“Die grüne Lunge Weimars”
Der Park an der Ilm mit seinen 48 Hektar Größe zieht sich kilometerlang als eine Art Landschaftspark am Rand der Altstadt von Weimar entlang dem Flüsschen Ilm.
Er erstreckt sich im Süden von Oberweimar bis hin zum Stadt-Schloss und zur Anna-Amalia-Bibliothek Richtung Norden leicht östlich zur Weimarer Altstadt.
Bei dem Park lokalisiert man den Zeitraum der Entstehung in die Epoche zwischen 1778 bis 1828.
Soweit schon einmal ein paar Zahlen und Fakten.
Pere Lachaise Paris
Wenn es um die Maß-Einheit Hektar (ha) geht, erinnert mich diese immer an meine frühe Paris-Begeisterung in jungen Jahren, denn hier blieb der Hektar dadurch haften, weil nämlich der Friedhof Pere Lachaise im Osten von Paris seine 44 Hektar misst.
Wenn man in der Schule aufgepasst hat, weiß man, dass ein Hektar (ha) 10.000 Quadratmeter sind – Pere Lachaise also sage und schreibe 440.000 Quadratmeter umfasst.
Diese sind ja dort auch nötig, bei den ganzen großen Geistern, die dort beerdigt worden sind, die brauchen schon etwas mehr Platz.
Allerdings bleibt der Pariser Friedhof hinter dem Weimarer Park zurück, obwohl ja hier gar keine großen Geister beerdigt worden sind, nämlich genau 40.000 Quadratmeter, schon eine ganze Menge.
Der Vergleich mit Pere Lachaise ist gar nicht so abwegig, da Pere Lachaise auch eher ein Park ist, als ein Friedhof und weil man dort auch von Erleben und Entdecken ohne Ende reden kann.
Soweit aber genug des Vergleichens von Parks mit Friedhöfen und großen Geistern.
Der Weimarer Park ist allerdings wesentlich mehr, als nur ein normaler Stadtpark.
Er weist schon von der Struktur her sowohl klassische, wie auch nachklassisch-romantische Züge auf (was immer man darunter verstehen mag).
Wenn einem aber bewusst wird, dass der Park an der Ilm eng mit dem Leben und Wirken des großen Dichterfürsten J.W.v.Goethe verbunden ist, wird einem schon nach eine paar hundert Metern das Besondere dieses Parkes bewusst.
Um wieder ein paar Zahlen zu nennen, sei zur Entstehung des Parkes zu erwähnen, dass der Herzog Carl August von Sachsen-Weimar-Eisenach dem Dichter Goethe ein Häuschen mit Garten im Jahre 1776 schenkte.
Heute ist es allseits bekannt unter dem Namen “Goethe Gartenhaus” (sh.unten).
Die ersten Bauarbeiten am Park, wie Plätze und Bauten, entstanden im Jahre 1778. In den darauf folgenden Jahren wurden Wege, kleine Brücken, felsige Durchgänge, kleine Höhlen und Höhlen-Eingänge, Sitzplätze und Teil-Ruinen errichtet.
Es folgten Denkmäler, die geschickt in die Park-Architektur integriert wurden, um somit den Rahmen eines normalen Parks zu sprengen.
Shakespeare-Denkmal
Ein gutes Beispiel ist das dem englischen Dramatiker und Lyriker
William Shakespeare gewidmete Denkmal, das (angeblich) einzige
Shakespeare-Denkmal auf europäischen Festland.
Die Platzierung in Weimar im Jahre 1904 lässt die Interpretation zu, dass die Stadt der beiden größten deutschen Dichter, nämlich Goethe und Schiller, Shakespeare als Vordenker und Vorbild für beide Dichter, auch ein Denkmal setzen wollte, wo ja ganz Weimar mit Erinnerungen an Goethe und Schiller überhäuft ist.
Ein weiteres Goethe-Denkmal im Park an der Ilm hätte den Rahmen gesprengt, da kam man auf die Idee, einfach dem “Vordenker” Shakespeare ein Denkmal zu setzen und somit indirekt Goethe und Schiller damit zu verehren. Keine schlechte Idee…
Shakespeare zeigt sich hier leicht zur Seite geneigt auf einem Marmorblock sitzend mit seinem linken Fuß auf einem mit einem “Narren-Hut” geschmückten Totenkopf, der auf einem Kranz mit Eichenlaub ruht.
Es soll ein Mittelding zwischen Humor und Melancholie sein – eine vielleicht allegorisch nicht abwegige Deutung der verwendeten Elemente von lyrischer Tragödie und Drama.
Das weitaus Interessantere an diesem Denkmal ist allerdings seine Positionierung.
Das Shakespeare-Denkmal ist nämlich geschickt auf einem leicht erhöhten Plateau vor einer künstlichen mit Efeu überwachsenen Ruine platziert und aus weißem Carrara-Marmor, was dem Italienfreund Goethe bestimmt gefallen hätte.
Also quasi eine gute Fusion des Dramatisch-Poetischen in die Natur mit dem Verfall des Menschlichen im Hintergrunde – da kann man natürlich seiner philosophischen Ader freien Lauf lassen.
Erlebnis- und Entdeckungspark
Man kann den Park a.d. Ilm schon als Vorläufer heutiger “Erlebnisparks” deuten, da man hier an vielen nichtahnbaren Stellen gewisse Überraschungen erleben, bzw. entdecken kann.
Wenn man nun mit offenen Auge durch diesen Park schreitet, erkennt man unschwer gewisse sogenannte “Sichtachsen”.
Dieses hat man äußerst geschickt für den Besucher sichtbar gemacht, in dem man im Boden kreisrunde Markierungen mit einen Pfeil eingelassen hat mit dem Hinweis, “… so…, bitte Mal hier hinstellen und dann hoch schauen in die Richtung des Pfeiles”.
Dann staunt man nicht schlecht, wenn sich einem so eine “Sichtachse” vor dem Auge offenbart.
So werden die markanten Punkte wie Goethes Gartenhaus, das Römische Haus und das Borkenhäuschen innerhalb des Parks miteinander verknüpft, aber auch Beziehungen zur Umgebung herstellen.
Gute Ideen sind immer gefragt.
Goethe Gartenhaus
Das bereits oben erwähnte Gartenhaus Goethes am Osthang des Parks bekam Goethe ja als Wohn- und Arbeitsstätte 1776 geschenkt.
Es bildet heute nicht nur einen Teil der Gesamtkomposition des Parks, sondern schon so eine Art “Herz” des Ganzen und gehört garantiert zu den meist fotografiertesten Häusern in Deutschland.
Hier sollte Goethe seine Ruhe und Muße finden, seine Werke zu verfassen und zu vollenden, was ja viele Künstler als Flucht aus der Hektik des Tagesgeschehens brauchen.
Wenn man die einfache und bescheidene Innen-Ausstattung der Zimmer vor Augen hat, erkennt man doch schnell Goethes Liebe zu Farben und antiken Skulpturen.
Genau wie in seinem Haus am Frauenplan werden markante Farbtöne wie Ockergelb, Taubenblau und Türkis verwandt, von denen sich die weißen Marmor-Büsten und Skulpturen gut abheben und eine gewisse klassische Atmosphäre entstehen lassen.
Am Rande erwähnt, hatte Goethe ja auch einen Hang zum Orientalischen, was man in dem umfangreichen Gedichtband “West-östlicher Divan” erkennen kann.
Dieses 600 Seiten umfassende Werk bestellte ich mir kurz nach meiner Rückkehr aus Weimar und werde sicher noch einige Wochen daran zu studieren haben.
An der Erneuerung der beim Erwerb des Hauses leicht heruntergekommenen Innen- und Außen-Ausstattung des Hauses, legte der Dichter mit viel Liebe selbst Hand an.
Goethe soll in den Jahren dieses Kleinod immer wieder gerne aufgesucht und bewohnt haben, auch wenn sein eigentlicher Sitz das Goethehaus am Frauenplan wurde, blieb das Gartenhaus bis zu seinem Tode sein Lieblingsaufenthaltsort.
Goethe hatte ja, wie bekannt, einen Hang zur Natur und Flora, und gestaltete hier seinen Garten mit gartenkünstlerischen Feinsinn zu einem Nutzgarten um.
Heute ist es allerdings nur noch ein Garten für die Augen der zahlreichen Besucher.
Am Ende des sich nach Norden hin streckenden Gartens steht der sogenannte “Stein des guten Glücks”.
Hierbei handelt es sich um eine Art Denkmal, das Goethe errichten ließ, es zeigt eine auf einem Kubus ruhende Kugel.
Hierbei kann man natürlich der Phantasie der Interpretation freien Lauf lassen.
Am sinnvollsten halte ich die Symbolik, dass nämlich der Kubus so eine Art Festigkeit und Beständigkeit darstellt, während die Kugel das Schwankende und Unbeständige symbolisiert.
Durch die Kombination beider Elemente wird quasi das “Schwankende” der Kugel vom “Stabilen” des Kubus zur Ruhe gebracht.
Man kann es dahingehend auslegen, dass Goethe hier das Glück am eigenen Haus und Garten zum Ausdruck bringen wollte.
Dieser “Stein des guten Glücks” war (zu damaliger Zeit) eines der wenigen nichtfigürlichen Denkmäler in Deutschland.
Überraschungen
Des Weiteren findet man im Park an der Ilm eine große Anzahl von “Elementen”, die man in einem normalen Park nur schwer findet, also quasi Überraschungen.
Die sogenannte Parkhöhle ist ein System von Stollen und Strecken, die 12 Meter unter der Erde sich unter dem Park erstreckt.
Höhlen und grottenähnliche Eingänge findet man immer wieder in diesem “Erlebnispark”.
Über dem Eingang zu einer Art blinden Stollen, befindet sich das sogenannte “Löwenkämpfer-Portal”, dieser Stolleneingang hat ausschließlich parkgestalterische Zwecke zu erfüllen.
Das Relief über dem Eingang zeigt wiederum die Phantasie einer gartenkünstlerischen Gestaltung – es zeigt den Kampf des Herakles mit dem Nemeischen Löwen.
Eine weitere “Überraschung” ist der sogenannte “Schlangenstein” (oftmals fälschlich als “Schlangensäule” interpretiert) am westlichen Ilmsteinufer.
Diese Skulptur ist eine Kopie und stellt eine sich um eine Säule windende Schlange dar, die oben auf in ein Opferbrot beißt.
Die Schlange als Symbol der Fruchtbarkeit durch ihr aufwärtsgerichtetes Winden um die Säule, weist auf die Kraft der Natur hin, die Inschrift “Genio huius loci – Dem Geist dieses Ortes” lenkt auf die harmonische Verbindung von Geist, Natur, Literatur und Kunst hin.
Wiederum ist dieses Objekt zu Ehren Goethes durch den Auftrag des Herzogs Carl August nach antikem römischen Vorbild angefertigt und aufgestellt worden.
Eine weitere “Überraschung” ist der sogenannte “Dessauer Stein”. Diese aus mehreren Steinen geformte “Natur-Skulptur” von 1782 ist zum Tode des Fürsten Franz von Anhalt-Dessau errichtet worden und hat eine Tafel mit der Aufschrift “Francisco Dessauiae Principi”, was soviel heißt, wie “Dem Fürsten Franz von Dessau”.
Ein weiteres Objekt fürs Auge (und die Kamera) ist die Ruine des sogenannten “Tempelherrenhauses”, ein im 18. Jhrt. aus einer Orangerie hervorgegangener Veranstaltungsort, der nur noch als Ruine erhalten ist, sich aber trotzdem gut in die Gesamt-Struktur des Parks einpasst.
Von Zeit zu Zeit trifft man beim Wandeln durch den Park auch ohne Schwierigkeiten auf Belehrungen und hoffnungsgebende Zitate und Sprüche, die zum Verweilen einladen.
Römisches Haus
Das “Römische Haus” ist ein Gebäude am Rand des Parks, was zwischen 1791 und 1798 unter der Leitung von Goethe als Gartenhaus für den damaligen Herzog Carl August von Sachsen-Weimar und Eisenach erbaut worden ist.
Der Eingangsbereich hat eine viersäuligen ionischen Vorhalle und von der Ilmaue aus blickt man auf einen rustizierten Unterbau, dessen Halle von massiven dorischen Säulen getragen wird.
Architektonisch ist seine Anlehnung an einen römischen Tempel nicht von der Hand zu weisen, diese Ideen brachte Goethe von seiner Italienreise mit.
Es ergibt sich auch oftmals der Eindruck, als sei es als Tempel auf den Ruinen eines antiken Bauwerks errichtet worden, vor allem, wenn man die Perspektive von unten zum Himmel hoch wählt.
Durch die Hanglage mit Blick nach Osten bietet sich Platz für einen kleinen Brunnen, der überdacht ist – diese Überdachung wird von dorischen Säulen getragen.
Wiederum bietet sich von hier eine interessante “Sichtachse” bis zu Goethes Gartenhaus.
Das Römische Haus beherbergt nach langer Geschichte in der heutigen Zeit ein Museum. Von weit her gesehen, gibt es der Parkanlage schon einen antiken Charakter, war in frühen Jahren Nutzbau und beinhaltet heute eine Dauerausstellung.
Franz Liszt-Denkmal
Ein weiteres Denkmal nahe dem Shakespeare-Denkmal stehend, ist das Franz-Liszt-Denkmal.
Am Westrand des Parks liegt auch das ehemalige Wohnhaus des großen Komponisten, Dirigenten und Pianisten Franz Liszt, der hier in den Jahren 1869 bis 1886 wohnte.
Dieses Gebäude ist auch ein gelungener Teil der “Weimarer Klassik”.
Der Herzog Carl Alexander stellte 1869 Franz Liszt die obere Etage des Gebäudes zur Verfügung, in der der Komponist bis zu seinem Tod 1886 jährlich mehrere Monate weilte.
Auf Einladung des Großherzogs begann hier für Liszt sein zweiter Weimar-Aufenthalt.
Die komfortabel ausgestattete Wohnung nutze Liszt nur in den Sommermonaten, da er sonst in Rom oder Budapest weilte.
Hier in Weimar konnte er seine Tätigkeit als Lehrmeister bekleiden und unterrichtete in seinem Wohnhaus junge und begabte Pianisten.
Die heutige Memorialstätte zeigt Wohn- und Arbeitszimmer als zentralen Salon und blieb in der ursprünglichen Einrichtung erhalten, Schlaf- und Speisezimmer wurden später rekonstruiert.
Das Gebäude liegt zwar nicht direkt im Park, ist aber auch wegen dem Denkmal mit in die Park-Konstruktion eindenkbar.
Es hat auch einen kleinen anliegenden Garten, der auch lohnt ins Visier der Kamera genommen zu werden, wie man im unten zu sehenden Foto unschwer erkennen kann.
Dieses ist bereits das dritte Liszt-Museum neben Budapest und Bayreuth, was ich aus Verehrung für Liszt und dessen Werk und für den Schwiegervater Richard Wagners besucht habe.
Resümee :
Der Park an der Ilm in Weimar ist auf keine Fall als ein normaler Stadtpark zu sehen und einzuordnen.
Er ist nicht nur von seiner Struktur her, sondern auch von seiner langjährigen Geschichte ein Werk, was man nicht an einem Tag erfassen kann.
Es beinhaltet schon fast wie ein Zaubergarten, viele Dinge, die man in einem normalen “Stadtpark” nicht findet, wie zum Beispiel Denkmäler, Grotten, überwachsene Ruinen, Teile alter Gebäude, tempelartige Wohnstätten, Säulen, Durchgänge, Reliefs, in den Felsen eingelassene Zitate und Memorial-Stätten.
Dies alles macht den Reiz dieses parkähnlichen “Gesamtwerkes” aus.
Nachtrag :
Mein erster Besuch in Weimar im Jahre 2003 ließ mich am Römischen Haus noch leicht skeptisch wirken…
…was 15 Jahre später im Jahre 2018 dann doch überwunden zu sein schien.
Dass zwischen den beiden Aufenthalten 15 Jahre (!) liegen, zeigt, wie schnell die Zeit vergeht, auch im Park an der Ilm im Musensitz Weimar.
Was lernen wir daraus :
“Fantasie ist wichtiger als Wissen,
denn Wissen ist begrenzt”
*Weimarer Klassik (https://www.klassik-stiftung.de)