Der Palazzo Contarini del Bovolo gilt als historische Sehenswürdigkeit und ist ein gotische Palast im Stadtteil San Marco leicht unterhalb des Campo Manin in Venedig.
Schneckenform
Das Besondere an diesem leicht versteckt liegenden Palast ist eine Wendeltreppe (Scala Contarini del Bovolo), die alle Stockwerke erschließt und die so erscheint, als sei sie davor gebaut oder an einer Ecke des eher schmalen Gebäudes gesetzt worden. Und wegen dieser Wendeltreppe ist er auch berühmt geworden und in die Kunstgeschichte eingegangen.
Nur die Treppe machts…
Laut Literatur soll der Palazzo, außer der touristisch genutzten Treppe, insgesamt in keinem guten Zustand sein.
Der Palast als solches ist ein Gebäude des ausgehenden 15. Jahrhunderts der Familie Contarini. In einem kleinen “Vorgarten” hat man als Ausstellungs-Relikte einige Reste von Brunnenfassungen (“vere di pozzo”) ausgestellt, eine davon trägt auch das Wappen der Contarini.
Der mit einem Gitterzaun umgebene Vorhof soll eben etwas mehr Historisches für den Besucher darstellen, da sind ja alte Relikte immer nützlich, auch schon, um den Blick des Besucher anzulocken. Ein weiterer kleiner Innenhof ist von dieser Seite nicht einblickbar.
Zur Historie seien einige Fakten zu nennen : Im Jahr 1499 hatte der damalige Hausherr (Pietro Contarini) die Idee diesen eher mager aussehenden Innenhof mit einem wendelförmigen Anbau in Form einer aufsteigenden Treppe zu verschönern. Für damalige Zeiten eine eher ungewöhnliche Idee, die es auch zu dem Zeitpunkt in Venedig noch nicht gegeben hatte und als völlig neuartig anzusehen war. Der Baumeister war ein gewisser Giovanni Candi (nach anderen Quellen Giorgio Spavento) zeigte sein Können hier eine Wendeltreppe im Stil der Renaissance errichten zu lassen, die eine eher ungewöhnliche Form haben sollte. Es sollten eine Serie von Loggien sein, die sich ansteigend durch Rundbögen öffnen. Eine aufwändige Idee, aber große Werke in der Menschengeschichte waren ja immer nicht ganz so einfach. Die Treppe endet in einer Art Kuppelraum, der einen hervorragenden Blick über ganz Venedig (was ich allerdings als etwas übertrieben ansehe) bietet.
Blick ist im Preis enthalten
Im 19. Jahrhundert diente der Palast eine Zeit lang als Hotel und beherbergt ein pädagogisches Institut.
Der Palazzo mit “Schneckenhaus”-Treppe (Bovolo - ital. Schneckenhaus) ist nicht ganz einfach zu finden (aber was ist in Venedig einfach zu finden?). Als Haupt-Orientierungspunkt ist der nach Pomnik Daniele Manin benannten Platz Campo Manin leicht oberhalb ratsam.
Man muss sich am besten immer spontan durch die Gassen treiben lassen und hat dann oft mehr Erfolg etwas zu finden, als wenn man konzentriert etwas sucht.
Bei meinen Venedig-Aufenthalten ist dies immer meine Devise gewesen, und somit habe ich auch das meiste gefunden ohne es zu suchen. Denn Venedig ist ja als solches eher für den Wasserweg in damaliger Zeit errichtet worden und nicht für Fußgänger, dadurch hat man es per pedes immer schwieriger, als mit einem Boot.
So auch in der zweiten Juli-Woche diesen Jahres (2019), als ich durch eine kleine Seitengasse der Calle Locande auf die Wendeltreppe aufmerksam wurde. Ein richtiger Aha-Effekt, denn der Palazzo ist ja eher unscheinbar, bzw. fällt hier, wo ja alles voll ist mit Palazzos, weniger auf. Vielleicht war dies ja auch ein Grund des damaligen Hausherren eine derartig ungewöhnliche Wendeltreppe anbauen zu lassen, also seinen Palast etwas mehr herauszuheben aus der Masse aller anderen.
Man entrichtet den Eintritt ja hauptsächlich, um durch die Schranke gehend diese schneckenartige Wendeltreppe zu erklimmen, schon alleine des Ausblicks wegen.
Ausblicke
Allerdings ist auch eine kleine Kunstausstellung im Sala del Tintoretto im Eintrittspreis enthalten.
Zum Zeitpunkt meines 5. Venedig-Besuches lief ja die 58. Biennale di Venezia, die vom 11. Mai 2019 bis zum 24. Nov. 2019 die Stadt mit eher modernerer Kunst-Installationen bereichert und viele Kirchen und Palazzos für den Besucher zur Betrachtung der Werke öffnet.
So auch der Palazzo Contarini del Bovolo, bzw. dessen Wendeltreppe.
Ich staunte nicht schlecht… Denn bei der Erklimmung der Wendeltreppe fielen sofort farbig transparente Folien ins Auge, die vor die rundbogenartigen Fenster gespannt waren.
Trasformata in un faro multicolore
Tja, da ist man überrascht, denn hier hat (wie ich später erfuhr) eine Künstlerin ihre Hand angelegt, nämlich die aus Armenien stammende Narine Arakelian leistete mit dieser fantasievollen Installation den Beitrag zur diesjährigen Biennale für das Land Armenien.
Pharos Flower
Die armenische Schöpferin nannte ihre Installation “Pharos Flowers”. Wenn man jetzt etwas Gesamtbildung hat, dann weiß man, dass bei der Insel Pharos vor Alexandria in der Antike der größte Leuchtturm der damaligen Zeit stand und dieser gehörte zu den 7 Weltwundern, nämlich der “Leuchtturm von Alexandria”.
Roter Aufstieg
Ohne tiefer in die Interpretation dieses Werkes einzudringen und die Schaffensgründe der Schöpferin zu ergründen, ist natürlich die Idee diese aufsteigende Wendeltreppe in einen Leuchtturm zu verwandeln, schon wirklich erlebenswert, bei Tag und bei Nacht. Warum jetzt “Flower”, kann ich nicht definieren.
Lila Ausblick
Wenn man mit kreativer Ader und mit Goethes Farbenlehre im Kopf, mit der Kamera direkt durch die transparente Folie fotografiert, ergeben sich von bekannten venezianischen Motiven doch fantasievollen Bilder, die an Farb-Filter für die Kameralinse erinnern.
….mal in Rot….
…mal in Gelb…
…mal in Blau…
…mal in Lila…
…mal in Grün.
Hierbei fusionieren sich ja drei Ebenen. Erst einmal die gotische Wendeltreppe und der gotische Palazzo aus dem 14. Jahrhundert, dann die Idee der Verwandlung dieser Wendeltreppe in einen Leuchtturm durch die armenische Künstlerin, und dann die eigenen Interpretationen, die man sich selbst hineindenkt.
Abschließend sei hier aus Nietzsches “Unzeitgemäßen Betrachtungen“ zitiert :
“Damit ein Ereignis Größe habe, muss zweierlei zusammenkommen : der große Sinn derer, die es vollbringen,und der große Sinn deren, die es erleben”
Doch hier in Venedig waren es sogar drei : …der Schöpfer der Scala Contarini del Bovolo, die armenische Künstlerin und derjenige, der durch die einfarbige Folie hindurch fotografiert.
Was lernen wir daraus ?
“Große Werke entstehen immer erst im Kopfe des Betrachters”
Palazzo Contarini del Bovolo Corte Contarina, del Bovolo, 4303, 30124 Venezia VE, SM täglich : Mo.–So.: 10–18 Uhr Letzter Einlass 30 Minuten vor Schließung Geschlossen : 1 Januar, 15 August, 1 November, 25 und 26 Dezember
Bei der Phantasie von manchen Künstlern und Schöpfern kommt man bei der Rezeption ihrer Werke oft schon ins Staunen, egal ob es nun Maler, Schriftsteller oder Komponisten sind.
Aber einer hat bei dem “In-Szene-stellen” seiner Ideenquellen viele und vieles in den Schatten gestellt, viele ins Staunen versetzt und sogar (Musik-)Wissenschaftler oftmals Kopfzerbrechen bereitet, und zwar wie öfter schon besprochen, Richard Wagner.
Fast zu jedem Werk hat Wagner etwas erfunden oder hinzugedichtet, was man eine sogenannte “Inspirations-Legende” nennt. Was ist dies ?
Der Schöpfer (in diesem Fall Wagner) nimmt sich prägnante Teile oder Passagen aus einem seiner Werke, die schon viele begeisterte Hörer und Verehrer ins Staunen versetzt haben, und gibt einen Grund vor, wie und wo diese entstanden seien. Jeder Rezipient, vor allem von Wagners Werk, fragt sich, wo so ein genialer Schöpfer alle diese Ideen her hatte oder/und was hat ihn zu so einer Ausdruckskraft hingeführt und angeregt (?)
Und da kann natürlich nur einer eine Antwort geben, nämlich der Schöpfer des Werkes selbst. Und hier war Wagner schon ein geschickter (und oft auch dreister) Fälscher und Selbst-Inszenator.
Dieses alles hat den Grund, die Genialität des Werkes noch stärker in Scenen zu stellen und aufzupuschen (wie man heute sagen würde). Es wird das “Objekt” suggestiv mit etwas anderem verknüpft, sodass die Frage, wo er die Idee her hatte, beantwortet wird, und das von Künstler selbst. Nur, dass es in den meisten Fällen bei Wagners Inspirationslegenden nicht stimmt, also gelogen oder zeitlich versetzt worden ist. Oft handelt es sich bei Wagner um sogenannte “zeitversetzte Überraschungs-Semantik”. Was ist das ?
Wagner muss ja irgendwann und irgendwo die Idee oder Inspiration gehabt haben, sonst würde es die jeweilige Passage ja gar nicht geben. Nun versetzt Wagner einfach den Zeitpunkt der “Eingebung” auf einen anderen Zeitpunkt, als sie wirklich war. Und dem nicht genug – Wagner erkennt geschickt die Sensations-Geilheit seines wissenden Publikums und baut eine plötzlich auftretende Überraschung ein (“…in dem Moment hatte ich die Idee!”). Diese “Plötzlichkeits-Semantik” hat auch einen Grund und eine Bedeutung. Wagner will seine Ideen in eine schon fast göttliche Eingebung erhöhen, um das Publikum noch stärker ins Staunen zu versetzen, als es schon ist.
Im Falle von Wagner Inspirationslegenden sei allerdings gesagt, dass er vieles aus dem Grund erfunden hat, um seinen Haupt-Sponsor Ludwig II. von Bayern zu verzaubern, damit dieser ihn auch weiterhin (finanziell) unterstützt – ganz schön dreist. Auf Befehl Ludwigs sollte Wagner seine Autobiografie “Mein Leben” schreiben, was er dann auch tat, bzw. nicht tat, denn er diktierte sie seiner zweiten Frau Cosima.
“Mein Leben”
Beim Abfassen dieses umfangreichen Buches in 2 Bände musste er natürlich bei der Version bleiben, die er dem König (per Brief) vormals auf die Nase zu binden versucht hatte, sonst wäre es ja aufgefallen, dass er gelogen hatte, bzw. es erfunden hatte.
Hier nun eine kleine Auflistung von einigen Wagnerschen “Inspirationslegenden”:
*Die Karfreitags-Legende (Parsifal) – 1857 *Die Vision von La Spezia (Rheingold-Legende) – 1853 *Die Erleuchtung von Biebrich (Meistersinger-Vorspiel) – 1862 *Die Klageweise Tristans (Tristan u. Isolde) – 1858 *Das Assunta-Erlebnis (Meistersinger) – 1861
Die Jahreszahlen beziehen sich auf den Entstehungszeitpunkt der Inspirationslegende mit dem in Klammern dahinterstehenden Werknamen, für den die Legende erfunden worden ist.
Um die es jetzt gehen soll, spielt in einer “Stadt”, die schon viele in Ihren Bann gerissen hat, nicht nur Wagner, nämlich VENEDIG.
Und hierbei geht es um das …
Assunta-Erlebnis von Venedig aus dem Jahre 1861
Ich erlaube mir hier, den Schöpfer in seiner Auto-Biografie selber zu Wort kommen zu lassen :
“Bei aller Teilnahmslosigkeit meinerseits muss ich jedoch bekennen, daß Tizians Himmelfahrt der Maria im großes Dogensaale eine Wirkung von erhabenster Art auf mich ausübte, so daß ich seit dieser Empfängnis in mir meine alte Kraft fast wie urplötzlich wieder belebt fühlte.” “Ich beschloß die Ausführung der Meistersinger.”
Soweit der Schöpfer selbst.
“Santa Maria Gloriosa dei Frari” – Tiziano Vecellio, 1516–1518
Hierzu sind einige Erläuterungen nötig. Richard Wagner war nie ein Freund der italienischen Malerei und hatte hiervon auch nur wenig Ahnung – für ihn gab es eigentlich nur ein Kunstwerk, und dies war und ist das seinige. Die Hintergrund-Geschichte ist die, dass die befreundete Familie Wesendonk, die immer nach großen Werken strebte, Wagner schon fast genötigt haben muss, einmal mitzugehen, was ihn eigentlich gar nicht interessiert (“…bei aller Teilnahmslosigkeit meinerseits…”). Er ging mürrisch mit. Bei der Abfassung der Auto-Biografie setzt er den Ort des Geschehens in den Dogenpalast, wo das Bild angeblich gehangen haben soll. Das ist der erste Fehler, denn das Bild hing zu diesem Zeitpunkt (1861) nicht im Dogenpalast, sondern in der Gallerie dell’Accademia in Dorsoduro an der Accademia-Brücke. Später revidiert er diesen Fehler mit dem Argument, dass er sich vertan hätte – na ja, Irren ist menschlich und das kann ja auch Wagner passieren.
Wagner hatte kurz vorher seinen Verleger (Schott) wie immer um Geld gebeten, um seine Arbeit an den “Meistersinger von Nürnberg” fortsetzen zu können. Das heißt, dass das Thema “Meistersinger” brandaktuell war, somit bot sich eine gute Gelegenheit an, das ganze Projekt durch eine innere Eingebung in ein helleres und glaubhafteres Licht zu stellen, quasi ein inszenierter kreativ auslösender Moment, der sich dann ja in Venedig anbot.
Jetzt haben sich natürlich unzählige Wagner-Forscher und Musikwissenschaftler vieler Jahre Gedanken gemacht, was Tizians grandioses Bild mit der “Meistersinger”-Komposition und ‑Konzeption zu tun haben könnten (?)
Hier einige Versuche der Erläuterung :
“… die erste und einzig wahre Liebe meines Lebens”
Wagners “Liebe” zu der jüngeren Frau des Schweizer Industriellen Otto Wesendonk war eher platonischen Charakters (oder Wunschdenken). Er bezeichnet Mathilde als die “einzig wahre Liebe seines Lebens” – sie wird als auslösender Faktor für die “Tristan”-Komposition bezeichnet und ihr ist der erste Act der “Walküre” gewidmet. Diese Person muss schon eine große Bedeutung gehabt haben, außerdem war sie wesentlich jünger als Wagner (was Musen so an sich haben) und hatte ein zart geschnittenes Gesicht, kurz gesagt, eine Schönheit wie in einem Märchen. Wenn man sich Tizians Gemälde einmal genauer ansieht, so könnten die Gesichtszüge auf Mathilde zu mindestens hinweisen (was allerdings als gewagte These schnell wieder vom Tisch ist).
“…bombastische Werke”
Wagners “Meistersinger” sind ja ein bombastischer Werk von fast 5 Stunden mit den meisten Statisten auf der Bühne und was zu Lebzeit des Schöpfers neben dem “Rienzi” das populärste war. Genauso wird man vor Tizians Assunta stehend schon stumm über die immensen Maße des Bildes (6,90 m x 3,60 m) und man fragt sich, wie in damaliger Zeit (1516) ein Künstler so ein Werk schaffen konnte (?) Hat also die Bombastizität des Gemäldes Wagner an die Bombastizität seines Werkes erinnert …?
“…die Ausführung der Meistersinger”
Außerdem heißt es ja “…die Ausführung der Meistersinger”. Wohlgemerkt “Ausführung” – nicht “Aufführung”. “Ausführung” bedeutet einen langlebigen Plan, vorbereitende Gespräche etc. in die Realität umsetzen, also zu Papier bringen, letztendlich festhalten oder festlegen. Solche vorbereitende Gespräche könnten natürlich auch mit Mathilde stattgefunden haben (was mir nicht bekannt ist). Es kann alles, vor allem bei einem Schöpfer mit so einer Phantasie wie Richard Wagner. “Aufführung” hieße, das bereits Geschaffene auf die Bühne zu bringen.
“…Aufenthalt in Marienbad”
Die nächste These ist folgende. Wagner weilte 1845 im Kurbad Marienbad in Böhmen, wo er den Plan der “Meistersinger” entworfen haben soll. Und der Name “Marienbad” blühte dann in Wagners Gedächtnis wieder auf, als er Tizians Maria in die Augen schaute (?) Eine nicht haltbare These, die nur auf der Namensgleichheit beruht.
Dies alles sind Vermutungen, die einiges Phantasievolles an sich haben, aber sie sind sehr allgemeiner Art und “Allgemeines” ist für so ein spezifisches Thema zu ungenau.
…heute in der Basilica dei Frari in S.Polo (2007)
Der Wahrheitsgehalt dieser “Tunnelforschung” lenkt sich eher zur Wahrheit, wenn man bedenkt, dass Wagner ein Meister der pathetischen Selbstinszenierung war. Das heißt, etwas (oder sich selbst) geschickt in Scene setzen oder etwas so lenken, dass es noch immenser aussieht, als es schon ist. Es bedarf schon etwas Überwindungskraft für einen nichtlügenden Menschen (wie mich) zu dem Ergebnis zu kommen, was immer verständlicher wird.
Denn die Ausführung der “Meistersinger” haben mit Tizians Assunta rein gar nichts zu tun !
Denn nach seiner Schilderung des Besuches des Dogensaales (falsch) lässt Wagner einen Absatz. Dann kommt wie in Stein gemeißelt :
“Ich beschloß die Ausführung der Meistersinger.”
Zu beachten ist der Absatz, der den Entschluss von der vorherigen Handlung abtrennt. Es ist hier die ungeheure Fähigkeit Wagners für theatralische Effekte zu berücksichtigen. Ganz schlicht und einfach ist es ein schriftstellerischer Coup eines Ergusses, nämlich den Anblick der Maria als Auslösendes für die Umsetzung, bzw. die Weiterschaffung des bereits angefangenen Werkes fortzusetzen.
Das “Ausführen” findet nämlich kurz danach bei der Rückfahrt Wagners von Venedig nach Wien statt. Wieder zitiere ich den Meister aus seiner Biographie :
“…verließ ich nach vier äußerlich wahrhaft trübseligen Tagen zur Verwunderung meiner Freunde plötzlich Venedig und trat, den Umwege zu Lande auf der Eisenbahnlinie folgend, meine lange graue Rückreise nach Wien an. Während der Fahrt gingen mir die “Meistersinger”, deren Dichtung ich nur noch nach meinem frühesten Konzepte im Sinne trug, zuerst musikalisch auf ; ich konzipierte sofort mit größter Deutlichkeit den Hauptteil der Ouvertüre in C‑Dur.”
Bei dieser “Ausführung” muss man sich als Eingeweihter schon manchmal ein Lachen unterdrücken. Dieser oben zu sehende Absatz aus “Mein Leben” (Seite 906) soll nämlich das bombastische Ergebnis des Tizian-Ergusses sein – als solches ein bisschen mager, so eine Eisenbahnfahrt als Endergebnis dieses schon dramatisch-liturgischen Erlebnisses in Venedig zu sehen. Aber irgendwann müssen solche Werke ja nun einmal im Kopfe des Schöpfers entstehen.
Wagner schreibt hier von der Konzeption der Ouvertüre, obwohl es gar keine Ouvertüre ist, sondern ein Vorspiel (!) – aber egal. Nur wenn man nach vorne sieht, soll ja dieses Vorspiel ein Jahr später (1862) in Biebrich am Rheinentstanden sein.
“An einem schönen Sonnenuntergange, welcher mich von dem Balkon meiner Wohnung aus dem prachtvollen Anblick des goldenen Mainz mit dem vor ihm dahinströmenden majestätischen Rhein in verklärter Beleuchtung betrachten ließ, trat auch plötzlich das Vorspiel zu meinen “Meistersingern”, wie ich es einst aus trüber Stimmung als fernes Luftbild vor mir gesehen hatte, nahe und deutlich wieder vor die Seele.”
Biebrich am Rhein
Also war nach dieser Beschreibung von 1862 der Erguss des Assunta-Erlebnisses hinfällig und wird in ein trübes Licht als fernes Luftbild gestellt. Also doch nicht so toll mit Tizian - da fragt man sich als genauer Leser, wo Wagner denn nun wirklich die Idee hatte, denn hier hebt eine Inspirationslegende die andere auf (“mit größter Deutlichkeit” – “aus trüber Stimmung”).
Nach dieser langen Ausführung von Vermutungen, Thesen, Spekulationen zeigt sich aber abschließend etwas ganz anderes.
…seit dieser Empfängnis
Das Ungeheuerliche ist nämlich der Passus “…seit dieser Empfängnis”. Empfängnisse gibt es in Wagners Werken als Erotiker der Weltüberwindung genug, da braucht man nur an die erotische Kraft des “Tannhäuser” zu denken. Erotisches Feeling hatte Wagner ja nun, was manchmal schon an Pornografie grenzt. Letztendlich ist folgende These am glaubhaftesten und logischsten, aber auch immer noch im Reich der Utopie. Denn durch den Begriff “Empfängnis” gibt Wagners abgründige Identifikation mit der Gottesmutter zu erkennen. Nur das ihm (Wagner) nun vermittelt über die Kunst die Empfängnis göttlicher Kraft zuteil kommt, und nur sein Werk es sein wird, was künftig eine Erlösung darstellen wird. Das “Empfängnis” ist quasi die Einsetzung des Musikdramatikers als des neuen Mittlers zwischen der zu überwindenden Welt und dem Absoluten.
Wenn man jetzt noch etwas weiter schaut, so halten Briefe und Cosimas Tagebücher fest, dass Wagner bei dem Besuch italienischer Museen auch in Venedig mit der kunstinteressierten Frau immer mürrisch draußen blieb oder fehlte. Und als er 1880 diesmal von Cosima überredet, wirklich in der Accademia vor dem Gemälde steht, soll er laut Literatur eher kritisch und abweisend sich geäußert haben, so als ob ihn das Bild von seiner Aussagekraft gar nicht interessieren würde. Das widerspricht sich aber nun extrem mit der Version des Assunta-Erlebnisses von 1861 (“…eine Wirkung von erhabenster Art”).
Hieran sieht man, dass Wagner das eigentliche Ding an sich, in diesem Fall das Assunta-Gemälde, nur benutzt (man kann schon sagen missbraucht), um einzig und alleine seine Kunst in den Mittelpunkt zu stellen, denn sein Werk stellt alle anderen (egal von wem) in den Schatten.
Wieder in der Gegenwart stehend, schlug ich 158 Jahre später, bei meinem 5. Venedig-Aufenthalt in der zweiten Juli-Woche diesen Jahres (2019) meinen Weg ein durch das Gewirr der Gassen und Kanäle von San Polo oberhalb von meinem Sitz an der Zattere von Dorsoduro.
Campo S. Toma (Sestiere S. Polo)
Denn das Gemälde Tizians hängt heute in der Basilica dei Frari, wo sich auch Tizians Grab befindet. Geduld muss man in Venedig schon mitbringen. Nur hatte ich bei den Aufenthalten in den Jahren 2007 und 2013 vor der Assunta stehend, nicht die Möglichkeit das Gemälde zu fotografieren. In die Kirche hineindrängend, stürmte ich sofort in Richtung Assunta. Mein Gang wurde immer langsamer, je näher ich dem Gemälde kam. Denn vor der Absperrung ist ein Schild zu lesen, dass das imposante Werk zur Zeit von einer amerikanischen Fachfirma restauriert würde… Wenn man aber seinen Blick hochrichtet, sah man es, allerdings hypergenau auf ein Laken gedruckt, als Überbrückung des Zeitraums der Restaurierung. Wenn ich das Schild nicht gelesen hätte, hätte ich es gar nicht gemerkt, dass die wahre Assunta durch dieses Laken bedeckt war, damit man sie restaurieren konnte. Tja, dachte ich, so wäre auch wahrscheinlich Wagner dieses “Empfängnis” nicht geglückt.
“Tipps und Trick der Wäsche-Trocknung in hitzegeplagten Städten”
Wer einmal im Mutterland des schönen und warmen Wetters durch die Gassen einer Stadt gebummelt ist, dem ist aufgefallen, dass hier übermäßig viel Waschpulver verbraucht wird. Dieses erkennt man hauptsächlich am Geruch.
In vielen italienischen Städten geht einem ab 30° C ein besonderer Geruch in die Nase, wobei Neapelals erstes zu nennen ist, und dieser Geruch hat immer einen gewissen Anteil Waschpulver.
“Hier wird der Tristan vollendet – allem Wüthen der Welt zum Trotz…” (Richard Wagner an Mathilde Wesendonk, 3. Sept. 1858)
Nach seiner Flucht aus der Schweiz bezieht Richard Wagner am 30. August 1858 den Palazzo Giustiniani (Giustinian dalle Zogie) auf der linken Kanalseite (von Osten kommend) im ersten “Knie” des Canale Grande in Venedig.
Jetzt fragt man sich, wie kommen manche Leute dazu, Straßenlaternen zu fotografieren ?
Tja, fotografieren kann man natürlich alles, aber was macht den Reiz aus, eine Straßenlaterne zu fotografieren ? Bei Türen kann man das ja noch verstehen, denn eine Tür ist ja ein Ursymbol des Lebens, Ein- und Ausgänge, drin – draußen, Verbindungen von draußen nach drinnen… Straßenlaternen dienen ja eher der Beleuchtung, damit man im Dunkeln den Weg findet. Tja, das ist aber nur die oberflächliche Bedeutung…Beleuchtung ist alles weiterlesen
Es gibt gewisse Tricks, um die jeweilige Maske ohne störende Touristen zu fotografieren.
Erst einmal der Trick mit den frühen Morgenstunde (“Morgenstundhat Goldim Mund”). Hierbei sollte man natürlich nicht vor großen Hotels warten, sondern einfach spontan durch die Gassen und auch einsam liegende Plätze streifen, um fündig zu werden – denn wer suchet, der findet.
“Wer ist die holde Schöne hinter der erstarrten Maske,
die in Venedig durch die Gassen wandelt?”
Der venezianische Karneval hat ja eine lange Tradition bis zurück in die Zeit der Serenissima – in dieser Zeit wurde auf eine Art gefeiert, die den Carnevale di Venezia von heute weit in den Schatten stellt.
Darstellungen mit exotischen Tieren, Zauberkünstler, Wettkämpfe, Feuerwerke, menschliche Pyramiden, Theater-Aufführungen, das Schlachten von Tieren, Marionetten-Theater, Astrologen … die Vielfalt kannte keine Grenzen.
“Wenn ich ein anderes Wort für Musik suche,
so finde ich immer nur eins, nämlich Venedig!” (Fr.Nietzsche)
Es gibt eine “Stadt”, wo alle Regeln, die woanders gelten, außer Kraft gesetzt sind, weil sie keine Stadt ist … und das ist natürlich VENEDIG.
“Es gibt zwei Arten von Städte, Venedig und alle anderen…”
Demgemäß gelten in Venedig Regeln, die woanders nicht gelten, nämlich keine… Aber halt…gewisse Regeln gelten schon, nur gibt es gewisse Grundsätze, die sollte man wissen, bevor man das erste Mal nach Venedig reist.Goldene Regeln Venedig weiterlesen
Schopenhauer war der festen Überzeugung, dass die Welt als solches gar nicht existiert, sondern, dass es diese nur im Kopf des Menschen gibt. (“Die Welt als Wille und Vorstellung” – Arthur Schopenhauer)
Jeder Mensch ist anders, weil sich jeder anders entwickelt und um einen herum entwickelt sich auch alles – man entwickelt sich quasi in einer Entwicklung.Das Bild als Schein der Wirklichkeit weiterlesen
Es gab einmal eine Zeit in Deutschland, da konnte man auch ohne Navigator alles finden. Vielleicht erinnern sich noch einige daran – jedes Haus hatte ein kleines, rechteckiges, blaues Schild mit der Hausnummer in weißer Schrift darauf und dementsprechend gab, bzw. es gibt sie ja noch, Straßenschilder in demselben Blauton, auf denen gut lesbar der Name der Straße stand/steht. Die letzteren gibt es ja noch, doch die Hausnummern sind so gut wie verschwunden, weil nämlich ab einem gewissen Zeitpunkt jeder meinte, die Hausnummer seines Heimes individuell, so wie er lustig ist, zu gestalten. Der Haken an der Sache ist der, dass man kaum noch ein Haus in einer fremden Stadt finden kann. Und so kam es zur Erfindung des Navigators, denn ohne diesen würde man ja umherirren ohne Ende.Beschilderungen Italien (1) weiterlesen
“…ernste Stimmung, Größe, Schönheit und Verfall
dicht nebeneinander.” (Richard Wagner an Mathilde Wesendonck, 1858)
Die Bedeutung VENEDIGS für das Schaffen vieler Künstler und Schöpfer ist oftmals schwer einzuschätzen, aber eins ist klar – es gibt kaum eine “Stadt”, die so viele große Geister zum Schaffen ihrer Werke inspiriert hat, wie Venedig.Richard-Wagner-Büste Castello (2010/13) weiterlesen
“Wer als Verliebter nach Venedig, verliebt sich in Venedig”
VENEDIG besteht aus 6 “Stadtteilen”, auch wenn der Begriff “Stadtteil” ja nun für eine Stadt wie Venedig kaum zutrifft.
Jeder, der schon einmal da war, weiß, wie schwierig die Orientierung in dieser “Stadt” ist.
Viele der kleinen Gassen (Calle) gibt es vom Namen her mehrfach, dadurch steht in einer Adresse immer nur der “Stadtteil” und die Hausnummer, beispielsweise Dorsoduro 938. In Venedig muss man immer ein paar Tricks parat haben – ein guter Trick zu erkennen, in welchem “Stadtteil” man sich gerade befindet, ist der, auf eine der unzähligen Lampen zu schauen, denn dort sind (fast) immer die Abkürzungen des jeweiligen Teiles von Venedig angebracht.Zattere Dorsoduro (2007/13) weiterlesen