“…gewidmet dem Meister”
Dass Anton Bruckner großer Verehrer der Werke Richard Wagners war, ist allseits bekannt. Bei näherer Betrachtung aber nur halb …
Was Bruckner an Wagner und auch an Liszt fasziÂnierte, waren als solches nicht die Werke an sich, sondern das “Klangerlebnis”.
Als Musiker hat Bruckner nur eine Seite von Wagners Gesamtkunstwerken zur Kenntnis genommen, auch wenn die anderen zwei (Dichtung, Deklamation) wichÂtiger sind um die Werke zu verstehen.
Bruckner hat Wagner (als Komponist) aufs Höchste verehrt, Bruckners Blockade zur Symphonie ist erst durch die Kompositionen Wagners und gutes Zureden des Publikums und nahe stehender Freunde ĂĽberÂwunden worden.
Ob Bruckner Wagners Werke verstanden hatte, ist anzuÂzweiÂfeln, aber er brauchte sie ja auch gar nicht verstehen, er benöÂtigte nur die Partituren des verehrten “Meisters”.
Wagners hohe Kunst des Ăśbergangs, das nahtÂlose Gleiten der Klänge und Themen (was ein Markenzeichen der Wagnerschen Kunst ist) ist in Bruckners Werken nicht zu finden.
Jähe symphoÂniÂsche Eruptionen, Aggressivität und Steigerungswellen kommen in Bruckners Werken gehäuft vor, nahtÂlose Ăśbergänge spielen dabei keine Rolle.
Richard Wagner stammt vom Theater – Anton Bruckner vom Religiösen (vom Stift).
…gelunÂgene Widmung
Nach einem Kur-​Aufenthalt in Marienbad (1873) reiste er nach Bayreuth mit beiden Symphonien in der Tasche, die Zweite und die Dritte.
Sein Traum und Wunsch war es, dass sein groĂźes musiÂkaÂliÂsches Vorbild eines der beiden zur Widmung anerÂkennen wĂĽrde.
Wagners Zeit war knapp und er wies ihn erst einmal ab.
Bruckner in seiner unterÂwĂĽrÂfigen Art bettelte schon fast und lobte Wagners Scharfblick, sodass Wagner sich ĂĽberÂredet fĂĽhlte und ihn in den Salon bat.
Beim Einblick in die Zweite soll er nur “Recht gut…” gesagt haben, schien aber nicht unbeÂdingt sehr begeisÂtert zu sein, sodass er sie zur Seite legte und die Dritte vor sich ausbreiÂtete.
“Schau, schau…a was”. Er ging einen ganzen Teil durch und meinte, dass Bruckner die Partitur dort lassen solle und er sich nach Tisch diese noch einmal genauer ansehen würde.
Bruckner bettelte um die Annahme der Widmung des Werkes.
Wagner äuĂźerte nach längerer Begutachtung, dass ihm das Werk groĂźe Freude bereiÂtete und er es gerne widmen wird.
Die Widmung war angeÂnommen und Bruckner herzensÂfroh, dass der groĂźe Meister sich so enschieden hatte.
Das Versprechen das Werk aufzuÂfĂĽhren wurde allerÂdings nicht eingeÂhalten.
Erst 1877 wurde Bruckners Wunsch war, dass das Werk in Wien aufgeÂfĂĽhrt wurde, was allerÂdings durch gewisse Rahmenbedingungen ein Misserfolg war und die Zuhörer den Saal in Scharen verlieĂźen.
Die Noten wieder zusamÂmenÂrafÂfend verlieĂź Bruckner den Schauplatz dieser groĂźen Niederlage.
Erst 13 Jahre später (1890) wurde die Dritte in neuer Bearbeitung dann am selben Schauplatz Wien wieder aufgeÂfĂĽhrt und mit Jubel entgeÂgenÂgeÂnommen. Ein später Sieg.
Richard Wagner hätte damals zum Zeitpunkt der Widmung bestimmt nicht gedacht, dass die Brucknerschen Symphonien einmal Weltruhm bekommen sollten, während seine wenigen heute keinen Menschen mehr interÂesÂsieren und in Wagners Gesamtwerk nur ein unbeÂdeuÂtendes Randprodukt darstellen.
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Die Wagner-​Symphonie (No. 3 in D minor)
Kein Werk ist (neben der Vierten) so häufig umgeÂarÂbeitet worden, wie die Dritte Symphonie, es symboÂliÂsiert schon gewissen Ehrgeiz, stemÂpelt das Werk aber auch als “Sorgenkind”.
Drei Werkvarianten :
Urfassung (1872/​73)
2. Fassung (1876/​78)
3. Fassung (1887/​89)
Die Urfassung ist die längste aller Bruckner-Symphonien (wieviel genau ist mir nicht bekannt), hierbei konnte natĂĽrÂlich die Kritik ansetzen, die Bruckners Unbeherrschtheit und das unbeÂgrenzt MaĂźlose damals ablehnte.
Diese sogeÂnannte “Urfassung” enthielt auch einige Anspielungen an Wagner-Werke.
Sie wurde aber bis hin zur dritten Fassung stark gekĂĽrzt und sogar diese Einstreuungen von Wagner-Elementen wurde gekappt (!).
Die Dritte enthält allerÂdings nur wenige direkte kompoÂsiÂtoÂriÂsche Parallelen zu Richard Wagners Musik-​Dramen.
Dies zeigt schon die Tatsache, dass Bruckner Wagner ja zur Widmung die Zweite und die Dritte vorlegte (!)
In der Dritten Fassung werden wie bereits erwähnt ja sogar Wagner-Zitate gestriÂchen oder drasÂtisch gekĂĽrzt.
Zeitlebens nannte Bruckner das Werk “Wagnersymphonie”, vielÂleicht aus Stolz, dass sein groĂźes geisÂtiges Vorbild sie zur Widmung anerÂkannt hatte, allerÂdings enthält sie keine oder kaum merkÂbare Elemente und BezĂĽge zu Wagners Werken (3. Fassung).
Die dritte Fassung der Dritten Symphonie kommt heute in der Gesamtspielzeit der Zweiten nahe und umfasst etwas mehr als 55 Minuten.
Dieses ist auch die mir als Vorlage dienende aus dem Bruckner-Paket unter dem Dirigat von Valery Gergiev (sh. unten).
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Misterioso (1. Satz)
“Mehr langsam” (Tempoangabe)
Es ist natĂĽrÂlich nicht einfach in ein paar Zeilen den gesamten Charakter eines Satzes (in diesem Fall des 1. Satzes) zu analyÂsieren und faktisch genau darzuÂstellen, dies wĂĽrde den Rahmen dieses Beitrages auch sprengen und m.E. auch ein biĂźchen langÂweilig werden, somit versuche ich nur kurz und knapp ein paar WesenszĂĽge des jeweiÂligen Satzes verständÂlich darzuÂlegen.
Bruckner arbeitet hier wieder mit sogeÂnannten Themengruppen.
Die Formteile als solches sind im 1. Satz leicht erkennbar.
Zäsuren (Einschnitte, Pausen) trennen die Satzteile der Exposition, Durchführung und der Reprise.
Es treten oftmals scharf abgeÂrisÂsenen Phrasen auf.
Reprisen sind nicht nur die Wiederkehr von Grundtonarten und äußeren Themengestalten (“Neuerzählung des Beginns”), sondern auch Stimmung und Charakter des Themas, ähnlich Wagners Struktur der Exposition – Durchführung – Reprise.
Hier allerÂdings in einer Symphonie, bei Wagner auch in der Handlung, Dichtung, Choreografie etc. (im Programm).
Bruckners Reprisen stellen auch Zitate von vormals verwenÂdeten Hauptthemen dar, hier sogar aus der vorheÂrigen Zweiten Symphonie.
So eine Art Selbstvergewisserung.
Die Musik erscheint polyÂphon (vielÂstimmig, mehrÂstimmig) und mit motivisch-​thematischer Vielschichtigkeit. Die Soloinstrumente erscheinen wie ĂĽber einem Klangteppich weitÂgeÂschwunÂgener Melodien und Melodiebögen (könnte von mir sein).
Der Kopfsatz (1. Satz) ist mit knapp über 20 Minuten relativ lang, auch wenn Bruckner bei einzelnen wenigen Symphonien noch längere geschrieben hat.
Einzelne Sätze in Bruckners Symphonien erreiÂchen oft eine Länge von einer kompletten Beethoven-Symphonie.
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Adagio (2. Satz)
“Bewegt, quasi Andante” (Tempoangabe)
Das Adagio quasi Andante (2. Satz) ist langsam mit einem in sich ruhenden Beginn und in der 3. Fassung dreiÂteilig.
Im Mittelteil erscheint eine langÂgeÂzoÂgene Melodie, erst von Bratschen, dann von tiefen Streichern vorgeÂtragen und oftmals entsteht eine steiÂgernde, figuÂraÂtive Ausstattung.
Alles erscheint sehr feierÂlich und wĂĽrdeÂvoll (was an das Andante der Zweiten erinÂnert).
Drei Themenbezirke wechÂseln einander in freier Reihung ab.
Das Adagio hat von der Spieldauer ca. 14 Minuten, ähnlich dem 2. Satz der Zweiten Symphonie, der quasi ein Ruhepol des gesamten Werkes darstellt und sehr romanÂtisch klingt (sh. Beitrag “Der lange Weg zur Symphonie”).
Mich persönÂlich spricht der 2. Satz in der Zweiten mehr an und ist stimÂmungsÂmäßig besser zu greifen, bzw. zu begreifen.
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Trio (im Scherzo – 3. Satz)
“Ziemlich schnell” (Tempoangabe)
Das Scherzo (Trio, 3. Satz) ist nicht in media res (schneller plötzÂliÂcher Einstieg), sondern beginnt mit der Einleitung – eine Art Vorbereitung.
Nach ein paar Minuten erscheint eine Art “Drehfigur”, die auf den ersten Blick sich wie ein Wiener Walzer anhört und fast wie eine heiter-​tänzerische Beschwinglichkeit widerÂzuÂspieÂgeln scheint.
Allerdings wird diese Drehfigur nicht beibeÂhalten, sondern löst sich auf in rudiÂmenÂtäre Motivik.
Die wilde Ausgelassenheit wirkt fast schon leicht bedrohÂlich (was natĂĽrÂlich jeder anders empfindet).
Die Spieldauer dieses Scherzos (Trio) ist mit 7 Minuten idenÂtisch mit dem Scherzo der Zweiten.
Die Drehfigur (heiterer Tanzcharakter) vom Anfang wird im Mittelteil des Satzes pausenlos repeÂtiert (wiederÂholt) und scheint in der Motivik folkÂloÂrisÂtiÂschen Charakter zu symboÂliÂsieren.
Wem dies zu kompliÂziert erscheint (mir anfangs auch) höre sich einfach dieses eher kurze 7minĂĽtige Trio (im Scherzo) an, was immer noch die beste Darstellung ist.
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Wagner-​Symphonie ohne Wagner-Reminiszenzen
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Allegro (Finale – 4. Satz)
Der 4. Satz hat eine ähnliche Anlage wie der 1. Satz und ist in der 3. Fassung stark gekürzt.
Es wird von Bruckner wieder mit Themengruppen gearÂbeitet.
Eine Art Einleitung strömt eine quirÂlige Hektik aus, steht aber nur voran.
Vielleicht konnte oder wollte Bruckner nicht sofort zur “Sache” kommen und schickt eine ziemÂlich hektiÂsche Einleitung voran (?)
Mit dem 1. Thema dieses Finales schlieĂźÂlich greift Bruckner explizit und hörbar auf die Fanfare des 1. Satzes zurĂĽck.
Das wiederum bombasÂtiÂsche Ende (in Brucknerscher Art) wird durch die Fanfarengruppen quasi eingeÂleitet und läßt den 13minĂĽtigen Satz heroÂisch ausklingen.
Das komplette Allegro quasi Finale fand wenig Anklang.
Der veheÂmente oftmals brutale Duktus (Schriftfluss) des Finale-​Hauptthemas fordert auch heute noch den Hörer heraus.
Die Erwartungshaltung der Bezeichnung “Wagner-​Symphonie” konnte die Dritte nicht standÂhalten. DurchflieĂźenden Strukturen lassen sich (m.E.) nicht oder wenig erkennen, dadurch ist das Finale fĂĽr Hörer schwer nachzuvollziehen.
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Eine FortfĂĽhrung der Zweiten in die folgende Dritte ist durchaus erkennbar, aber die Zweite hat fĂĽr mich mehr Form und Passagen von starker Ausdruckskraft, die hängenÂbleiben.
Die Dritte Symphonie Bruckners trat schnell in den Schatten kommender Werke und wird dadurch auch weniger aufgeÂfĂĽhrt.
Sie prägt den Typus einer Bruckner-Symphonie erstÂmals voll aus, erscheint mir aber kompliÂzierter und läßt den Hörer schneller durchÂeinÂander kommen, vielÂleicht ein Grund fĂĽr die rastÂlosen Umarbeitungen Bruckners an diesem Werk.
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CD-​Tipp :
“Sämtliche Symphonien No.1–9“
Valery Gergiev – Münchner Philharmoniker
Label : MPhil DDD, 2017–2019
Erscheinungstermin : 20.11.2020
Aufnahme aus der Stiftsbasilika St. Florian /​ Linz
9 CD-​Box mit hochÂwerÂtigem Booklet
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*eingeÂfĂĽgte Grafiken hauptÂsächÂlich entnommen aus
(https://www.abruckner.com)
*Gewisse Passagen meines Beitrags wären nicht möglich
ohne teilÂweise Ăśbernahme und RĂĽckgriffe aus Fachquellen
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Weitere Beiträge in meiner Bruckner-​Reihe :