“Mafia in der Nacht”
PALERMO galt schon immer als die Hochburg der Mafia in frühen Jahren, wie auch heute.
Dieses sollte man sich bei einem Besuch in Sizilien allerdings nicht vor Augen halte, warum…?
Ganz einfach, weil man es (als Tourist) nicht merkt !
Als ich nach meinem Weihnachtsaufenthalt im Jahre 2008 in Palermo ins heimische Deutschland zurückkehrte, bekam ich durch Zufall einen Stadtplan in die Hand, auf dem die Einzugsbereiche der verfeindeten Mafia-Familien eingezeichnet waren, und das millimetergenau.
Mein sehr luxuriöses Hotel, was schon einem byzantinischen Palast glich, lag nahe am Quattro Canti, dem Schnittpunkt der beiden Hauptachsen der 3.000 Jahre alten Altstadt, der Corso Vittorio Emanuele und der Via Marqueda.
Und genau hier verlief eine Grenze zwischen zwei Konkurrenten fast genau durch meine Hotel.
“Oh, Mann…”, dachte ich, “…da hasse ma wieder Glück gehabt!”
Dieses ist allerdings ein Fehldenken vieler Reisender, denn seit dem Jahre 2012 gibt es in Italien flächendeckend eine sogenannte “Bettensteuer”.
Dieses bedeutet, dass man pro Nacht einen gewissen Betrag zu der normalen Rechnung zahlen muss, der sich nach den Sternen des Hotels und nach der Lage (und der jeweiligen Stadt) berechnet.
Er wird bei der Abreise bar vor Ort beglichen.
Dass heißt, dass Städte wie Verona, Florenz und Venedig natürlich eine wesentlich höhere “Bettensteuer” haben, als kleinere Städte oder eher unbekannte Orte.
Dieses muss man sich dahingehend durch den Kopf gehen lassen, dass man dann als Tourist quasi “geschützt” ist, das hört sich komisch an, aber man weiß, dass man bei einem Aufenthalt unter dem “Schutz” der Mafia steht, aber nicht nur vor ihr selbst, sondern auch vor diebischen Zugriffen Einheimischer.
Bei einem Überfall (oder Diebstahl) eines Einheimischen gegenüber einem Besucher, würde dieser sich sein eigenes Grab schaufeln, weil er damit ja einen “Kunden” der Mafia verscheucht.
Es hört sich makaber an, aber es lohnt sich schon den geringen Betrag zu opfern und damit eher geschützt zu sein, als bedroht.
Diese “Bettensteuer” gibt es wie gesagt seit 2012 und mein Aufenthalt in der (angeblichen) Hochburg der italienischen Mafia war ja im Jahre 2008 …
Ich hatte also doch Glück gehabt…
Allerdings lasse ich mir eines in keiner Stadt nehmen, und das sind die Nacht-Eindrücke, ob nun mit oder ohne Mafia…
Die Nächte sind im weihnachtlichen Sizilien eher frisch und manchmal nass und neblig, für einen reinen Weihnachts-Flucht-Aufenthalt (der bei mir öfter ansteht) sollte man hier nicht mit strahlenden Sonnenschein im Dezember rechnen, da muss man schon etwas tiefen nach Marrakesch reisen, wo ich im Jahre 2016 gewisse Parallelen zu Palermo sah, auch wenn beide Städte auf verschiedenen Kontinenten liegen.
Marrakesch weist allerdings Weihnachten weit über 20° C auf und man kann dort in der Sonne liegen.
Trotz gewisser verschlechterter Lichtverhältnisse und wetterbedingter Einschränkungen, zog HerrRoth wieder einmal mit Kamera und Stativ “bewaffnet” durch die Gassen, Corsos und Plätze und die Ergebnisse wirken schon oftmals surreal.
Palermo besitzt aus frühen Jahren mehrere alte “Stadttore”, wobei man immer bedenken muss, dass die Literatur schnell täuschen kann, denn von vielen “Baudenkmälern” sind eher nur noch “Ruinenmäler” geblieben, in dieser durch Armut und Mafia gezeichneten Stadt.
Wenn man am noch relativ gut erhaltenen Stadttor Porta Felice am Hafen La Cala im Osten steht, schaut man schnurgerade durch die Via Vittorio Emanuele zum im Westen liegenden Porta Nuova.
Man merkt doch, dass die Straßen angelegt worden sind, als es noch keine Autos gab und die Pferde-Kutschen Vorfahrt hatten (Goethe war ja auch nicht mit dem Auto hier) – bei dem großen Verkehrsaufkommen ist ein Durchkommen (mit dem Auto) eher unwahrscheinlich.
Bei nächtlichen Exkursen sollte man als erstes natürlichen den Dom von Palermo (Cattedrale Maria Santissima Assunta) vor die Linse nehmen.
Hierbei hat man ein immenses Bauwerk aus dem 11. Jahrhundert vor sich, was der Zerstörung des Menschen entgangen zu sein scheint.
Am Heiligen Abend, es war ein Mittwoch, bewunderte ich sogar den Sarkophag des Stauferkönigs Friedrich II., der sich in seinen Regierungsjahren hauptsächlich in Italien aufhielt.
Wie das Klima in den Dezemberwochen vor dem Jahreswechsel zu damaliger Zeit aussah, ist schwer nachzuvollziehen.
Als ich dann am 1. Weihnachts-Feiertag 2008 abends noch einmal zur Kathedrale, die nicht weit vom Quattro Canti und meinem Hotel lag, zwecks Fotos gehen wollte, kam eine gewisse “Erleuchtung”, weil der ganze Komplex um das riesige Gebäude mit einem geschlossenen Zaun abgeriegelt war.
“…ich muss doch besser wieder in die Kirche eintreten im heimischen Deutschland”, dachte ich ; ob ich zu weiteren Fotos dann allerdings noch einmal an den Dom herangekommen wäre, ist fraglich.
Neben den kaum noch erhaltenen “Stadttoren” und dem Dom, gibt es ein weiteren Objekt für das nächtliche Begehren.
Wie man wissen sollte, ist Italien ja das Mutterland der Oper (da ist es ja verständlich, dass Richard Wagner mit seine revolutionären Ideen es in Italien nicht einfach hatte) – dadurch darf in keiner Stadt ein Bauwerk fehlen, und das ist das Opernhaus oder Theater.
Und ein Weiterer darf ja auch nicht fehlen, und dies in keiner Stadt Italiens, und das ist Giuseppe Verdi, der in Italien schon wie ein Heiliger und Volksheld verehrt wird und nicht wie ein Komponist.
Die Büste des Komponisten thront schmunzelnd vor dem Teatro Massimo.
Wie das ganze Bauwerk in abendlicher Stunde zur Weihnachtzeit wirkt, geben die Fotos nur zum Teil wieder.
Abgesperrt war auch dieses prunkvolle Gebäude, was schon einem griechischen Tempel gleicht.
Ein Symptom, was mir in ganz Italien immer wieder aufgefallen ist - egal wo man ist, merkt man, dass den Italienern ihre Opernhäuser doch heilig sind.
Denn man kommt als touristischer Besucher in so gut wie kein Haus (zu einer Führung) herein, sie sind so gut wie alle nur den Besuchern der Aufführungen am jeweiligen Abend geöffnet.
Man steht also fast überall vor verschlossener Tür.
Für den normalen Durchschnitts-Touristen sind dieses Gebäude ja auch eher ungeeignet (wenn ich einmal leicht überheblich sagen darf), aber für wirklich Interessierte sollte man ein Auge zukneifen.
Die architektonische Konstruktion ist ja für die Optik und Akustik von großer Bedeutung und dahingehend auch für HerrnRoth als Wagner-Verehrer interessant.
Aber wahrscheinlich hätte man mich dann doch rausgeschmissen, wenn ich den Namen des einst ungeliebten Deutschen hier genannt hätte.
Zu guter (Vor)Letzt gibt es ein weiteres “Bauwerk”, was im nebligen Weihnachts-Palermo sich meiner Linse eher trüb erscheinen ließ, und das ist der unbeliebte Brunnen Fontana Pretoria.
Aber warum ist der Brunnen unbeliebt ?
Der Brunnen, bzw. Brunnen-Komplex war vormals erst für Florenz gedacht und entworfen worden.
Der Auftraggeber verstarb noch vor der Fertigstellung und sein Sohn verkaufte den Brunnen einfach ans sizilianische Palermo, wo extra ein Platz (Piazza Pretoria) vor dem Rathaus (Comune Di Palermo) eingeebnet wurde.
Das Unbeliebte des Brunnens hat allerdings eine anderen Grund.
Wenn man nämlich den zur Weihnachtszeit auch abgeriegelten Brunnen-Komplex, näher betrachtet, merkt man etwas, was eine in der heutigen Zeit eigentlich gar nicht mehr stören sollte.
Die Statuen der Flussgötter und Nymphen sind zum größten Teil nackt, …na und…?
Es zeigt sich wieder eine gewisse Doppelmoral bei den Menschen, denn in der heutigen Zeit (!) wurden immer wieder Teile von den Skulpturen abgeschlagen (welche bloß?), was schon an Vandalismus grenzt und nichts mehr mit Moral zu tun hat.
Am Tag einen auf Moralisch machen und des Nachts die Geschlechtsteile von armen Fluss-Göttern abschlagen…
Deshalb war er wahrscheinlich auch abgesperrt, sonst hätte ich noch irgendein Teil einer dieser Skulpturen abgeschlagen, ins nahe liegende Hotel geschafft und mit in die Heimat genommen, aber ob es in Deutschland mit der Doppelmoral besser steht, als in Italien, sollte man hier besser offen lassen.
Zu guter Letzt (der Brunnen war ja Vorletzt) sollte man sich auch in nächtlicher Stunde, einem Platz zuwenden, der keiner ist.
Es ist der sogenannte QUATTRO CANTI (Quattro Canti di città), was soviel wie “vier Ecken” heißt.
Es ist als solches gesehen gar kein Platz, sondern der Schnittpunkt der Eingangs erwähnten beiden Hauptachsen Corso Vittorio Emanuele und der Via Maqueda, die die Altstadt von Palermo schnurgerade durchschneiden, vom östlich liegenden Hafenbecken Richtung Westen zur Kathedrale und vom nördlich gelegenen Teatro Massimo vorbei am ungeliebten Brunnen Richtung Haupt-Bahnhof (Palermo Centrale) im Süden.
Hier zeigt sich, wie man aus einem Kreis ein Gebilde mit 4 Ecken macht, auch nicht ganz uninteressant.
Wenn man bei den Tatsachen bleibt, ist der Quattro Canti eine Straßenkreuzung, die an vier “Ecken” von barocker Architektur eingerahmte Fassaden ehemaliger Palazzos besitzt.
Einer der vier Teil-Fassaden liegt immer in der Sonne, was “Teatro del Sole” als Namen besser erscheinen ließe.
Die Fassaden der einst vier Paläste sind konkav geschwungen, dreigeteilt und mit Statuen und antiken Säulen verziert.
Ohne ins Detail zu gehe über die historischen Herkunft, ist es schon fast wie eine optische Täuschung, wenn man zu nächtlicher Stunde bei geschrumpften Autoverkehr, sich einmal in die Mitte der Kreuzung stellt und mit geschlossenen Augen um sich selbst herumdreht.
Die auf den ersten Blick (fast) gleich erscheinenden Fassaden, weisen doch leichte Abweichungen in der barocken Architektur auf, aber wenn man wieder die Augen öffnet, hat man schon immense Schwierigkeiten den richtigen Teil der richtigen Himmelsrichtung zuzuordnen.
Um abschließend noch einmal zum Thema “Doppelmoral” zurückzukommen, zeigen sich auch am Quattro Canti gewisse erotische Tendenzen, und zwar an allen den Platz umgebenen Laternenpfählen, die ja untrennbar zur Architektur dieses ungewöhnlichen “Platzes” gehören.
Aber da schaut man besser drüber hinweg, denn ein Abschlagen oder Abbrechen bestimmter Teile wäre hier etwas schwieriger, als am “ungeliebten” Brunnen.
“Palermo … für Dich!”
(Partitur Parsifal. 25.12.1881 / Richard Wagner)
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* weitere Fotos zu Palermo in meiner Bildergalerie Italien :