“Wenn einem ein Licht aufgeht”
Jetzt fragt man sich, wie kommen manche Leute dazu, Straßenlaternen zu fotografieren ?
Tja, fotografieren kann man natürlich alles, aber was macht den Reiz aus, eine Straßenlaterne zu fotografieren ?
Bei Türen kann man das ja noch verstehen, denn eine Tür ist ja ein Ursymbol des Lebens, Ein- und Ausgänge, drin – draußen, Verbindungen von draußen nach drinnen…
Straßenlaternen dienen ja eher der Beleuchtung, damit man im Dunkeln den Weg findet.
Tja, das ist aber nur die oberflächliche Bedeutung…
Zum Beispiel haben Straßenlaternen in der unwahrscheinlichsten aller Städte, in Venedig, auch eine ganz andere Bedeutung und Funktion, sie dienen nämlich der Orientierung, die natürlich kaum irgendwo anders so schwierig ist, wie in Venedig.
Wenn man genauer hinsieht, erkennt man an (fast) jeder Lampe ein kleines Schild, auf dem in roten Buchstaben die Abkürzung des jeweiligen Stadtteils von Venedig verzeichnet ist – SP bedeutet San Polo, DD heißt soviel wie Dorsoduro und SM San Marco usw.
Dies ist hier wichtig, weil es ja viele Gassen mehrfach gibt und eine Adresse in Venedig nur immer den Stadtteil und die Hausnummer beinhaltet.
Das Symbolhafte von Laternen (und Licht) kann man ja schon in der Bibel finden, genauso wie in alten Edgar-Wallace-Krimis mit Blacky Fuchsberger, der mit gezückter Waffe durch die schwach beleuchteten Gassen schleicht.
Wenn man nun ein Gefühl für das Künstlerisch-Kreative hat und die Kunst über vielem anderen steht, kann man mit offenen Augen in Straßenlaternen schon fast Kunstwerke erkennen.
Im hoch- und heiligen Bologna beherrscht man ja nicht nur die Kunst fantasievoller Türschlösser, die man an den wuchtigen Türen unschwer erkennen kann, sondern gestaltet mit dieser schmiedeeisernen Kunst auch Laternen, die ja den Blick des Besuchers dieser Stadt anziehen und das nicht nur im Dunkeln.
Fassaden im Querformat von unten gegen den Himmel, geben ja immer ein gutes Motiv für Stimmungsbilder, die wichtiger sind als alle Sehenswürdigkeiten, die man von unzähligen Urlaubsfotos her kennt.
Der (sogenannte) “Charme der Provence” ist ja nicht in bekannten Sehenswürdigkeiten zu erkennen, sondern spiegelt sich in abgeblätterten Fassaden mit halb-vergammelten türkis-grünen Holz-Schlagläden – und da darf eine Straßenlaterne natürlich nicht fehlen.
Wenn man jetzt noch versteht, das Ganze mit der magischen Farbe Blau des Himmels zu fusionieren, hat das Foto noch mehr Leben, wenn nämlich der Blick neben der Laterne auch noch in den Himmel geht.
Ohne Licht kein Schatten und da die Lichtverhältnisse ja das A und O der Fotografie sind, geben die Laternen, die einen Schatten an die Fassade werfen, die Lichtverhältnisse und sogar manchmal die Tageszeit wieder.
Nach dem Blau darf das Grün nicht fehlen.
Mit rankenden Pflanzen kommen die Laternen noch besser zur Geltung, weil man sie suchen muss und das ist als solches immer reizvoller fürs Auge, als wenn man sie auf einen Blick erkennt.
Bei der Kombination von etwas Bekanntem mit einer Laterne, geht einem nach kurzer Zeit ein Lichtlein auf, wenn man nämlich den berühmten Hintergrund erst auf den zweiten Blick erkennt.
Sevilla, die Stadt der Keramik-Kunst unter freiem Himmel, zeigt nicht nur die eierschalenfarbenen Fassaden, sondern das Ganze wird durch Laternen noch beleuchtet.
Auch bei Gegenlicht fallen einem die Orangen auf, die im andalusischen Sevilla an den Bäumen hängen, für die man im Heimatland auf dem Markt Geld bezahlen müsste.
Der Haken ist nur der, dass sie in einer gewissen Höhe hängen und dass nur der herankommt, der die Zweimeter-Marke überschritten hat.
Auch im mafia-geplagten Palermo kann man in nächtlicher Stunde ohne die Laternen doch ganz schön ins Schwitzen kommen, nicht nur wegen den auch nachts herrschenden lauen Temperaturen.
Jetzt kommt man zu der Ausgangsfrage zurück.
Wie kommt jemand dazu, Straßenlaternen zu fotografieren, ohne eine psychische Störung zu haben ?
Und dies schon seit Jahr und Tag…
Vor langen Jahren bekam ich das Buch “Die Fotografin” von einer gewissen Anne Chaplet (Cora Stephan) in die Hand.
Ich habe es damals mit Begeisterung gelesen.
Wechselnde Handlungsstränge an verschiedenen Orten : Frankfurt a.M. und das Nest Beaulieu in der Provence (!) – ein Ort, der wirklich existiert und rund 20 km nord-östlich von Montpellier in Süd-Frankreich liegt.
Dass man Karen Stark, Staatsanwältin in Frankfurt, dazu zwingt, ihren Resturlaub zu nehmen, kann nur einen Grund haben : Man will ihr den Fall Eva Rauch aus der Hand nehmen. Karen kann nicht glauben, dass die Buchhändlerin Selbstmord begangen hat. Warum sollte sie sich erschossen haben ? Und wieso ausgerechnet mit einer antiquierten ungarischen Pistole ? Karen spürt, dass irgendetwas nicht stimmt. Als sie erfährt, dass in Südfrankreich neben einer Toten eine Waffe gefunden wurde, die aus demselben Raubzug stammt, wie die Pistole, mit der sich Eva Rauch angeblich umgebracht hat, beschließt sie, ihren Urlaub in Süd-Frankreich zu verbringen… (Umschlagtext – gekürzte Form)
Ohne in eine lange Rezension zu verfallen, ist das Faszinierende daran nicht, dass es ein besserer Krimi ist, den man fließend herunter lesen kann, sondern der gefühlvolle Schreibstil, den die Autorin bei gewissen Szenen an den Tag legt.
Vor allem die Handlungsstränge in der Provence, wo sich mehrere Menschen, die sich als solches gar nicht kennen, aber eine gemeinsame Vergangenheit haben, nach langen Jahren wieder begegnen (keine schlechte Idee).
Dies war auch einer der Auslöser meiner Aufenthalte in der Provence in den Jahren 2014 und 2015 (man glaubt es kaum).
Genauso hatte mich das Foto der Original-Ausgabe sofort angesprochen, das eine Hausfassade eines provenzialischen (?) Hauses zeigt.
Hierdrauf ist allerdings keine Laterne zu erkennen (?!)
Ist ja nicht schlimm, trotzdem war es ein anregender Faktor für ähnliche Fotos (nicht nur in Süd-Frankreich).
Und als Krönung kommt noch der Titel “Die Fotografin” hinzu – was liegt da näher, als eine Reise in die Provence mit der Kamera unter dem Arm zu unternehmen und Fassaden zu fotografieren, ob nun mit oder ohne Laternen ?
In einer bewegenden Szene entdeckt die Protagonistin, die Millionenerbin Alexa Senger, in einem in der Provence erstandenen Haus im Keller die Foto-Ausrüstung einer verschollenen Fotografin (Ada Silbermann), lässt den in der Kamera nicht ganz vollen Film entwickeln und wartet gespannt auf das Ergebnis der letzten Fotos der Verschollenen.
Ein weiteres Zitat aus dem 1. Kapitel kann zu denken geben, nämlich, dass Geld nicht nur unabhängig machen kann, sondern auch einsam…
Sehr gut erkannt, Frau Chaplet… bzw. Frau Stephan.
Die Autorin des Buches lebt ein Doppelleben, was ja auch nicht ganz uninteressant ist, auf der einen Seite als Autorin von politischen und wirtschaftlichen Büchern (ich hoffe, dass ich richtig liege), und auf der anderen Seite als Autorin von besseren Krimis.
Im Winter 2004, als ich das Buch zum ersten Mal las, rannte ich sofort in die Bücherei und holte mir bergeweise Bücher von Anne Chaplet, doch kam keines an die Qualität der “Fotografin” heran, und ohne Frau Chaplet angreifen zu wollen, muss ich sagen, dass ich einige schon nach 20 Seiten beendet habe, während ich “Die Fotografin” bereits viermal gelesen habe.
Aber wenn man bedenkt, dass mich das Buch zu meinen Provence-Aufenthalten mitanimiert hat und das Deckblatt den Reiz für Fassaden-Fotos geweckt hat, war es im Nachhinein gesehen doch gut, dass ich das richtige Buch von Frau Chaplet durch Zufall in die Hand bekam, was ja hauptsächlich am Cover und am Titel lag.
“Geld kann nicht nur unabhängig machen, sondern auch einsam”
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* sh. auch meine Bilder-Galerie Avignon :
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