“Wie man sich durch eine Idee viele Denkmäler setzen kann”
Wenn man durch die heutige Welt wandelt, kommen einem immer wieder Worte über den Weg, bei denen man erst einmal überlegen muss, was die Menschheit damit überhaupt meint.
Ob nun Flyer, Fast-Food, Dates, Up-Dates, Coaching etc.
Nun gibt es Gott sei Dank immer noch ein deutsches Wort, was man zur Erläuterung heranziehen kann, doch mit der Zeit gewöhnt man sich an solche Wörter und übernimmt sie auch in seinen Wortschatz.
Wenn “PatchWork-Familien” vor einigen Jahren jeden hätte dumm dastehen lassen, ist es mittlerweile kein Fremdwort mehr, während die normale klassisch-deutsche Familie schon fast ein Fremdwort geworden ist.
Nun machte ja , wie so häufig in der Geschichte, ein schlauer Mann eine Erfindung, mit der er seinen Namen zu verknüpfen verstand und somit ging sein Name für seine Erfindung in den Sprachschatz über – kurz um, er setzte sich selbst nicht ein Denkmal, sondern viele.
Und dieser Mann hieß Ernst Litfaß (1816–1874).
Der Stiefvater Lifaß’ hatte im damaligen Berlin ein Druck- und Verlagshaus, was er nach dem Todes des Stiefvaters voll übernahm.
Dieser Herr war nicht nur ein guter Geschäftsmann, sondern hatte auch erfinderisches Talent.
Er führte nämlich Schnellpressen und den Buntdruck nach französiche-englischem Muster ein und druckte als erster großformatige Plakate
(Affichen).
Neben vielen Ehrungen und Honorationen am damaligen königlichen Hofe, setzte er sich auch sozial für verwundete Soldaten und deren Angehörige ein.
Nun hat dieser Herr Litfaß etwas erfunden, was ihn unsterblich gemacht hat, und zwar die sogenannte Litfaß-Säule.
Angeblich war er empört über das wilde Plakatieren.
Bekanntmachungen und Werbung für Orchesteraufführungen, Theatervorstellungen oder für den Zirkus wurden wild an Mauern und Häuserwände geklebt (was man aus der heutigen Zeit auch gut nachvollziehen kann).
In abendlicher Stunde kam er auf die Idee und die Litfaß-Säule war
geboren.
Er stellte einen Antrag bei den Behörden (1854) und stellte im damaligen Berlin erst einmal 150 “Annoncier-Säulen” auf.
Zunächst dienten diese der unentgeltlichen Plakatierung für öffentliche Bekanntmachungen und gewerbsmäßigen Veröffentlichungen von Privatanzeigen, quasi traditionelle Reklameträger.
Der ungeheure Vorteil war und ist ja der, dass keine Wände von Häusern mehr verunstaltet wurden, sondern, dass man auf kleinem Platz eine große Anzahl von Plakaten anbringen kann und zudem brauchen die Betrachter und Leser ja nur um diese Säule herumzugehen und können damit alles sie Interessierende lesen und begutachten.
Somit sollen in damaliger Zeit viele interessierte Bürger immer um die Säulen gestanden haben, um die neusten Nachrichten zu lesen.
Da mag man in der heutigen voll-digitalisierte Welt drüber schmunzeln, doch muss man bedenken, wie durch die Weitsicht dieses Herren ein kommendes Geschäft der Reklame vorgedacht wurde.
In der heutigen Handy-Spielsucht-Zeit sieht man kaum noch jemanden vor einer Litfaß-Säule stehen und einen Text lesen, aber trotzdem hat sich diese Werbemethode bis heute gehalten (!)
Glückwunsch, Herr Litfaß.
Nach dem Tod des Erfinders, verbreitete sich diese Idee über ganz Deutschland aus.
Keinem hat man so viele “Denkmäler” gesetzt wie für Herrn Litfaß, denn heute gibt es noch 67.000 Litfaßsäulen in ganz Deutschland, wovon etwa 50.000 zur Werbung für kulturelle Veranstaltungen genutzt werden.
So wird man auch für die Ewigkeit berühmt und setzt sich selbst ein Denkmal, bzw. sehr viele.
Nun ist die Zeit ja nicht stehen geblieben.
Oftmals geht man ja heute eher an solchen Säulen vorbei ohne ihnen einen Blick zu widmen, trotzdem bleibt es ein Geschäft, denn an so einer Säule Werbung anzubringen, kostet Geld und zwar oftmals viel Geld.
Hierbei haben allerdings Veranstaltungen kultureller oder sportlicher Art den Vorrang, aber umsonst ist gar nichts mehr, also zudem eine Geldeinnahme-Quelle, die nicht viel Platz wegnimmt.
Tja, eine gute Idee ist besser als ein Leben lang Büroarbeit.
Nun ist, wie gesagt, die Zeit nicht stehen geblieben und man musste langsam ein neues Wort erfinden, was trotzdem das Denkmal von Herrn Litfaß nicht umstürzen kann.
Und dieses Wort ist “Eye-Catcher”.
Was ist datt denn, würde sich Herr Litfaß sicher fragen, vielleicht etwas Versautes oder ein Begriff aus der Boxkunst oder Hühnerzüchtung (?)
Denn auch außerhalb von diesen Säulen stolpert man immer wieder über Werbung ohne Ende, vor allem über Stand-Schilder vor Geschäften, sodass man oftmals auf die Straße ausweichen muss und die bei Sturm sehr schnell wegfliegen können.
Und diese sollen von der Grundidee her, also verkaufstechnisch suggestiv, den Vorbeieilenden dazu animieren hereinzugehen und etwas zu kaufen (außer, wenn sie weggeflogen sind).
Man muss schon ein bisschen Phantasie haben, hier zu erkennen, dass es sich um einen sogenannten “Eye-Catcher” handelt, aber wenn man von der Grundschule Englisch gelernt hat, kann man es erahnen.
…Perugia
Außerhalb des werbeverstopften Heimatlandes kam man im südlichen Italien auf die Idee, Todesanzeigen von verstorbenen Mitbürgern auf extra dafür reservierten Flächen zu kleben, um den Mitbewohnern zu informieren, wer von dannen gezogen ist.
Auch eine hervorragende Idee, die teure Todesanzeigen in Boulevardblätter überflüssig machen.
…Verona
Was wirkliche “Eye-Catcher” sind, erfährt man im noblen Verona, wo die Parfümwerbung das Herz (fast) jeden Mannes höher schlagen lässt.
Noch etwas intimer wird es in derselben Stadt (Verona) bei sogenannter DUB, was soviel heißt wie Damenunterbekleidung, obwohl es ja ein Produkt für Frauen ist, werden sicher eher Männer dort ihr Auge drauf werfen – aber Männer müssen es ja meist auch bezahlen.
… Avignon
Aber es gibt nicht nur “Eye-Catcher” für das männliche Auge, sondern auch für das weibliche.
Dies erfuhr ich im südlichen Avignon, denn hier zeigt sich ein unbekleideter Herr ; er verdeckt als solches nur sein Gesicht, wahrscheinlich, weil er nicht erkannt werden will.
Wie vormals erwähnt, kann man ja hier schon eher von “Eye-Catcher” sprechen, was allerdings ins Pornografische gehen würde.
Aber für eine Anti-Aids-Werbung wäre es nicht schlecht.
Wenn das natürlich Herr Lifaß wüsste…
…Bologna
Im hochgeistigen Bologna hat man an einem zentralen Punkt die Idee gehabt, nicht nur ein Plakat aufzuhängen, sondern hat das Motiv gleich auf vier Plakate verteilt.
Denn in der Via delle Belle Arti, einer Stichstraße der Via Zamboni in der Altstadt von Bologna befindet sich nämlich die Pinacoteca Nazionale di Bologna, die das Herz eines jeden Kunstinteressierten höher schlagen lässt.
Und dafür braucht man einen guten Namen und einen “Eye-Catcher”.
“Das Haus der Giganten” (La dimora dei giganti) klingt zwar etwas überheblich, aber Ehre, wem Ehre gebührt, und dafür wurden gleich vier Plakate zu einem Ganzen vereint.
Etwas größere Nachforschungen würde es jetzt bedürfen, herauszufinden, wen das Plakat zeigt, bzw. welcher Schöpfer dieses Werk geschaffen hat, diese Mühe hatte ich mir bisher trotz aller Bologna-Begeisterung allerdings noch nicht gemacht.
…Sevilla
Ein wahrer “Eye-Catcher” lief mir im spanischen Sevilla über den Weg, was zeigt, dass das Bundesland Bayern doch auch außerhalb des Heimatlandes bekannt und gefürchtet ist, denn beim Betrachten dieses Seppels mit Tiroler Hut bekommt man schon Angst vor Gewaltbereitschaft, obwohl es nur ein Werbeplakat für einen Deutschkurs ist (Herr Goethe kommt im Text auch vor!).
Bayern scheint ja der Inbegriff des Deutschen zu sein, kann man natürlich sehen, wie man will, aber als Motiv eines “Eye-Catcher” gut geeignet.
Hier (Sevilla) springen einem natürlich an jeder Ecke die resoluten Damen ins Auge, die die Hauptsportart der Stadt verkörpern, nämlich den Flamencotanz.
In diesem Fall steht man “Face to face” (wieder so ein Begriff) der rasant blickenden und stark geschminkten Dame gegenüber, sodass man schon leicht Angst bekommen kann, obwohl hier ja nur für ihre Tanzkünste geworben wird.
Aber das ganze kann sogar, wie das obere Foto belegt, schon leicht künstlerisch genutzt werden, denn dieser “Eye-Catcher” zeigt dieselbe Sportart (Flamenco) als Gemälde.
Vielleicht ist in frühen Zeiten Herr Bizet durch die Gassen Sevillas gebummelt und durch den unten zu sehenden “Eye-Catcher” auf die Idee zu seiner Oper “Carmen” gekommen, wer weiß…
…Barbiere in Sevilla
Die Zeiten der Zünfte ist noch lange nicht vorbei und eine dieser Zünfte ist ja die Frisierkunst.
Allerdings müssen sich heute Frisöre (früher Barbiere) auch etwas werbetechnisch einfallen lassen, um die Kunden bei ihrer großen Konkurrenz in ihr Frisier-Studio zu locken.
Hierbei geht der Frisör schon richtig rasant zu Werke, zielsicher steuert er sein Opfer, bzw. seinen Kunden, äh. Kundin an.
In sportlicher Stellung ergreift er eine Locke des Hauptes der mit geschlossenen Augen auf das Kommende wartenden Dame, die hoffentlich nachher, wenn sie die Augen öffnet, nicht einen Schock bekommt, wenn sie das Werk des Barbieres sieht.
Dieses dachte sicher auch ein gewisser Herr Rossini bei der Betrachtung dieses “Eye-Catchers” in den Straßen der andalusischen Stadt und es wurde vielleicht sogar der Auslöser seines Werkes “Der Barbier von Sevilla”.
Eine Vermutung, die ja eher gewagt ist…
…Venedig
Aber auch zur letztjährigen Biennale in Venedig (2019) ließen die “Eye-Catcher” nicht lange auf sich warten.
Der französische Maler und Bildhauer Jean Dubuffet (1901 – 1985) zeigt hier seinen Humor auf einem Plakat des Palazzo Cavalli-Franchetti an der Accademia-Brücke in Dorsoduro.
Es ist sicher schon etwas her, dass Herr Dubuffet in Venedig ausgestellt hat, aber ein Gespräch mit den einheimischen Gondoliere liess die Zeit eines Witzes zu.
Alte schwarz-weiß-Fotografien haben doch “Eye-Catcher”-Reiz, weil sie in unserer bunten Welt sofort ins Auge stechen und dies ist ja auch der Sinn dieser “Eye-Catcher”.
…Aix-en-Provence
Zurück im geistigen Zentrum der Provence zeigte sich ein werbetechnisch geglückter Trick, dem man auch in unseren Gefilden immer wieder begegnet.
Man nimmt einfach Werbung aus längst vergangenen Zeiten und möbelt sie neu auf.
Vor der Erfindung der Waschmaschine, hatten es Frauen ja nicht so einfach mit der Säuberung der Wäsche, es war harte Knochenarbeit mit einem Waschbrett in einem Topf mit heißem Wasser zu versuchen, die nicht mehr ganz weißen Westen wieder weiß zu bekommen.
Das Waschpulver im unten zu sehenden “Eye-Catcher” in Aix-en-Provence scheint aus Marseille zu stammen und im Hintergrund erkennt man ja die Küste des rauschenden Meeres.
Die Dame scheint allerdings doch noch Spaß an der Sache zu haben, auch wenn der Spaß bei einem Waschtag sicher schnell nachgelassen haben muss.
…Florenz
Im mondänen Florenz zeigte sich aber auf den ersten Blick, dass zu viele “Eye-Catcher” nicht gut für die Augen sind, weil man dann nämlich gar nichts mehr lesen kann (also doch Boxer-Sprache).
Ein ähnliches Bild bot sich sicher auch dem Anfangs erwähnten Herrn Litfaß, als er durch die damaligen Prunkstraßen Berlins bummelte und er dann die Idee einer Säule hatte, die diesem unschönen Anblick ein Ende schaffen sollte.
Das hat er dann ja auch geschafft, …aber anscheinend nicht im teuren Florenz.
…Kotor
Eine wahrliche Steigerung des Effektes der Parfümwerbung Veronas, fand ich in der Festungsstadt Kotor in Montenegro.
Dass es bei so einer geschichtsträchtigen Stadt bzw. Festung wie Kotor, überhaupt Werbeflächen für “Eye-Catcher” gibt (?) – sicherlich war es im Schaufenster einer Parfümerie, denn weibliche Besucher hat Kotor ja auch zu verzeichnen.
Ohne am heimischen Herd, bzw. LapTop am Foto herumzuverfälschen, zeigt hier der Designer dieses “Eye-Catcher” sehr viel Geschick, den Duft dieses Parfüm optisch in die Nase steigen zu lassen, denn die leicht bekleidete Dame umschwebt ein rötlicher Duft, der sie zum Nachdenken anregt.
“Soll ich es kaufen oder nicht ?” Im Hintergrund verschwimmt alles, aber ablehnend scheint sie nicht zu sein, eher berauscht und das soll ja ein gutes Parfüm, bzw. ein guter “Eye-Catcher” sein.
…Tallinn
Der Litfaß-Säule alle Ehre machte ein Plakat, was schon wesentlich mehr ist, als nur ein Plakat im nördlichen Tallinn.
Denn diese Glitzer-Party wird nicht nur in Worten angepriesen, sondern durch einen “Eye-Catcher”, der es in sich hat und das Auge jedes Vorbeigehenden anzieht.
“The Ultimate Glitter Party” – was immer dies sein soll, zeigt die schwarz geschminkte Dame auf dem Plakat, was die ganze Säule (!) umgibt, in einem Glanz, der sich sehen lassen kann und an einzelnen Stellen schon heruntergleitet.
Na, wer da nicht hingeht, ist selber Schuld – jeder wird dann am Abend merken, wie die glitzernden Eintrittspreise sind, laut dem Plakat muss es sich ja lohnen.
…Sturm-Kreationen
Die heftigen Winde der letzten Zeit bringen wahrlich hervorragende “Kunstwerke” ans Tageslicht, was zeigt, dass die Natur der beste “Schöpfer” ist.
…Doppelbelichtungen
Zum Abschluss eine wirklich gelungene Bild-Kreation.
Wie man dem abschließenden Foto entnehmen kann, schwebt meine Person in den Hauch dieser Dame mit Rose über.
Es erinnert ein bisschen an die Ergüsse der 60er-Jahre.
Auch wenn ich noch nie Glück bei Frauen hatte, eine gelungene Fusion des Verfassers dieses Beitrages mit einer erotisch anmutenden Dame im Rosenduft.
Dies hätte Herrn Litfaß sicher auch angesprochen…
Was lernen wir daraus :
“Eine gute Idee ist besser, als ein Leben lang Büroarbeit”