Avignon bei Nacht (Okt. 2014)

Sur le pont d’Avignon
 L’on y danse, l’on y danse

 Sur le pont d’Avignon
 L’on y danse tout en rang”
(Die Brücke von Avignon)

Ein jeder kennt das Gefühl, wenn man endlich an dem Ort ist, für den man schon lange gespart hat, lange Vorbereitungen getroffen hat, Terminabsprachen, Urlaubsplanstreitereien mit Kollegen…den Ort, den man bis dato nur aus der Literatur oder von Fotos kennt … dort, wo man schon so lange hin will…
…und dann ist man da !

Wenn ich im jewei­ligen Hotel ange­kommen bin, reiße ich mir im wahrsten Sinne des Wortes die Kleidung vom Körper, springe unter die Dusche (stoße mir meis­tens das Knie dabei), springe danach in die Jeans und renne mit noch nicht zuge­bun­denen Schuhen aus dem Hotel mit meiner Kameratasche um die Schultern.
Draußen binde ich mir meis­tens den rechten Schuh zu, denn dieser geht immer eher auf, als der linke, und stürze mit der Kamera im Anschlag in den Strudel der Gassen, zum Objekt der Begierde, zum lang Ersehnten…

Das Pflaster von Avignon (Der Schatten des Schöpfers)

Diesen soge­nannten “ersten Eindruck” habe ich meis­tens (foto­gra­fisch) fest­ge­halten und der prägt sich ins emotio­nale Reisegedächtnis ein.
Und dabei habe ich komi­scher­weise auch die besten Fotos gemacht, weil man ja dann nicht nach etwas sucht und sich lange Gedanken macht, sondern einfach seinen Gefühlen freien Lauf lassen kann.

AVIGNON ist ja nicht nur eine geschichts­träch­tige Stadt mit unge­heuren Kunstschätzen, sondern auch eine Stadt mit einem bilder­buch­mä­ßigen Aufbau.

Den ersten Eindruck, den ich nach dem Verlassen des Bahnhofes an dem sonnigen Oktobertag im Jahre 2014 von Avignon hatte, war beeindruckend.

Wenn man den Bahnhof (und Busbahnhof) verlässt, merkt man sofort, dass Avignon eine alte Stadtmauer hat, die noch voll erhalten ist, denn der Eingang zur Stadt geht zwischen zwei Wehrtürmen durch und führt schnur­ge­rade durch die mit Platanen gesäumte Rue de la République Richtung Hauptplatz, dem Place de l’Horloge, dem Herzen Avignons.

Es war alles abge­sperrt an dem Oktobertag, wegen eines Marathonlaufes und ich musste mit meiner Tasche mit Rädern drunter den ersten Eindruck zu Fuß machen, was im Nachhinein gesehen auch gut so war.

Es schwitzten nicht nur die Läufer bei den warmen Temperaturen Anfang Oktober, sondern auch ich…

Von dem besagten Place de l’Horloge  aus, gehen die Gassen  wie Adern in Richtung Papst-​Palast (Palais des Papes).

Avignon ist von den Baudenkmälern, Kunstschätzen und der zusam­men­hän­genden Altstadt gut mit dem mittel­ita­lie­ni­schen Bologna vergleichbar.
Trotz allem wird die Stadt von einem beherrscht, früher und heute, und das ist der Papst-​Palast (Palais de Papes) am Place du Palais etwas erhöht, mit einem angren­zenden Garten (Rocher des Doms).

Palais de Papes Avignon

Wie man in der Quinta oder Quarta auf dem Gymnasium in frühen Jahren gelernt hat, war zwischen 1335 und 1430 Avignon die Residenz der Päpste (“Die Päpste ziehen nach Avignon”) und von einer eher unbe­deu­tenden Provinzstadt in das Zentrum der Weltöffentlichkeit aufgestiegen.
Der Palais des Papes thront ober­halb der Rhone mit dem Blick nach Villeneuve-​les-​Avignon mit dem Sommersitz der Päpste Fort Saint-​Andre.
Nach außen gleicht der Papst-​Palast eher einer Festung, nach innen einer Art Schloss.
Die Bau- und Umbau-​Aktivitäten machten ihn in dama­liger Zeit zur größten Baustelle des Jahrhunderts.
Soviel dazu, wenn man im Geschichtsunterricht im Gymnasium aufge­passt hat.

Herrschaftssitz

Schon, wenn man davor­steht und nach oben schaut, ist man über­rascht, was aus Menschenhand alles entstehen kann, wenn diese sinn­voll einge­setzt werden.
Ob es nun so sinn­voll war, ist natür­lich die Frage, trotzdem ist ja dem Besucher von heute etwas geblieben und dies alleine zeigt, dass es in gewisser Weise sinn­voll gewesen sein muss.

Der leicht anstei­gende Place du Palais scheint dem festungs­ar­tigen Gebäude schon vor den Füßen zu liegen und ist neben dem Place de l´Horloge ein Hauptanziehungspunkt am Tag und in der Nacht.
Der Platz ist ja nicht nur höchst geschichts­trächtig, er lädt ja auch, vor allem in abend­li­cher Stunde, zum Bummeln und zum Ausruhen ein und bietet ein nächt­li­ches Panorama des volu­mi­nösen Baus, wie auf einem Postkarten-Motiv.

Jetzt nahm ich mir einmal die Zeit, von diesem Motiv eine Bildfolge zu foto­gra­fieren, von der Dämmerung über die Blaue Stunde zum Nachtblauen und zur Nacht hin.



Dämmerung – Blaue Stunde – Nachtblau – Nacht

Auch, wenn mit zuneh­mender Stunde, die Menschenmassen sich zurück­ziehen, bleibt doch ein gewisses Leben auf dem Platz und es bieten sich unzäh­lige Perspektiven des mäch­tigen Komplexes, den ich mir am Tag auch von innen ange­sehen hatte.

Blick zum Hotel de Ville

Das hat aber den Nachteil, dass man zu dieser fort­ge­schrit­tenen Stunde kaum noch woan­ders in dieser Stadt hinkommt, weil das Panorama des Festungsbaus einen nicht loslässt.

Man kann von einem Platz des Rocher des Domes (angren­zender Park) ein weiteres Bauwerk sehen, was schon zum Wahrzeichen Avignon avan­ciert ist, nämlich die bekannte Brücke von Avignon (Pont Saint-​Bénézet).

Die Brücke von Avignon

Jetzt geht es im Geschichtsunterricht auf dem Gymnasium weiter…

Diese mit dem Papstpalast verbun­dene Brücke ist heute ja eher eine Ruine, aber mit einer geschichts­träch­tigen Bedeutung, also eine bedeu­tende Ruine (kommt öfter vor!).
Denn im 12. Jahrhundert sollte eine Verbindung vom Papstpalast erst zur in der Rhone liegenden Insel  (Île de la Barthelasse) geschaffen werden, und dann weiter über den zweiten Rhone-Arm zum Wachturm Tour Philippe le Bel – quasi eine Verbindung zum Sommersitz der Päpste im heutigen Nobel-​Vorort Villeneuve.
Durch Kriege und Hochwasser wurde immer mehr der einst voll­stän­digen Brücke zerstört und das, was stehen­ge­blieben ist, über­spannt etwa zwei Drittel des unteren Flussarmes der Rhone.

…nicht viel stehen­ge­blieben (außer mir)

Von den einst 22 Brücken-​Bögen stehen heute noch vier, die als solches zum touris­ti­schen Ziel geworden sind.

3 Bögen auf dem Wasser, einer auf dem Land

Trotzdem ist sie neben der geschicht­li­chen Bedeutung, auch durch das Lied “Die Brücke von Avignon” (Sur le pont d’Avignon) erhalten geblieben.

Jetzt ist natür­lich eines ratsam, bevor man wieder von der Brücke unter die Dusche im Hotel kommt, nämlich noch einmal den Blick von den Gemäuern des Papst-​Palastes Richtung Rhone nach Villeneuve zu genießen, was ich dann auch zu später Stunde tat.

Blick nach Villeneuve

Dieses Avignon bei Nacht bezog sich mal wieder nur auf einen Teil, aber einen bedeu­tenden Teil dieser ehrwür­digen Stadt … das andere kommt nächstes Mal dran.

Was lernen wir daraus :

                  “Wenn immer alles taghell, verlernt man die Nacht”

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* Fotos zum nächt­li­chen Avignon in meiner Bildergalerie Frankreich :

Avignon Nacht

 (HerrRothInDerNacht) 

 

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