Räusche der Jugend

This Is The End, my only friend…”

Jeder aus unserer Generation kennt noch die Gruppe The Doors mit Jim Morrison und den episch-​mystischen Song “The End”.

Nach einem lang­samen schon medi­ta­tiven Beginn (die Gitarre erin­nert an die indi­sche Sitar), kommt eine Steigerung in diesem 12minütigem Stück, das ja eher einen trüben Charakter von Opfer, Selbstmord und Mordgedanken hat und schon leicht drama­tur­gisch wirkt, was sich nach meinen Erinnerungen an längst vergan­gene Zeiten von den anderen Songs dieser Gruppe abhob (auch von der Länge her).
Todessehnsucht und Opfergedanken stehen nicht fern.

Morrison expe­ri­men­tiert als Komponist und Sänger im zweiten Teil des Stückes mit seiner sehr ausdrucks­starken Stimme – eine prägnante Stelle wird von Morrison nur gespro­chen (Spoken-​Word) und dann zum drama­ti­schen Höhepunkt hin werden die Worte von Morrison nur noch unver­ständig geschrien unter Verwendung von Scat und Kraftausdrücken.
Diese Passage wird oftmals als Hinweis auf den Ödipuskomplex hin gedeutet.

Legende, Mythos, Heiliger, Idol, Ikone, Sänger, Poet … the end

Die hypno­ti­sche Aussagekraft des Stückes ist (aus der Sicht von heute) der lang­same sich stei­gernde Aufbau von Morrisons Stimme hin zum Schreigesang, bzw. zum unver­stän­digen Schreien und dann eine Reprise hin zum Anfangsthema durch Morrisons wieder sanfter gewor­dene Stimme…das hat mich damals im puber­tären Alter schon begeis­tert.
Es ist eine Einheit mit einem Beginn und einem Ende, mit der Geburt bis hin zum schmerz­tö­tenden Tod als Erlösung.
In “The End” von 1967 steckt schon etwas Tiefsinniges, Mythisches, ein Lösungsversuch zur Frage des Sinns des Lebens. 

Wenn man sich heute noch Live-​Auftritte von damals anschaut, hat man oft das Gefühl, als wenn Morrison immer stark voll­ge­dröhnt gewesen wäre (was er ja auch war) … aber ohne bewußt­seins­er­wei­ternde Drogen wäre der Song viel­leicht gar nicht reali­siert worden. 

Ray Manzarek, der (ehema­lige) Keyboarder der Band erklärt hierzu :

„Er verlieh dem Ödipus-​Komplex eine Stimme im Rock-’n’-Roll-Stil, zu diesem Zeitpunkt ein breit disku­tiertes Konzept in der Freud’schen Psychologie. Er sagte nicht, er wollte das seiner eigenen Mutter und seinem Vater antun. Er spielte ein biss­chen das grie­chi­sche Drama nach. Es war Theater !”

In dem (Anti-)Kriegs-Film (?) “Apokalypse Now” aus dem Jahre 1979 wird das Stück auch im Soundtrack verwendet.
Dieses sind wiederum kriegs­vor­be­rei­tende oder ‑recht­fer­ti­gende Maßnahmen, denn zu dem Zeitpunkt (1967) tobte einer der brutalsten und mörde­rischsten Kriege in Vietnam, in dem 60.000 junge Männer in den Tod geschickt worden sind ; von den kata­stro­phalen Folgen in Vietnam, die bis heute noch nach­wirken, ganz zu schweigen.
Kriege ziehen immer lange Spuren hinter sich her.

Ob man nun “The End” diesem Krieg gleich­setzen kann, ist ja immer so eine Sache (was ich hier auch nicht will), man kann natür­lich alles, nur wenn es als Soundtrack im Film damals benutzt wurde, heißt das nicht, dass es kriegs­trei­bend vom Komponisten gemeint war, denn es wurde ja nur benutzt dazu.

In einem Interview mit Lizze James erläu­terte Morrison die Bedeutung des Stückes :

„Manchmal ist der Schmerz zu groß, um ihn zu unter­su­chen, oder sogar zu tole­rieren
Das macht ihn aller­dings nicht böse – oder notwen­di­ger­weise gefähr­lich. Aber die Menschen fürchten den Tod noch mehr als Schmerz. Es ist seltsam, dass sie den Tod fürchten. Das Leben schmerzt mehr als der Tod. Mit dem Zeitpunkt des Todes ist der Schmerz vorbei, Ja – ich denke, er ist ein Freund …“

Um jetzt von der Politik, Tod und Schmerz wegzu­kommen, lag mein erster Paris ‑Aufenthalt 17jährig im Jahre 1977 und ich besuchte zum ersten Mal die bedeu­tende Kunstgalerie Denise Rene, die es heute noch gibt (leider nur noch wie mir bekannt über Internet, da man die letzten Räumlichkeiten in der Rue Charlot verlassen mussten).
Damals waren die Räumlichkeiten noch im Quartier Latin im Süden unter­halb der Seine.
Denise Rene ist fast 100jährig im Jahre 2012 gestorben…ein Leben für die Kunst.

“Wer nach Paris, muss nach Denise Rene”

Zudem stürzte ich auch zum Friedhof Pere Lachaise, um an das Grab Jim Morrisons zu kommen, der ja in Paris 1971 auf bisher noch nicht geklärte Weise in seinem Appartement in der Rue Beautreillis 17 ober­halb der Seine tot aufge­funden wurde.
Wenn man bedenkt, dass Morrison erst 28 Jahre alt war, ist ja ein natür­li­cher Tod (fast) auszu­schließen, aber wie er wirk­lich gestorben ist, darüber streiten sich bisher heute die Biografen, war es Mord, eine Überdosis Rauschgift oder eine Verschwörung, darüber gibt es bis heute nicht enden wollende Auseinanderstzungen, bis hin zum Rechtstreiten um den Nachlaß. 

Rue Beautreillis 17 Paris

Auf dem von seinem Appartment (Rue Beautreillis 17) nicht einmal 3 Kilometer entfernten Friedhof Pere Lachaise wurde er dann zwischen verschie­denen Gräbern verscha­chert, dies wurde eine Pilgerstätte, genau wie damals für mich in jungen Jahren.
Als ich 2001 noch einmal da war, hatte man sogar eine Politesse dort aufge­stellt, die aufpassen sollte, dass keiner an das “Grab” ging.
Wenn ich Fotos von heute sehe, ist wohl der Bereich um das Grab mit einem Zaun abge­sperrt, sodass man gar nicht mehr direkt an das Grab kommen kann.

Cimetière du Père Lachaise Paris (heute)

Aus der Sicht von heute sieht natür­lich, wie oftmals vieles anders aus, auch wenn man sich in diesem Fall nicht unbe­dingt fest­legen sollte und kann.
Es wurde aus dieser sehr attrak­tiven mit einer guten Stimme beschenkten Person (Morrison) schnell (noch zu Lebzeit) ein Mythos gemacht, damit sich alles aus Profitgier (bis heute) gut verkauft, denn der Mythos ist unsterblich.

Aber diese Mythen und Legenden hat es, seit es Menschen gibt, schon immer gegeben, ob es nun kultu­rellen Charakter hat oder poli­ti­schen, sei dahin­ge­stellt.
Nun sei gesagt, dass Jim Morrison und die Doors für mich ja heute kaum noch Bedeutung mehr haben, aber es sind halt Kindheitserinnerungen oder Erinnerungen an die Jugend, und die bleiben haften…

Als ich im Jahre 2002 Oliver Stones hypno­ti­sie­render Filmbiografie “The Doors” als Spielfilm in die Hand bekam, muss ich sagen, dass ich begeis­tert war, obwohl meine “Begeisterung” für diese Musik bereits 25 Jahre vergangen waren.
Aber es ist ja alles eine Entwicklung.
Bei dem Film handelt es sich ja nicht um eine Reportage, sondern um einen Spielfilm, und zwar um einen sehr guten.

Spielfilm “The Doors”, Oliver Stone 2002

Er stellt sorg­fältig nach­ge­bildet die Rockszene der späten 60er-​Jahre der Hippiezeit dar (aus der der Vietnam-Krieg nicht wegzu­denken war), er zeigt die Trance mit bewußt­seins­er­wei­ternden Stoffen, Alkohol-​Exzesse aber auch Morrison Auseinandersetzungen mit der Justiz.
Proteste, Aggressionen, Exzesse, Jugenkult, Rauschgift, Todessehnsucht…
Das Portrait des Exzesses mit dem Geist des selbst­zer­stö­re­ri­schen Poeten, prägt sich ein.
Auch wenn man Morrison poeti­sche Tätigkeiten nicht ernst nehmen sollte und kann.
Als Spielfilm würde ich dieses Meisterwerk jedem empfehlen, der die dama­lige Zeit miter­lebt hat.
Auch wenn er ja nun nach harte Drogen, Unmengen an Alkohol und immer wieder neuen Groupies kein gutes Ende hat.

Dass JIM MORRISON für unzäh­lige jüngere und (heute) leicht geal­terte Menschen ein Idol par excel­lence, eine Ikone, ein Held geblieben ist, der auf die Überholspur des Lebens gekommen ist, wird im Film gut rüber­ge­bracht und ist sogar heute nicht zu leugnen.
Es sei jedem ans Herz gelegt, sich diesen Film anzu­sehen und sich ein eigenes Bild zu machen, egal welcher Generation er angehört.

This is the end….

*Diese Aufnahme stammt vom ersten Doors-​Album “The Doors” von 1967
https://www.youtube.com/watch?v=BXqPNlng6uI


*Galerie Denise Rene Paris
(https://www.deniserene.fr/

*Friedhof Pere Lachaise
https://pere-lachaise.com/


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