).
Hieran sieht man, dass Wagner das eigentliche Ding an sich, in diesem Fall das Assunta-Gemälde, nur benutzt (man kann schon sagen missbraucht), um einzig und alleine seine Kunst in den Mittelpunkt zu stellen, denn sein Werk stellt alle anderen (egal von wem) in den Schatten.
Wieder in der Gegenwart stehend, schlug ich 158 Jahre später, bei meinem 5. Venedig-Aufenthalt in der zweiten Juli-Woche diesen Jahres (2019) meinen Weg ein durch das Gewirr der Gassen und Kanäle von San Polo oberhalb von meinem Sitz an der Zattere von Dorsoduro.
Campo S. Toma (Sestiere S. Polo)
Denn das Gemälde Tizians hängt heute in der Basilica dei Frari, wo sich auch Tizians Grab befindet. Geduld muss man in Venedig schon mitbringen. Nur hatte ich bei den Aufenthalten in den Jahren 2007 und 2013 vor der Assunta stehend, nicht die Möglichkeit das Gemälde zu fotografieren. In die Kirche hineindrängend, stürmte ich sofort in Richtung Assunta. Mein Gang wurde immer langsamer, je näher ich dem Gemälde kam. Denn vor der Absperrung ist ein Schild zu lesen, dass das imposante Werk zur Zeit von einer amerikanischen Fachfirma restauriert würde… Wenn man aber seinen Blick hochrichtet, sah man es, allerdings hypergenau auf ein Laken gedruckt, als Überbrückung des Zeitraums der Restaurierung. Wenn ich das Schild nicht gelesen hätte, hätte ich es gar nicht gemerkt, dass die wahre Assunta durch dieses Laken bedeckt war, damit man sie restaurieren konnte. Tja, dachte ich, so wäre auch wahrscheinlich Wagner dieses “Empfängnis” nicht geglückt.
Die südliche Fondamenta Venedigs, die “Zattere” in Dorsoduro kann man schon als die schönste Fondamenta Venedigs bezeichnen. Sie führt am sogenannten “harten Rücken” (Dorsoduro) im Westen bis nach Osten auf die Spitze zur Santa Maria della Salute, wo der Canale Grande hineinfließt und dort auch am breitesten ist. Ich sage immer, dass die Zattere die Liebes- und Todesmeile ist, gut für Phase 1 einer Liebe und gut für ein Ausscheiden aus dem Leben. Ich wählte für meinen 5. Aufenthalt in Venedig ein Hotel direkt an der Zattere, dessen Lage man schon als inkommensurabel (lat. unübertreffbar) bezeichnen kann. Im ruhigen Stadtteil Dorsoduro, nahe der Accademia-Brücke, was gut ist für die Orientierung, in der Nähe eines Fährenanlegepunktes, nahe bei einem der wenigen Supermärkte…und eben an der Liebesmeile (bzw. Todesmeile). Dieses Hotel hatte im Innenhof einen nachts beleuchteten Brunnen (sh. Foto), “…nichts besonderes”, denkt man da als erstes. Nur der Clou kam dann in später Stunde, als ich mir diesen Innenhof einmal im Dunkeln ansehen wollte. Ein kleiner Raum war ausgestattet mit Polstermöbel und Sofas und dieser Raum war nach vorne zum Brunnen hin offen, man saß also nicht unter freiem Himmel, hatte aber einen ungestörten Blick zum beleuchteten Brunnen. Jetzt stelle man sich einmal vor, man liegt in diesen Sofas in abendlicher Stunde mit dem Blick zum Brunnen mit seiner großen Liebe in Phase 1 (!) – es wäre kaum mit Worten zu beschreiben…danach könnte man sich dann umbringen. Ich glaube, ich muss doch einmal mit meiner großen Liebe nach Venedig, nur dass es diese nicht gibt, und um sich umzubringen, ist es einfach noch ein bisschen zu früh.
Die Geschichte hinter dem Bild
Tintorettos Werkstadt – Cannaregio (Venedig 2019)
Nachdem “Attentäter” der Richard-Wagner-Büste und der Verdi-Büste in Castello im Osten Venedigs bei einer Nacht- und Nebel-Aktion die Nasen abgeschlagen haben, machte man (?) auch vor Tintorettos Werkstatt im südlichen Cannaregio keinen Halt. Dieses Gebäude an einer Fondamenta ist ohne Anmeldung nicht zu besuchen, ob es sich überhaupt lohnt dieses zu besuchen, ist eine andere Frage. Wahrscheinlich als Schmuck hat man an der Fassade des rötlichen Gebäudes von außen einzelne Figuren in die Fassade integriert – diese sehen aus wie turbantragende Weise aus dem Morgenland. Bei meinem Besuch in Venedig im Jahre 2016 hatte ich ganz in der Nähe mein Hotel und kannte das Gebäude vom Sehen her. In diesem Jahr (2019) zog es mich bei sommerlichen Temperaturen wieder nach Cannaregio, doch diesmal staunte ich nicht schlecht über eine “Nasen-Korrektur” (sh. Foto) an der von Attentätern geschändeten Figur, denn man hatte ihr die Attrappe einer Nase aufgesetzt. Da kann man ja geteilter Meinung sein, aber wie eine Nase sieht dies eher weniger aus.
Die Geschichte hinter dem Bild
“Dies ist kein Arschloch”
An vielen Stellen fand ich in Venedig in diesem Jahr (2019) ein auffälliges kleines “Gemälde”. Es wirkt schon etwas religiös – ein Herr, der in eine Kutte gekleidet ist und leicht abhebend in den Lüften schwebt…(?) Rechts oben eine Art runde Scheibe, wie die Scheibe eines Baumes oder eine Sonne (?). Ich habe es etwas erstaunt erst einmal fotografiert. Daheim habe ich den Spruch, der darunter steht, versucht zu übersetzen, obwohl meine Französisch-Kenntnisse eher mager sind, aber als Französisch habe ich es noch definieren können. Beziehungsweise es ist eine Kombination von Französisch mit Englisch (“Asshole”) und nach meiner Recherche heißt es : “Dies ist kein Arschloch”. Schwer zu definieren, was der schon fast fliegende Herr mit diesem Spruch zu tun hat (?). Wenn man jetzt noch etwas genauer hinsieht, erkennt man rechts unten in gekippter Schrift das deutsche (!) Wort “Maluntergrund” – hä, was soll das denn bedeuten ? Gut, nun denn – denn gut ist immer das, was man nicht sofort versteht, aber den Sinn dieses “Gemäldes” habe ich bis heute nicht ganz verstanden…
Die Bedeutung des Chores in den Werken Richard Wagners anhand choraler Scenen des “Tannhäusers” und deren Realisierung im Festsaal der Wartburg bei Eisenach
Teil 3
(D.) Chorale Stellen im “Tannhäuser” mit der Realisierung vor Ort
Der Festsaal der Wartburg bei Eisenach zeigt nicht nur eine hervorragende Akustik, sondern auch gute Platzierungsmöglichkeiten. Ohne auf nähere Details einzugehen, bringt die trapezförmig angelegte Decke des Saales ein überraschendes Klangerlebnis – der Klang des im vorderen Bereich platzierten Orchesters scheint in die Höhe zu steigen und verteilt sich nach hinten über die Köpfe der “Zuschauer” hinweg.
“Dich teure Halle grüß ich wieder…”
Dieses Phänomen fällt einem geübten Hörer am besten auf, wenn er das erste Mal dieses erlebt. Hierbei ist auch die Platzwahl zu beachten. Platzierungstechnisch gibt es die Möglichkeit den Chor außerhalb der Scene (z.B. im Foyer) zu lokalisieren, was für den Rezipienten eine Erweiterung der Vision zur Folge hat. Genauso ist ein Aufstellen auf dem seitlich des Saales verlaufenden Balkons möglich, was das Stimmvolumen des Chores über die Köpfe hinweg führt. Letztendlich schreitet der im “Tannhäuser” oftmals sich bewegende Chor von hinten durch das Spalier in den Saal, was die Implikation in das Werk immens steigert.
Sitzplan Festsaal
Der oben zu sehende Sitzplan des Festsaals der Wartburg zeigt rechts einen Erweiterungsbau Podium, was man als “Bühne” annehmen kann. Dieses ist allerdings nur ein fiktiv fixiertes Zentrum, da das Werk im kompletten Saal spielt. Plätze an der Fensterfront oben haben den Vorteil, dass man den ganzen Saalüberblicken kann. Die Balkonseite (unten) zeigt einen spalierförmigen Ausgang Richtung Foyer, auf diesem ist oberhalb der Balkon, der zur Platzierung von Chöre gut verwendbar ist. Die mit rot markierten Plätze zeigen die Plätze, die ich bisher in den Jahren hatte. Im hinterer Bereich rechts (vom Podium aus gesehen) herrscht die beste Akustik und Optik (nach meiner Erfahrung).
Platzierung einer Podiumsbühne
E.) Umsetzung choraler Scenen im Festsaal der Wartburg
Im Folgenden fünf ausgewählte chorale Stellen im “Tannhäuser”, und deren Realisierung im Wartburg-Festsaal, die weit über die Bedeutung eines normalen Chores hinausgehen und somit hier nennenswert sind. Der 1. und 3. Act beherbergt auch einen sogenannten A‑Capella-Chor, also chorale Stellen ohne konzertante Begleitung, was zeigt, dass hier der Chor auch das einzige Mittel der Darstellung sein kann.
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“Naht Euch dem Lande, naht Euch dem Strande…”
(Gesang der Sirenen und Nymphen, 1.Act, 1. Scene)
Das sogenannte “Sirenenbad” in der Pariser Fassung im Eröffnungs-Bacchanal im Venusberg zeigt, dass es sich hier (auf Wartburg) um eine Mischfassung handelt. Vor Ort wird durch die außer-scenische Platzierung des Chores im Foyer (außerhalb des Festsaales) die räumlichen Erweiterung der Vision gesteigert. Das restliche Bacchanal fällt weg und der 1. Act beginnt mit der 1. Scene der Dresdener Fassung im Venusberg (“Geliebter, sag’, wo weilt dein Sinn?”)
Nach der Rückkehr Tannhäusers in die Welt, spielt ein Hirte auf einer Schalmei. Ein auf- und abtretender A‑Capella-Chor der älteren Pilger zeigt ein optisch und akustisch multimediales Geschick der Visionserweiterung. Im 1. Act wird eine Strophe des Chores (“Ach, schwer drückt mich der Sünde Last…”) von dem nach Reue rufenden Tannhäuser wiederholt. Es geschieht ein Übergang aus der Scheinwelt des Venusberges in die geordnete Wartburg-Gesellschaft mit dem Wunsch nach Vergebung.
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“Beglückt darf nun dich, o Heimat, ich schauen…”
(Pilgerchor kehrt aus Rom zurück, 3. Act, 1. Scene) *
Nach einigen Minuten A‑Capella setzt das Orchester mit peitschenden Streichern langsam ein. Es gewinnt immer mehr an Stärke, bis an einem Punkt, als die vorher getrennten Frauen- und Männerchöre sich vereinen und alles steigert in ein ziemliches Klangvolumen untermalt mit Orchester. Die Ouvertüre der Dresdener Fassung nimmt schon viel Stimmung für die Melodik des Pilgerchores vorweg. (Hörbeispiel der Rückkehr des Chores aus Rom – sh. unten)
Pilgerchor 3. Aufzug, 1. Scene
“Heil ! Heil ! Der Gnade Wunder Heil!”
(Pilgerchor – Verkündung d. Stabwunders, 3. Act, 3. Scene) *
Rückkehr des Pilgerchores aus Rom im Finale mit jüngeren Pilgern. Wiederaufnahme und Fortführung des Pilgerchors aus der 1. Scene des 3. Actes. Die letzte Strophe wird vom gesamten Chor getragen (Alle in höchsterErgriffenheit - Regieanweisung). Es entsteht eine starke Steigerung des Stimm-Volumens als finaler Effekt. Vor Ort wird der Zuschauers in die Scene mit eingebettet und impliziert, es geschieht eine Aufhebung der Rolle des Zuschauers in die Rolle des mitwissenden Statisten durch den von hinten einschreitenden Chor (bei der Aufführung 2019 schritt der Chor allerdings seitlich ein, was den Effekt sinken ließ).
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“Freudig begrüßen wir die edle Halle…”
(Einzug der Gäste des Sängerstreits in den Festsaal, 2. Act, 4. Scene)
Unter Trompetenklängen beginnt der Einzug der Gäste in die Sangeshalle, der den Beginn des Sängerwettstreites markiert und von der Masse-Volk-Gäste gehuldigt wird. Vor Ort wird der Chor (bzw. die Chöre) auf dem seitlichen Balkon positioniert, oben Frauen – unten Männer…(wie es sich gehört). Es wechselt mehrfach die Ebene von Frauen zu Männer(-Chor). Eine dreifache Anhebung und Wiederholung der Strophe lässt die Huldigung ins Unermessliche steigen. Vor der letzten wiederholenden Steigerung glaubt man als geübter Hörer ein chorales Ende, was allerdings nicht der Fall ist – es lässt die Einzigartigkeit dieses Ereignisses (Sängerwettstreit) symbolisch hervortreten.
*Anmerkung : Der Pilgerchor der älteren und jüngeren Pilger (nach Rom – von Rom zurück) ist immer in Bewegung. Langsam einherschreitend, in die Scene hinein und aus der Scene heraus (…dem Zuge der Pilger), bewegt sich der Pilgerchor. Somit entsteht ein an- und abschwellendes Klangvolumen durch Auftauchen und Ausschreiten des Chores mit einer räumlichen Erweiterung durch Kommen und Gehen. Als Folge ergibt sich eine optische und akustische Erweiterung durch die Platzierung und Abfolge der choralen Scenen.
(***) Resümee
Erst einmal sei als Resümee zu sagen, dass Chöre ein gelungenes Instrument bis zurück ins antike Griechenland waren und sind. Neben dem Einsatz von Chören bei vielen Komponisten sieht man Wagners Aufgreifen des Chores als Mittel die Präsenz seines Gesamtkunstwerkes besser in Scenen zu stellen. Das wagnersche “Gesamtkunstwerk” sollte alle Kunstformen, also auch Chöre, fusionieren. Man sieht, dass die Platzierung eines Chores im Werk eine bedeutende Rolle spielt, genau wie der Unterschied von einem bewegendem Chor zu einem stehenden Chor. Der “antwortende” Chor in einzelnene Werken Richard Wagners ist als integrierter Statist zu sehen, der auch choreografisch eingesetzt wird, ähnlich den Chören in Bellinis Werken, die auch als Brücke zu einer neuen Scene anzusehen sind. Des Weiteren erkennt man unweigerlich die Nähe der halb-szenischen Inszenierung des “Tannhäusers” im Festsaal der Wartburg zu dem Idealbild der multi-medialen wagnerschen Idee.
“Wenn man das Werk Richard Wagners verstanden hat, merkt man, dass sich einem ganz andere Welten öffnen, und diese Welten gilt es zu ergründen…”
Bei den Hör-Beispielen hat man den Pilgerchor, der an zwei Stellen im 3. Act auftaucht (1. und 3. Scene) fusioniert und für konzertante Aufführungen vereint.
Die Bedeutung des Chores in den Werken Richard Wagners mit einem Vergleich der Chöre Vincenzo Bellinis
Teil 2
(B.) Bedeutung des Chores in den Werken Richard Wagners
Richard Wagner nahm erst Abstand vom klassischen Chor als Integrations-Element in seinen Werken. In seiner umfangreichen Schrift “Oper und Drama” erteilt er dem Chor in der Oper eine Absage. Dies sollte aber nicht so bleiben, denn rückblickend kann man sagen, dass in (fast) jedem Werk chorale Stellen sind, und zwar sehr geschickt platzierte, und wohl-dimensionierte und demgemäß sehr wirkungsvolle. Der Chor wird hierbei von Wagner oftmals als einzelne Singstimme verwendet, das heißt, dass der Chor nicht einzeln steht, sondern direkt in die Handlung integriert ist (wie ein weiterer Statist). Da die Komposition bei Wagner immer einen Bezug zum Handelnden auf der Bühne hat, hat der Chor eine weit bedeutendere Rolle in der Handlung, als normalerweise ein Chor allein stehend hat.
Bei der Zuschauer-Werk-Fusion in Wagners Idealbild, hebt sich der Zuschauer auf und begibt sich in eine Rolle, nämlich die Rolle des “mitwissenden Statisten”.
Der Zuschauer in der Masse ist schnell im Chor zu erkennen, da die Zuschauer ja (meistens) eine größere Anzahl von Personen sind und der Chor auch, und somit lässt sich das Stimm-Volumen steigern. In einzelnen sehr umfangreichen Werken, wie zum Beispiel im “Ring des Nibelungen” gibt es komischerweise nur eine chorale Stelle, nämlich den Chor der “Gibichungen-Mannen” in der “Götterdämmerung” im 2. Act. Im “Ungetüm” der Frühwerke “Rienzi, der letzte der Tribunen” steht der “Chor der Friedensboten” isoliert als eine der sehr wenigen Chorstellen in diesem 5 Stunden Werk. Anders sieht das im “Lohengrin” aus, mit dem Wagner seinen angestrebten Kompositionsstil erreicht hatte.
Lohengrin – Chöre
Hier ist es nämlich eine besondere Art von Chor (“Lohengrin”) im Werk mit dem größten Choranteil aller Werke, da hier der Chor fast ständig auf der Bühne präsent ist. Das Besondere ist allerdings auch das Fehlen großer ausgedehnter Chorsätze – man hat beim Hören das Gefühl, dass Wagner großen Chorsätzen geradezu aus dem Weg geht – es fehlt eine Selbstdarstellung des Chores, der reserviert und passiv dasteht.
Partitur Lohengrin im Lohengrinhaus Graupa
Genauso fehlt ein chorales Tableau, was viele andere Komponisten im Übermaß verwendet haben. Die eher kurzen Chorstellen (im “Lohengrin”) sind eher Reaktionen auf das jeweilige Geschehen. Das Wirkungsvolle ist in diesem Werk die Platzierung und die Reaktivität des Chores (oder Teilchores). Als Partner im Werk steht er hier sehr passiv da – eine Äußerung erscheint immer als Reaktion, nie als Aktion und stellt eine Unterordnung unter dem Orchester dar.
Entstehungsort des Lohengrin
Er (der Chor) ist immer nur zur Reaktion fähig, nicht zur Aktion und ist der Melodik des Orchesters angepasst, er ordnet sich unter und agiert, wenn er zur Stellungnahme aufgefordert wird. Hierdurch wird der Chor zum mitspielenden und mithandelnden Instrument des Werkes. In der Orchestersprache der wagnerschen Komposition nimmt der Chor im “Lohengrin” nicht nur die Rolle einer handelnden Person ein, sondern auch die Rolle einzelnen Instrumente.
(C.) Wagner – Bellini
Vorbilder für seine Kunst hat Wagner immer vielfach verleugnet, weil er nicht als Kopierer des Werkes eines anderen Komponisten hingestellt werden wollte. Als Ausnahmen kann man Wagners euphorische Verehrung für Beethoven und Carl. M. v. Weber, als Schöpfer der deutschen Oper, ansehen.
Bei den Italienern gibt es eigentlich nur einen, den Wagner (zwar nur hinter vorgehaltener Hand) anerkannt und verehrt hat, und das ist Vincenzo Bellini(von Spontini einmal abgesehen, den Wagner persönlich in Dresden kennengelernt hatte). Bellini ist ja nicht der Schöpfer der Werke, er hat sie als solches “nur” vertont, bzw. eine äußerst fruchtbare Künstlerfreundschaft gepflegt und zwar mit dem Textdichter Felice Romani. Die Werke stammen (fast) alle von Felice Romani, wobei man sagen muss, dass es diese wundervollen Belcanto-Werke nicht geben würde, ohne die Hand Bellinis. Die drei Elemente in diesen Werken sind die Kompositionslinie, der Belcanto-Gesang und der Chor. Quasi eine Fusion kreativer Ergüsse zweier Schöpfer, was bei Wagner unvorstellbar wäre.
Zwei Paradebespiele sind die Werke “Norma” und “I Capuleti e i Montecchi”. Beide sind lyrische Tragödien in 2 Acten mit einer Aufteilung nach Bildern oder Scenen mit Arien, Kavatinen, Romanzen und Chöre. Was Wagner allerdings eher gereizt haben muss, ist das reine Belcanto bei Bellini, sodass er Bellini sogar einen Text in seinen gesammelten Schriften widmete (* “Bellini – Ein Wort zu seiner Zeit”).
Gesammelte Schriften
Der sogenannte Wagner-Gesang ist absolut kein Belcanto mit Arien und Kavatinen, sondern eine besondere Form eines Rezitativs, es erscheint eine teilweise Opferung der Gesangslinie zugunsten der Deklamation. Wie vielfach in der Literatur zu finden ist, stand Wagner allerdings nicht ganz ablehnend dem Balcanto-Gesang gegenüber, er hat sich oftmals dessen sogar für sein Schaffen bedient. Somit sind die Chöre bei Bellini nennenswert und sicher ein Vorbild für Wagner gewesen. Sie sind bei Bellini öfter als Verbindungsglied von einer Scene in die andere benutzt worden (Brücken-Effekt). Des Weiteren erscheint der Chor bei Bellini oft als ein Statist auf der Bühne und fungiert antwortend, das heißt, dass eine Frage gestellt wird und der Chor antwortet geschlossen. Was sicher nicht im Sinne Wagners war, ist, dass Bellini in einem frühen Werk (“Bianca e Fernando”) eine sehr gefühlvoll klingenden chorale Scene komponierte, bei der Konzeption der “Norma” benutzt er diese chorale Scene wieder mit anderem Text – eine derartige “Flickenteppich-Technik” ist bei Wagner nicht vorstellbar. Dies zeigt, dass Wagner nicht alles blind übernahm, auch von einem Komponisten, den er verehrt.
Somit wird der Chor (“I Capuleti e i Montecchi”) als “Antwortender Chor” verwendet und von Bellini in den Dialog der Darsteller integriert (1. Act, 1. Bild), was wiederum Parallelen zu den Chören im “Lohengrin” erkennen lässt. In einem aktuell von mir rezipierten späten Werk Bellinis/Romanis (“Beatrice di Tenda”) zeigt sich in dem eher unbekannten Werk kompositorisch am Anfang des Vorspiels eine ca. 30sekündige Dissonanz (Missklang), die 4–5 Mal noch im kompletten Werk oft fragmentarisch auftaucht (im 2. Act). Eine Technik, die Wagner perfektioniert hat (Erinnerungsmotive) durch ein Gerüst von emotionale Gefühlswegweisern durch seine Werke.
Als Resümee kann man sagen, dass Wagner das Bellinische Belcanto überwindet und seine eigene Gesangsart (Wagner-Gesang) entwickelt, ohne Gesang, Arien etc., nur mit Dialogen und ohne Monologe. Der vormals erwähnte “Antwortende Chor” und der Chor als Bindeglied in Bellinis Werken hat allerdings ohne Zweifel Wagner Fantasie für seine eigenen choralen Konstruktionen angeregt.
*Zu den sehr umfangreichen Schriften Wagners ist zu sagen, dass sie keinen Schlüssel zumVerständnis des Werkes darstellen, sondern die Werke eher ein Schlüssel zum Verständnis der Schriften. Dadurch ist ein Heranziehen der Gesammelten Schriften schwierig und sie sollen hier im Hintergrund bleiben.
“Musik ist nicht die Darstellung einer Idee, Musik ist die Idee selbst”