“Wer Sevilla nie gesehen, hat noch kein Wunder gesehen”
So lautet ein altes Sprichwort…
Und da ich ja für Wunder immer offen bin, zog es mich über die Weihnachtstage 2014 zum Wunder hin, nämlich nach Sevilla, in deren Altstadt Santa Cruz.
SEVILLA ist ja nicht nur die Stadt des Stierkampfs und des Flamencos, sondern auch die Stadt der Keramik-Kunst, der Orangen und vor allem der Opern. Denn hier spielen drei bedeutende Opern :
Carmen, Fidelio, Der Barbier von Sevilla.
Tagsüber stiegen die Temperaturen auf über 19° Grad, während es um die Weihnachtszeit nachts recht frisch werden konnte.
Das Hotel in Santa Cruz hatte eine Dachterrasse, die auch im Winter geöffnet war und die einen hervorragenden Blick auf die Kathedrale (Catedral de Sevilla) mit dem minarettenförmigen Turm (La Giralda) bot, der schon an die Minaretten von Moscheen im nicht ganz so weit entfernten Marokko erinnert.
Der Giralda ist das ehemalige Minarett der Hauptmoschee von Sevilla, das bedeutendste Wahrzeichen der Stadt – durch die rege Bautätigkeit der Almohaden im Jahre 1147 errichtet.
Wie immer wieder in der Geschichte zu sehen ist, führen bei überschüssigen Kräften, die Völker entweder brutale Angriffskriege, oder erschaffen große Baudenkmäler, wobei das letztere als sinnvoller anzusehen ist, weil dann der Nachwelt etwas erhalten bleibt, während bei dem ersten nichts erhalten bleibt.
Bei meinem Drang zum nächtlichen Panorama, ist somit die Kathedrale als erstes zu empfehlen, auch wenn bei meinem Besuch alles ziemlich überlaufen war durch den weihnachtlichen Markt und die Feierlichkeiten zum Weihnachtsfest.
Hierbei sind die Möglichkeiten der Aufnahmen von der Kathedrale unendlich (was ich allerdings viel zu wenig in Anspruch genommen habe), vergleichbar mit dem Dom von Florenz.
Nun hat Sevilla eine Kunst-Branche inne, die so perfekt nur noch in Marokko (Zellig) zu finden ist, und zwar die Keramikkunst.
Die gesamte Stadt Sevilla ist überflutet mit fantasiereichen Mosaikwerken – ob nun Gedenktafel, Straßenschilder, Treppen, Säulen, Geschäftsnamen und vielem mehr.
In keiner Stadt habe ich so viele Mosaikmotive fotografiert…
Außerdem findet man hierbei Mosaike mit Motiven von Bauwerken der Stadt.
Und somit geht es zu einem weiteren Punkt der Stadt mit einem guten nächtliches Panorama, und das ist der sogenannte Gold-Turm (Torre del Oro), einem militärischen Turm aus frühen Jahren, der mit dieser Kachelkunst kranzförmig umkleidet war und in der Sonne wie Gold glänzte.
Dies ist natürlich schon lange her und von dem Kachelkranz ist heute nichts mehr übrig geblieben, der Turm steht allerdings noch in voller Pracht.
Und dieser Turm liegt nicht etwa in der Altstadt, sondern an einem durch die Stadt gelegten Kanal (Meandro de San Jerónimo), der im Norden der Stadt wie eine Sackgasse endet und die beiden Stadtteile Triana und Santa Cruz teilt.
Und da es mich des Nachts neben den Gassen der jeweiligen Stadt auch zum Wasser hinzieht, bietet Sevilla auch einiges an Brücken über den besagten Kanal, um genau zu sein 8 Stück, und für so eine relativ kurze Strecke ist das schon eine ganze Menge.
Zur Expo 1992 bekam der spanische Architekt Santiago Calatrava den Auftrag die Halbinsel Cartuja anlässlich der Weltausstellung, die auf dieser Halbinsel zum größten Teil stattfand, über den Kanal durch eine Brücke zu erschließen, und zwar nicht eine normale Brücke, sondern eine Brücke, wie es keine zweite auf der Welt gibt.
Es sollte eine Schrägseilbrücke werden, wie die Welt sie noch nicht gesehen hat.
Diese Brücke bekam nach fünf Jahren Bauzeit den Namen Alamillobrücke.
Das Besondere daran ist nicht, dass es eine Schrägseilbrücke ist, die gibt es genug … auch nicht, dass es eine Schrägseilbrücke mit nur einem Pylon (Stützpfeiler) ist – sondern, dass dieser 142 Meter hohe Pylon nach Osten hin geneigt ist (um 58°) und vor allen Dingen keine weitere Abstützung zur Neigungsseite hat.
Es ist die einzige Brücke der Welt, deren Pylon über keine Rückverankerung verfügt (!)
Laut Recherche soll dieser schräg stehende weiße Pylon sich sogar bei starker Gewichtsbelastung der Brücke leicht aufrichten, um die Fahrbahn im Gleichgewicht zu halten.
Da wird man vor Staunen stumm…
Das ist als solches gesehen schon keine Brücke mehr, sondern schon ein Kunstwerk, was von Weitem wie eine auf dem Rücken liegende Harfe aussieht und von dem Pylon glaubt man, dass er jederzeit umkippt.
Wenn ich schon an der Vansu tilts in RIGA aus dem Staunen nicht herauskam, so blieb ich hier doch sehr erstaunt darüber, was alles möglich ist, wie angewurzelt stehen.
Ich sah am Tag von Weitem das Panorama dieses Wunderwerkes und machte mich des Nachts dorthin auf, um es aus der Nähe zu betrachten.
Bei äußerst frischen Temperaturen zu dieser Weihnachtszeit 2014 im südlichen Sevilla lohnte sich der zweieinhalbstündige Weg am Kanal Richtung Norden und man steht überwältigt vor diesem Bauwerk, was den Rahmen eines Nutzbaus weit überschreitet.
Da fiel mir wieder der Spruch mit dem “Wunder” ein.
Da steht man verstummt vor einem Werk aus der Hand des Menschen, von dem man glaubt, dass er nur von Göttern geschaffen worden sein kann.
Der Rückweg Richtung Santa Cruz zur Altstadt ließ noch zwei andere Werke vor meinen Augen erscheinen, die allerdings an Außergewöhnlichkeit an die Alamillobrücke nicht herankommen…
…nämlich die Puente de la barqueta.
.…und die Puente de Isabel II.
Bei so viel bestaunenswerter Architektur, schlich ich dann in den frühen Morgenstunden durchfroren durch Santa Cruz Richtung Hotel, wo es auch schon fast ein Wunder war, dieses in den engen Gassen wieder zu finden.
Was lernen wir daraus :
“Wer in die Ferne reist, lernt neu zu sehen”
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* sh. auch meinen Beitrag zur Keramikkunst in Andalusien :
* sh. Bildergalerie Sevilla :