Im Rausch der Sinne

Erotische Symbolik im “Tannhäuser”
von Richard Wagner

Teil 1

Fast alle Werke RICHARD WAGNERS enthalten starke Symbolik, was schon manchmal in die Richtung Pornografie geht, worüber man heute lachen würde.
Nur zu dem dama­ligen Zeitpunkt sah es mit diesem Thema anders aus – Wagner hatte mehr­fach Probleme seine Werke oder die Betitelung seiner Werke durch die Zensur zu bekommen, was die Konsequenz hatte, dass er die Werke teil­weise umti­tu­lieren musste. 

Hier sticht ein Werk hervor, was eine gebün­delte Erotik beinhaltet, andere Werke stehen daneben immer noch leicht zurück, und dies ist sein TANNHÄUSER und der Sängerkrieg auf Wartburg.
Hierbei sei am Rande bemerkt, dass es auf und nicht auf der heißt.
Dieses kommt durch den Titel in landes­üb­li­cher Sprache : “Tannhäuser und der Sängerstritt uf Wartburg”.
Bei der berüch­tigten, abwe­gigen soge­nannten “Pariser Fassung” heisst der Titelheld aller­dings noch Tannhauser und nicht Tannhäuser (mit ä), was sich erst danach einbürgerte.

Wagner wollte das Werk erst “Der Venusberg” nennen, was nicht zuge­lassen wurde, somit ging er über zum heute bekannten Titel.

Wartburg Burghof um 1919

Von diesem Werk, was im Schaffen Wagners das Umbruchswerk darstellt, exis­tieren durch konti­nu­ier­liche Veränderungen seines Schöpfers viele Fassungen, alleine vier auto­ri­sierte Fassungen und unzäh­lige Mischfassungen.
Bei jeder Aufführung oder Aufnahme muss immer auch die Fassung mit ange­geben werden (Ur-​Tannhäuser, Dresdener Ur-​Aufführungs-​Fassung, Pariser Fassung, Wiener Fassung).
Bei der soge­nannten Wiener Fassung handelt es sich der Information wegen eigent­lich nur um eine (aus dem Französischen) rück­über­setzte Fassung der Pariser Fassung, quasi die zweite Pariser Fassung, bei der neben verschie­denen Kürzungen, auch von Wagner die ehema­lige Ouvertüre benutzt wird, aller­dings zum ersten Mal nahtlos in den 1. Act hineingehend. 

Mit der Pariser Fassung wollte Wagner in der Grand Opera in Paris Fuß fassen, was aber kläg­lich schei­terte.
Deshalb ist diese Pariser Fassung auch eher selten auf den Bühnen zu sehen.
Von meinen 23 Tannhäusern waren nur vier die Pariser Fassung, aller­dings in deut­scher Sprache, was zeigt, dass es auch nicht die reine Pariser Fassung ist.

Eine beliebte und häufig gespielte Fassung ist eine Mischfassung, nämliche die “Dresdner Fassung” mit dem Pariser “Bacchanal” des 1. Actes der “Pariser Fassung”.
Und dieses “Bacchanal” (unge­zü­geltes, ausschwei­fendes Fest, Trinkgelage) alleine enthält einen starken Bordellglanz mit Rotlicht und eroti­scher Rauschhaftigkeit.

Im Zentrum steht aller­ding eine, und dies ist die VENUSGÖTTIN, die in ihrem Reiche herrscht, regiert und alles in ihren Bann schlägt (mit den Waffen der Frau).
Und wie schrieb Wagner : “Jede Frau hat einen Teil Hexe, Hure
und Heilige“
Und in jedem Mann steckt ein Teil Tannhäuser.

Hier ist die VENUS natür­lich die Hure und ihr Gegenpol die ELISABETH in der geord­neten Gesellschaft auf der Wartburg die Heilige (abge­leitet von der Sage der Heiligen Elisabeth).
Zwei Frauengestalten aus gegen­sätz­li­chen Welten, die mythi­sche Göttin der Sinnlichkeit, Herrscherin über das unter­ir­di­sche Freudenhaus und die jung­fräu­liche Fürstin der Wartburg.
Tannhäuser heißt auch nur Tannhäuser im Venusberg, in der geord­neten Gesellschaft der Wartburg heißt er Heinrich von Ofterdingen.
Dies symbo­li­siert seine gespal­tene Persönlichkeit, sein hin und her geris­senes Dasein, seine innere Zerissenheit. 

Das Bacchanal (der Pariser Fassung) beginnt mit dem soge­nannten
Sirenenbad”.
Sirenen symbo­li­sieren Nixen, Elfen, Amoretten, Satyren, Faunen, also weib­liche Fabelwesen.
Hier sei der verfüh­re­ri­sche Gesang dieser Sirenen zitiert :

Naht euch dem Strande,
naht euch dem Lande,
wo in den Armen
glühender Liebe
selig Erbarmen
still’ eure Triebe !

Man erkennt in diesem verfüh­re­ri­schen Gesang schon durch einzelne Worte, worum es geht : orgi­as­ti­sche Triebe, glühende Liebe.

Es zeigt den Rausch des Eros (sh. Beitrag : Der Fluch des Eros), aber im Laufe des Werkes wird immer deut­li­cher, dass dieser Rausch zum Fluch wird (ähnlich Rauschgiften, die schnell zur Sucht werden können).
Bereits hier soll das Rauschhaft, Triebhafte der eroti­schen Liebe symbo­li­siert werden, wo man nicht mehr Herr seiner Sinne ist, wenn aller­dings das Rauschhafte endet, endet alles…
Der Erostrieb, ein Trieb der Wonne und Fluch glei­cher­maßen bedeutet.
“Ohne Geschlechtstrieb gäbe es keine Menschen” (Schopenhauer).

Schon durch diese Einleitung (in der Pariser Fassung) erkennt man als geübter Hörer in der Rhetorik, wohin der Weg geht.

Schau mir in die Augen

Die Venusgöttin versucht den zwei­felnden Tannhäuser in ihrem Venusberg (!) zu halten, Tannhäuser zeigt aber schon im drei­ma­ligen Anstimmen des “Preisliedes an die Venus”, dass er allem entfliehen will, er wieder die Schönheit der realen Erde genießen will und nicht den Schein des Rauschhaften.

Immer stärker wird der Zweifel, bis die Venus zu dem markanten (und bekannten) Zitat als letzte Rettung greift :

Geliebter, komm ! Sieh dort die Grotte,
von ros’gen Düften mild durch­wallt !
Entzücken böt selbst einem Gotte
der süß’sten Freuden Aufenthalt :
besänf­tigt auf dem weichsten Pfühle
flieh’ deine Glieder jeder Schmerz,
dein bren­nend Haupt umwehe Kühle,
wonnige Glut durch­schwell’ dein Herz.
Aus holder Ferne mahnen süße Klänge,
daß dich mein Arm in trauter Näh’ umschlänge :
von meinen Lippen schlürfst du Göttertrank,
aus meinen Augen strahlt dir Liebesdank : -
ein Freudenfest soll unsrem Bund entstehen,
der Liebe Feier laß uns froh begehen !
Nicht sollst du ihr ein scheues Opfer weihn, -
nein ! – mit der Liebe Göttin schwelge im Verein.

Geliebter komm ! Sieh dort die Grotte…

Jetzt geht es richtig zur Sache (heute würde man HardCore sagen).

Wenn man diesen Teil des Librettos (1. Act) liest, merkt man, worum es der Venus geht und wie sie alle Register ziehen will, Tannhäuser in ihrem eroti­schen Bann zu halten, in der Üppigkeit und Wollust ihres Reiches.
Am Rande sei bemerkt, dass der nahe gele­gene Hörselberg vagi­nale Grotte hat, die sogar im Ur-​Tannhäuser mit in die Handlung einge­schlossen sind.

Vaginale Grotten

Bei meinen zahl­rei­chen Besuchen in Eisenach bin ich sogar im Jahre 2006 einmal inter­es­sens­halber den Hörselberg von hinten hoch, um in eine dieser Grotten zu gelangen (sh. Foto), dieses ist mir auch gelungen (mit Interesse fängt ja alles an).

Wenn man es weiter­inter­pre­tiert, zog mich die Grotte auch an (genau wie Tannhäuser), was dieses schon fast waghal­sige Unternehmen zeigte, aber welchen Mann zieht dies nicht an (also nicht der Hörselberg, sondern die Grotten der Frau)?

Wie schreibt GOETHE hierzu im Faust : “Das Ewig-​Weibliche zieht uns
hinan.“
Für so etwas ist unser Goethe natür­lich gut zu gebrau­chen.
Als sich immer mehr zeigt, dass Tannhäuser kaum noch zu halten ist, beschimpft die Venus ihn schon als Wahnsinnigen und Verräter in erbosten Zorn.

Aber die Venus läßt nicht locker, sie legt Tannhäuser nahe, wie kalt und verflucht das Menschengeschlecht ist (womit sie ja Recht hat) und er den Fehler macht, sein Heil in der realen Welt zu suchen (womit sie in gewisser Art und Weise auch Recht hat).

Immer mehr bricht das Bündnis bis zu dem Punkt, als Tannhäuser den Gegenpol zu der Venus erkennen läßt, nämlich die ELISABETH (die für das Helige steht), also die jung­fräu­liche Hauptrivalin, die Ihre Macht (Venus) bricht :

Mein Heil ! mein Heil ruht in Maria!”

Maria steht hier (wieder einmal symbo­lisch) für die Reinheit und Treue.

In einer Art plötz­li­chen Umbruchs ist die Macht der Göttin gebro­chen und sie verschwindet (Regieanweisung : Furchtbarer Schlag. Venus ist verschwunden).

Dieses ist nicht das Ende des 1. Actes, sondern das Ende der 2. Scene dieses Actes (die 1. Scene ist das Sirenenbad).
Damit ist das eigent­liche Thema, nämlich die Erotik erst einmal (zumin­des­tens in diesem Act) beendet.

Was lernen wir nun aus dieser 2. Scene ?

Die Symbolhaftigkeit der Erotik ist hier durch vagi­nale Grotten, durch die herri­sche Venusgöttin im Venusberg (!), durch Düfte, durch süße Klänge, durch Freudenfeste, durch Göttertrank, , wonnige Glut, bren­nende Häupter, glühende Liebe und Triebe kaum zu über­bieten.
Aber auch wenn es dann abflammt, tritt es wieder auf (Das Sehnen, das furcht­bare Sehnen), und dieses Wiederaufflammen kommt dann im Finale des Werkes.

Die Intensität wird erst in dem besagten Finale weiter­ge­führt, als sich der Venusberg wieder öffnet (!), und die Venusgöttin wieder erscheint.

Reuter-​Wagner-​Museum Eisenach

Anlass zu diesem Beitrag war mein vier­zehnter Besuch der halb-
szeni­schen Aufführung von Wagners “Tannhäuser” im Festsaal der

Wartburg, wo ich dieses Mal zwei kurz hinter­ein­ander liegende
Aufführungen besuchte (also mein 14. und 15. Tannhäuser uf Wartburg)
mit zwei verschie­denen Plätzen (Oktober 2022).

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*Weiterführung “Im Rausch der Sinne” Teil 2 :

(Sonstiges)

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