“Höhen- und Weitenrekord 2014”
Das Weihnachtsfest hat für mich so gut wie keine Bedeutung und da ich als Junggeselle keine Ambitionen habe an den Tagen zuhause zu bleiben, plante ich für die Weihnachtszeit 2014 ein Projekt in einer südlichen Gegend, wo die Temperaturen besser sind, als im heimischen Deutschland.
Meine Wahl fiel auf SEVILLA, wo es in der Weihnachtszeit 19° Grad tagsüber sind.
Traumhaftes Hotel in der Altstadt Santa Cruz mit Blick zum Giralda, dem Glockenturm der Kathedrale, dem ehemaligen Minarett der Hauptmoschee von Sevilla.
SEVILLA ist nicht nur die Stadt des Flamencos, der Keramik und der Orangen, sondern auch der Opern, da hier 3 große Opern spielen (Carmen, Fidelio, Der Barbier von Sevilla).
Diesmal wollte ich zwei persönliche Rekorde auf einmal brechen – den Höhen und Weitenrekord.
Für diese Aktion hatte ich mir das südlichste Hochgebirge Europas ausgesucht, nämlich die
S I E R R A N E V A D A
Die Vorbereitungen waren umfangreich, da ich noch nicht hier in Süd-Spanien war und die Gegend Neuland für mich war.
Ich hatte alles auf 3 Etappen gelegt mit dem Start in GRANADA.
Der Hochgeschwindigkeitszug von Sevilla nach Granada fährt 2,5 Stunden mit bis zu 240 Stundenkilometer, dadurch war ich in den frühen Nachmittagsstunden schon in Granada. Wer kennt nicht Granada – ein Lied von Fritz Wunderlich aus den 60ger Jahren, mein Vater hat es oft gesungen …
GRANADA kommt mit SEVILLA nicht mit, dass hat den ganz einfachen psychologischen Grund, dass in Granada viele Lücken mit modernen Bauten geschlossen sind, was oftmals äußerst störend wirkt.
Ein Quartier fand ich dann im ältesten Stadtviertel von Granada, in EL ALBAICIN.
Dieser Teil Granadas ist gut erhalten und zusammenhängend, also an der Bausubstanz nicht stark verändert worden und bleibt in Erinnerung durch die weiss getünchten Häuser.
Beim abendlichen Bummel in den Gassen fand ich etwas, was ich in Deutschland auf offener Straße noch nicht gesehen hatte, nämlich Cannabis-Tee (genauer gesagt : Rooibos Tee Cannabis mit Lemonengras).
Da ich ein großer Teefreund bin, griff ich natürlich zu.
Mal etwas anderes für abendliche Stunden im Heimatland bei Kerzenschein…
Die 1. Etappe begann einen Tag vor Heiligabend in den späten Morgenstunden des folgenden Tages.
Im Südteil der Stadt fließt der Fluss RIO GENIL, der sich Richtung Osten am Fuße der Sierra Nevada her fliest.
Der erste Stop war geplant in GÜEJAR SIERRA, ein kleiner Ort mit am Hang liegenden weissen Häusern am Fuße der Sierra Nevada.
Die Strecke ging fast flachweg durch einige kleinere Vororte von Granada bis zu einem atemberaubenden Stausee (Embalse de Canales), dessen türkisgrünes Wasser und daraus hervorstehende Felsnadeln mich an die Amalfiküste erinnerte.
Langsam näherte ich mich bei leichtem Anstieg und mit am Rand der Straße liegenden “Kakteen-Wälder” dem ersten Punkt und Stopp Güejar Sierra nach ca. 17 Kilometer.
Für den Aufstieg hatte ich 10 Stunden geplant, denn es wurde gegen 18.00 h dunkel.
Auch wenn die Tagestemperaturen zwischen 3–4° Grad lagen, wurde es in dieser Winterzeit in den Abendstunden empfindlich kalt.
Vom Balkon meines Hotelzimmers konnte ich die verschneiten Gipfel der bis zu 3.400 Meter ansteigenden Sierra Nevada (Mulhacen 3.481 m) bewundern.
Wenn man ganz oben ist, soll man bis rüber nach Marokko blicken können.
Ich hatte allerdings die Strecke bis an die Schneegrenze geplant, die um die 2.000 Meter liegt.
In den späten Abendstunden schaute ich mir den kleinen Ort mit einer Schule, einer Post und einem Geschäft kurz an und vor allen Dingen, wo ich am nächsten Morgen hoch musste, ein guter Trick, um am Beginn der Strecke nicht schon suchen zu müssen.
Der Aufstieg begann in den frühen Morgenstunden – es ging allerdings erst bergab in ein kleines Tal mit Bach und von dort begannen die Haarnadelkurven mit bis zu 22 % Steigung.
Ich blieb sicherheitshalber auf der GR-3200.
Der Ort mit den weissen Häusern blieb tief unter mir liegen.
Generell ist es ja so, um so höher man kommt, um so weniger gibt es an Natur.
Die kleinen Gehöfte wurden, um so höher ich kam, immer mehr Geisterhäuser, wo einst Menschen lebten, die irgendwann einmal diese Gegend verlassen haben – es wirkte alles immer verlassener.
In den Hochsommermonaten sind hier die Temperaturen sehr hoch, deshalb ist ein Aufstieg zur Weihnachtszeit ratsam, auch wenn es früher dunkel wird, und dann muss man unten sein, sonst .… (?).
Dieser Gedanke machte mir beim Aufstieg vorerst keine Sorgen, denn es war ja noch vormittags und die Temperaturen waren zwischen 3–4° C, eigentlich ideal für diese Route.
Der Ausblick zu den verschneiten Gipfeln des Mulhacen zeigten mir die Höhe, die heute nicht zu packen war.
Irgendwann nach 3,5 Stunden kamen die letzten (leerstendenden) hofähnlichen Gebäude und erste Schilder in Bezug auf Lawinengefahr.
Ich wich dann auf die A‑4025 aus, die mit ihren Kurven ab einer gewissen Höhe fast nur noch durch Gestein führt.
In 5 Stunden mußte ich es packen, denn herunter braucht man ja bei einer festen Straße etwas weniger als herauf.
Dass Bergsteigen eine Sucht ist, kann man verstehen, mein Aufstieg stand natürlich in keinem Verhältnis zu anderen Sachen in den Bergen.
An einzelnen Stellen kämpft die Natur sich durch, dass ist halt der Wille zum Leben, nicht nur in der Natur (Schopenhauer).
Die Besteigung des Hausberges von AIX in der Provence ein halbes Jahr später, kommt mir im Nachhinein anstrengender vor, das liegt allerdings nur an der Wegbeschaffenheit, die neben dem Wetter das Wichtigste ist (und natürlich der gesundheitlichen Verfassung).
An einer weiteren Astgabel ging es auf die A‑395, wo nach einer halben Stunde der erste Schnee kam.
Fast geschafft.…dann endlich kam die Markierung der 2.075 Meter und der Wintersportort SIERRA NEVADA zeigte sich mit skifahrenden Touristen auf den Pisten.
Ein wenig Erfolgserlebnis hatte ich nach diesen über 5 Stunden Aufstieg dann doch… …was schreibt Goethe : “Die Tat ist alles, der Ruhm nichts”.
Ich war noch nie ein Freund des Wintersports, deshalb blieb ich auch nur eine kurze Zeit und machte mich dann im Kampf gegen die Dunkelheit wieder auf den Rückweg.
Wenn es länger hell gewesen wäre, hätte ich den Rest zum Gipfel auch noch geschafft, doch dann wäre es zu heiß gewesen für diesen Aufstieg.
Der Abstieg verlief als solches relativ schnell und nicht so kräfteraubend, wie der Aufstieg, doch langsam kam die Dämmerung und die Temperaturen gingen dem Nullpunkt zu.
Es kamen auch kaum noch Autos, weder hoch noch runter.
Als ich im rettenden Tal war, ging es schon auf 18:00 Uhr und die Dämmerung setzte ein, nun war ich natürlich noch lange nicht wieder am Ausgangsort Güejar Sierra, denn ich musste ja auf der anderen Seite wieder hoch.
Nach über 9 Stunden dann doch noch kurz nach Sonnenuntergang im rettenden Hotel, wo man kein Wort Englisch sprach und die Gestikulation die einzige Verständigungsmöglichkeit war – noch unter der Dusche stehend dachte ich, wie sich so ein Hotel in dieser Einöde halten kann (?).
Der Rückweg am nächsten Morgen, nach einem gemächlich eingenommenen Frühstück, verlief parallel dem Rio Genil bis Granada, wie der Hinweg.
Als ich dann doch leicht geschafft am Bahnhof von Granada stand, schaute ich auf meinen Schrittzähler – 68,81 km reine Strecke.
Zu dem Zeitpunkt (2014) der Höhen- und Weitenrekord für eine 3 Etappen-Tour, der im kommenden Jahr gebrochen werden sollte, aber daran dachte ich zu dem Zeitpunkt noch nicht.
Was lernen wir daraus :
“Die Tat ist alles, der Ruhm nichts”
(Goethe)
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* weitere Fotos zur Sierra Nevada in meiner Bildergalerie Spanien :