Quattro Canti – Palermo (Weihnachten 2008)

Ein Kreis mit vier Ecken”

Mein erster Beitrag des neuen Jahres verla­gert sich einmal wieder in die Vergangenheit, und zwar an die Weihnachtstage 2008, als ich nämlich vor 11 Jahren wieder einmal meine “Weihnachtsflucht-​Residenz” in den Süden verla­gerte, diesmal nach Sizilien, um genauer zu sein, nach
PALERMO.

… 3.000jährige Altstadt

Die 3.000jährige Altstadt ist nicht so schach­brett­artig aufge­baut, wie z.B. das “Spanische Viertel” in Neapel, trotzdem gibt es Hauptachsen, die die ganze Altstadt schnur­ge­rade durch­ziehen, wenn man am Anfang des Corsos sich auf die Straße setzt, kann man durch ganz Palermo bis zum Ende der Straße sehen.
Man sollte hierbei aber wegen des Verkehrsaufkommen vorsichtig sein, sich auf die Straße zu setzen.
Oftmals ist es so, dass diese Hauptachsen am Anfang und am Ende ein Tor haben, bzw. was davon übrig geblieben ist, aller­dings zeigen diese Jahrhunderte alten Stadt-​Tore auch den Prunk und die dama­lige Macht dieser Sizilien-Metropole. 

Porta Felice – Blick zum Porta Nuova

Allerdings habe ich 2008 bei leicht trüben Wetter (wie das Foto zeigt) es doch geschafft mit dem “auf die Straße setzen”, zu mindes­tens zeigt sich bei dem Blick durch das Porta Felice ein Blick bis ans andere Ende zum Stadttor Porta Nuova.
Man sieht, dass zu diesem Zeitpunkt der Andrang eher gering war, denn auf der Hauptachse Via Vittorio Emanuele ist an diesem Spätnachmittag kein Auto weit und breit zu sehen, wenn man genau hinsieht, nur eine Person, der gemäch­lich über die Straße schreitet.

Porta Nuova Palermo

Der Durchgang oder die Durchfahrt durch das Stadttor auf der anderen Seite (Porta Nuova), weist gerade einmal schät­zungs­weise vier Meter Breite auf, was zeigt, dass es zu dessen Bauzeit noch keine Autos oder LKWs gab, sondern nur Kutschen.

…Goethe in Palermo

Zum Thema Straßen von Palermo hält Goethe in seiner “Italienischen Reise” eine kleine Anekdote fest, die ihm nach seiner Ankunft in Palermo passiert ist.

…schon von Goethe kritisiert

Goethes Aufenthalt fiel auf Anfang April 1787, das Wetter war noch etwas launisch.
Dem Dichter fiel aller­dings auf den Straßen Palermos auf, dass sie mit einer dicken Schicht von Unrat, Fäkalien und Schmutz bedeckt waren, der bei Hitze schnell sich in einen dreckigen Staub verwan­delte und bei Wind durch die Corsos geblasen wurde, dass man kaum noch Luft kriegte.

Goethe in Palermo

Er sprach daraufhin einen Kaufmann an, warum man die Gassen, Corsos und Straßen nicht einmal säubere (?)
Dieser erklärte Goethe ausge­dehnt und mit viel Humor, dass man durch die dicke Schicht des Morastes wenigs­tens nicht sehen könnte, wie schlecht die Qualität des Pflasters von Palermo sei, was wieder Gelder für die Instandhaltung frei werden lassen müsste, wo die Entscheider aller­dings nicht beson­ders glück­lich drüber wären.
Außerdem würde sich der Boden, auf denen die Karossen der Reichen einher­fahren, dann doch wesent­lich weicher anfühlen und even­tu­elle Schlaglöcher nicht auffallen.
Hier (in Sizilien) hätte der Mensch immer noch genug Humor sich über das Unabwendbare lustig zu machen.
(“Italienische Reise”, 5. April 1787, Seite 236).

Hauptachse Via Vittorio Emanuele

Um in die Gegenwart, bzw. zum Jahr 2008, zurück­zu­kehren, geht es bei der erwähnten Hauptachse um die Via Vittorio Emanuele, die die 3.000jährige Altstadt von Palermo vom Porta Felice im Nord-​Osten am Hafen bis zum Porta Nouva im Süd-​Westen in der Nähe der Kathedrale schnur­ge­rade durchschneidet. 

Corso Vittorio Emanuele und Via Maqueda

Der oben abge­bil­deten Karte aus frühen Zeiten ist zu entnehmen, was Goethe in seiner “Italienischen Reise unter dem Datum 3. April 1787 verzeichnet :

“Unser erstes war, die Stadt näher zu betrachten, die sehr leicht zu über­schauen und schwer zu kennen ist, leicht, weil eine meilen­weite Straße vom untern zum obern Tor, vom Meer bis gegen das Gebirg’ sie durch­schneidet und diese unge­fähr in der Mitte von einer anderen aber­mals durch­schnitten wird : was auf diesen Linien liegt, ist bequem zu finden ; das Innere der Stadt hingegen verwirrt den Fremden, und er entwirrt sich nur mit Hülfe eines Führers in diesem Labyrinthe.”
(“Ital. Reise”, Seite 229/​30)

…Hauptachsen

Hier sieht man, dass Goethe die Struktur der Stadt schnell erkannte, was ja auch für einen Fremden nicht schwer ist – denn neben der erwähnten Via Vittorio Emanuele gibt es eine zweite Hauptachse, nämlich die Via Marqueda, und diese beginnt am Teatro Massimo im Norden und endet am Stadttor Porta di Vicari im Süden.
Hierbei ist zu bedenken, dass Palermo zur Zeit Goethes (1787) wesent­lich kleiner war, als heute.
Die dama­ligen Stadttore sind heute mitten in der Stadt, damals standen sie an den Rändern der Stadt, die heute die Altstadt ist.
Was früher am Rande, ist heute mitten drin, bedingt des steten Wachsens und Ausdehnens der Metropole.

Quattro Canti Palermo

Was Goethe bei seiner Darstellung der Stadt aller­dings vergessen hatte, ist die Tatsache, dass sich an dem mittigen Schnittpunkt dieser beiden Hauptachsen ein Platz befindet. 

…Quattro Canti

Um genau zu sein, heißt dieser Platz Quattro Canti di città, was so viel heißt, wie “Stadtplatz der vier Ecken”. 

Blick nach Süden

Der in baro­cker Architektur einge­rahmter Platz zählt zu den heraus­ra­genden Werken baro­cker Architektur in Palermo.
Offiziell heißt er Piazza Vigliena nach dem spani­schen Vizekönig Juan Fernandez Pacheco de Villena, der das Architektur-​Ensemble erbauen ließ.
Der Platz wird auch Teatro del Sole genannt, weil den ganzen Tag über das Sonnenlicht auf eine der Eckfassaden fällt, an jeder Ecke zeigt sich eine Palast-​Fassade, von denen jede der vier anders ist, obwohl sie auf den ersten Blick gleich erscheinen.

…der Sonne entgegen

Jede der vier bewun­derns­werten Teil-​Fassaden steht irgend­wann am Tag in der Sonne, egal wieviel Uhr es ist und wo die Sonne gerade steht.
Oftmals erkennt ein geübtes Auge italie­ni­scher Baukunst, vor allem in Venedig, dass die prunk­vollen Fassaden oft nur davor gesetzt worden sind, hier am Quattro Canti merkt man, außer kleine Abweichungen, dass die Gebäude dahinter dazu gehören, quasi ein Abrundung einer Ecke dieses jewei­ligen Gebäudes ist.
Die südliche “Ecke” ist sogar ein Teil einer Kirche (Chiesa di San Giuseppe deiPadri Teatini), von der die beiden Ecken rechts und links neben dem Eingang von der Via Vittorio Emanuele aus rund­lich (nach innen) gebogen sind. 

Die Entstehungsgeschichte dieses Platzes beruht auf einer Stadterweiterung nach Osten im 17. Jahrhundert – die Hauptstraße Cassaro (Via Vittorio Emanuele) sollte bis ans Wasser, dem heutigen Hafen (La Cala) nach Osten erwei­tert werden.
1608 ließ der spani­sche Vizekönig Maqueda im rechten Winkel dazu eine weitere große Straße die Via Nuova (heute Via Maqueda), bauen.

Diese beiden schnur­ge­rade corso­ar­tigen Hauptachsen teilen die Altstadt in vier Stadtteile : Albergheria, Seralcadio, La Loggia und Kalsa.
Die Stadtteile tragen heute die Namen manda­menti Palazzo Reale, Monte di Pietà, Castellammare und Tribunali.

Der daraus entstan­dene acht­eckige Platz mit geschwun­genen Fassaden wurde damals Piazza Vigliena genannt.
An vier Ecken der Kreuzung wurde von einem floren­tiner Architekt je ein Palast errichtet. 

Weihnachtliches Palermo 2008

Die vier konkav geschwun­genen, von der Struktur her glei­chen, aber bei näheren Betrachten leicht abwei­chenden Fassaden, sind nach oben hin drei­ge­teilt und mit Säulen und antiken Skulpturen geschmückt, die jeden Besucher erst einmal ins Staunen versetzen, da man so schnell gar nicht alle vier aufnehmen kann, sowohl im Kopf, als auch mit der Kamera nicht. In den Sockelnischen befindet sich je ein Brunnen.

Das beste ist, dass jede Eck-​Fassade noch einen anderen Schutzpatron hat, sicher ist sicher.
Genauso ist jede Ecke einem Herrscher und einer Jahreszeit gewidmet, was sich in den Skulpturen und den jewei­ligen Wappen erkennen lässt.

Wein-​Göttin oder Venus

Auch die Erotik kommt im südli­chen Sizilien nicht zu kurz.
An den Ecken stehen nämlich je zwei fanta­sie­voll gestal­tete Laternen mit je vier Lampen.
Hier ließ es sich meine Kamera (trotz eher düsterem Wetter) nicht nehmen, eine der Damen zu foto­gra­fieren, die die Füße der Laternensäulen zieren. 

… der Film 

Um wieder in die Gegenwart des Jahres 2008 zurück­zu­kehren, erschien in den Kinos genau einen Monat (Kinostart 20.11.2008) vor meinem Besuch in Palermo der Film “Palermo Shooting” von Wim Wenders mit Campino in der Hauptrolle (*sh. Anhang).

Er spielt den erfolg­rei­chen Mode-
Fotografen Finn, der sich auf die
Suche nach dem Sinn des Lebens
nach Palermo begibt, dort begegnet
er der perso­ni­fi­zierten Person des
Todes, genau wie einer Italienerin,
in die er sich verliebt.
Er gewinnt in Traum-​Sequenzen
eine neue Perspektive fürs Leben
und schwebt zwischen Erinnerung
und Gegenwart hin und her.


Ein Zitat habe ich mir aus dem Film gemerkt :

Man merkt, dass man tot ist daran,
dass man nicht mehr träumt”


*Anhang :
In jenem Jahr (2008) sah es beruf­lich bei mir nicht gut aus und
nachdem ich den Film zum zweiten Mal in einem tradi­tio­nellen Kino
in Essen gesehen hatte, kam folgender Eintrag in mein Tagebuch vom
26. November 2008 :

…die Sehnsucht nach Italien wächst, weg von der ganzen Scheiße hier!”

Es zeigt, dass der Film mich doch berührt haben muss und, dass es zu dem Zeitpunkt nicht gerade gut bei mir ausge­sehen haben muss. 


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*sh. meinen Beitrag “Palermo bei Nacht

*Fotos Palermo unter Bildergalerie Italien

*Trailer zum Film “Palermo Shooting”


(HerrRothBesucht /​ Sonstiges)

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