“Was man sein ganzes Leben lang tragen muss”
Vornamen haben den Nachteil, dass man sie das ganze Leben tragen muss. Dies muss aber kein wirklicher Nachteil sein, denn es gibt auch Vornamen, die schon tief “reingehen”, also nicht die, die für alle genommen werden oder bei denen man keinen anderen finden konnte, sondern Vorname, die tief unter die Haut gehen.
Wenn man da an die großen Komponisten des italienischen Belcanto denkt, sieht man, dass man im südlichen Italien doch wesentlich mehr Phantasie hat, zumindestens bei der Suche von Namen eines Neuankömmlings, ob dann aus dem Neuankömmling ein großer Komponist wird, ist bei der Wahl des Vornamens noch nicht abzusehen.
Wenn man etwas genauer hinsieht, haben Vornamen (und Namen) noch andere Verwendungsmöglichkeiten, zum Beispiel werden ja auch Plätze, Straßen etc. nach bedeutenden Personen benannt, und diese hatten ja alle einen Vornamen und einen Zunamen.
In Italien trifft man immer wieder auf Giuseppe Garibaldi und auch auf Vittorio Emanuele beim Suchen nach Straßen, Plätzen, Parks etc. und wer suchet, der findet.
Bei den beiden genannten Herren handelt es sich um politische Objekte, einen Freiheitskämpfer und einen König, was sich immer gut macht, allerdings ist es immer ratsamer Straßen besser nach Schöpfern zu benennen, als nach Politikern, es gibt ja nun in Germany keine Stadt, wo nicht irgendetwas nach unserm Goethe oder Beethoven benannt ist, das wird nur noch eingeholt von Luther.
Wenn man nun die Rollenregister der Werke oben angesprochener Komponisten des italienischen Belcanto betrachtet, allen voran die ersten vier, Verdi, Rossini, Bellini und Donizetti, springen einem Namen ins Auge, an denen man hängenbleibt, weil sie wie oben bereits erwähnt, unter die Haut gehen, stark die Gefühlswelt ansprechen und die Fantasie anregen.
Lorena … Laura … Leonora … Lorenzo … Loredano…
LORENA kommt ja aus dem Lateinischen und wenn man sich in der Schule mit Latein herumgequält hat, weiss man, dass es von laurus kommt und dies bedeutet Lorbeerkranz, also quasi die “Lorbeerbekränzte”, die “Siegerin”.
Es ist eine Weiterbildung des Namens Laura, allerdings schließt man hier auch auf eine Stadt im alten Rom, nämlich Laurentum, also die “Frau aus Laurentum”.
Es war eine Stadt westlich von Rom, ich sage extra war, denn diese Stadt gibt es schon lange nicht mehr, also eher Geschichte.
Wenn man bedenkt, dass die männliche Variante des Namens Lorena Lorenz ist und die Italiener das Ganze poetischer Lorenzo nennen, kommt jedem Bellini-Freund sofort das fantasievolle Werk “I Capuleti E I Montecchi” in den Sinn, denn hier ist Lorenzo der Arzt und Begleiter Capellios, dem Haupt der Capulets und Vater Giuliettas, also die Umwandlung von Julia, auch wenn anzumerken ist, dass Bellinis Werk, bzw. das Werk des Librettisten Felice Romani, der den Text verfasste, mit Shakespeares “Romeo und Julia” nichts zu tun hat, hierher stammt nur die Grundidee.
Aber nicht nur beim sizilianischen Bellini tauchen Abweichungen des Namen Lorena auf, auch Verdi setzt in Abwandlung den Namen ein (Laura, Leonora). Leonora, die Hofdame im “Il Trovatore”, Donna Leonora de Vargas im “La forza del destino” (“Die Macht des Schicksals”).
Auch der aus Pesaro an der Adria stammende Rossini verwendet in seinem in Venedig im 17. Jahrhundert spielenden Werk “Bianca und Falliero” den Namen Loredano als Senator, der zum “Rat der Drei” gehört.
Auch Beethoven nimmt, wie man wissen muss, den Namen Leonore in seinem “Fidelio” mit auf – in seiner Urfassung soll das Werk auch gar nicht “Fidelio” geheißt haben, sondern “Leonore”, man kann vermuten, dass also auch Beethoven sich an den Namen Lorena orientiert hat.
Man sieht den poetisch weichen Geschmack dieses Namens (Lorena), denn bei der Verwendung in den italienischen Opern benötigten die Schöpfer Namen mit mehreren Selbstlauten, die bei der weiblichen Variante auf den Buchstaben A enden.
Um zur Ausgangsidee zurückzukehren, ist das Tragen eines Namens nicht unbedingt eine Last, sondern kann auch mit Würde vollzogen werden – es kommt natürlich darauf an, was man in den Namen hineininterpretiert…
… den Vornamen Claudia würde ich wahrscheinlich gar nicht lesen.
“I Capuleti E I Montecchi” (Vincenzo Bellini)
(Aufführung 2008 in Rom mit Anna Netrebko in der Rolle Giuliettas)
I Capuleti E I Montecchi (Ouvertüre/Sinfonia)