“Hauptachse oder Flaniermeile”
Die Cours Mirabeau von Aix-en-Provence, genau wie die Kö in Düsseldorf, sind ja sogenannte “Flaniermeilen”, die als solches als Hauptfunktion das Motto “Sehen und gesehen werden” haben.
Nun haben viele italienische Städte bedeutende, die Stadt prägende Hauptstraßen, wo man allerdings nicht von Flaniermeilen reden kann…
…ich taufe sie ganz einfach “Hauptachsen”.
…und so eine Hauptachse ist der…
… Corso Pietro Vannucci in Perugia.
Es ist die kaum 1 km lange Hauptachse Perugias, beginnend am kleinen Park Giardini Carducci mit wunderbarem Ausblick auf die umliegende Gegend und endet am Piazza IV Novembre, dem Hauptplatz mit dem unverkennbaren palastähnlichen Palazzo dei Priori und der Cattedral di San Lorenzo auf der anderen Seite, und alles geschmückt durch den Brunnen Fontana Maggiore.
Eigentlich ein normaler Aufbau einer italienischen Stadt.
“…nix besonderes”, sagt da die kritische Stimme von HerrnRoth.
Hat er auch recht, wenn man es mit vielen anderen Städten des italienischen Länderbundes vergleicht, gibt es dies oftmals, nur Perugia hat etwas besonderes, was nicht unbedingt positiv ist.
Es kommt natürlich darauf an, wie man es sieht, man kann ja alles positiv oder negativ sehen.
UMBRIEN ist ja ein Land Italiens, was keinen Zugang zum Meer hat, es liegt quasi als Herz mittendrin.
Wenn man nun die Struktur der Landschaft anschaut, wird man feststellen, dass so gut wie alle (bedeutende) Städte und Orte hoch oben auf dem Berg liegen.
Dies hat den Vorteil (das Positive), dass man von oben einen grandiosen Ausblick auf die gesamte Landschaft im 360° Grad Umkreis hat, und dass sie in früheren Zeiten (wieso nur früher?) strategisch und kriegstechnisch besser zu verteidigen waren.
Dies hat aber den Nachteil (das Negative), dass erst ein Aufstieg zu der jeweiligen Stadt nötig ist, der bewältigt werden muss, bevor man das historisch schöne Städtchen bewundern kann.
Hat eben alles sein Vor- und Nachteil…
Im Falle von Perugia ist es so, dass ich dachte, als ich im August 2015 aus dem Bahnhof schritt, ich sei in einer mittelgroßen Stadt im Ruhrpott.
Man muss dem deutschen Zeiger nach (wie Goethe zu sagen pflegte) erst einmal eine halbe Stunde einen Aufstieg leisten, der es in sich hat.
Es heißt ja so schön, “Perugia, die stolze Hauptstadt Umbriens…”, dieses kommt aber eher daher, dass man stolz sein kann, wenn man den Aufstieg geschafft hat.
Im Falle Perugias gibt es allerdings eine unterirdische Rolltreppe (wusste ich bis vor kurzem auch nicht!), die ich aber aus Überzeugung nicht nehmen würde, denn “nur wo man zu Fuß war, war man wirklich!”, ist ja wohl klar, oder…(?)
Als ich 2015 bei bedecktem Himmel auf dem Corso Pietro Vannucci mit meiner Tasche stand, zeigte sich mir ein Durchgang, an dem ein wackeliges Schild mit dem Namen meines Hotels hing.
Jetzt muss ich aber ganz kleinlaut sagen, dass ich den Weg vom Bahnhof zum historischen Teil der Stadt mit Gepäck mit einem Taxi genommen hatte, was ich ohne Gepäck nicht gemacht hätte.
Ich stand nun bei leicht trüben Wetter vor diesem Durchgang (in Venedig würde man Sotoportego sagen, was wörtlich “Unten-Tor” heißt).
Als ich durchschritt, ging die schmale Gasse wie ein “Sturzbach” herunter – auf der rechten Seite lag schwer zu erkennen, mein 40€-Quartier.
Als ich dann nach der Dusche mit Kamera hinaus, bzw. nach oben stürzte, wurde es schon Abend.
Doch zeigte sich mir das Symptom der Corso Vannucci schon nach einem Auf- und Abgang auf dieser Hauptachse.
Sämtliche Gassen, die nach links oder rechts von dieser Achse abgehen, stürzen wie ein Wasserfall in die Tiefe.
Dieses bringt das notwendige Übel mit sich, dass, wenn man heruntergegangen ist, man auch wieder hoch muss.
Klar, klingt logisch…doch nimmt einem dies ein bisschen die Lust am “Flanieren” – es ist nun mal keine “Flaniermeile”, sondern eine Hauptachse, und diese liegt auf dem höchsten Punkt der Stadt von Norden nach Süden.
Nun gibt es, zur Entlastung gesagt, in den Abendstunden traumhafte Stimmungen auf dem Hauptplatz mit seinem plätschernden Brunnen…
…was man ja an Hand des obigen Fotos gut nachvollziehen kann, wo man sich auch am Tage eine kleine Rast auf den Stufen des Domes gönnen kann.
Der vom Platz nach Süden leicht schmaler werdende Corso Vannucci weist eine große Anzahl von Boutiquen, Souvenirläden, Schmuckläden, Nobel-Bekleidungsgeschäften, Parfümerien etc. auf (also doch eine Flaniermeile !?).
Im unteren Teil gen Süden zeigt sich rechterhand das kleine Teatro Pavone, einzelne noblere Hotels, linkerhand der parkähnliche Piazza Italia und an seinem Ende der geniale Ausblick vom Giardini Carducci Richtung Süden.
Bei stark abschüssigen Exkursen Richtung Stadtmauern, zeigt sich das Mittelalter durch sehr hohe Tore, an denen man sich fragt, warum sie so hoch gebaut worden sind (?).
Hohe Kräne oder Fahrzeuge gab es damals ja noch nicht.
Manches bleibt nun mal in der Geschichte ein Geheimnis.
Was kein Geheimnis bleibt, sind die Namen dieser Stadttore, denn Beschilderungen weisen kunstvoll gestaltet deren Namen aus.
Nachdem ich nun am 2. und 3. Tag meine Umrundung des Trasimenischen Sees hinter mich gebracht hatte und des Morgens wieder den Corso betrat, war ich nach der über 70 km langen Strecke kaum noch in der Lage etwas Weiteres zu unternehmen, außerdem war ich das Auf und Ab leid.
Als ich wieder an dem kleinen Flughafen stand, der eher aussieht wie ein Bahnhof eines kleinen Ortes (3 Flüge am Tag!), bemerkte ich, dass mein Ausweis im Hotel geblieben war und die Fahrt zurück zu aufwändig gewesen wär.
Mit einigem Betteln kam ich dann doch mit dem Führerschein durch…
Der Ausweis wurde dann nach Deutschland per Post nachgesendet…watt soll’s.
Was lernen wir daraus :
“Das Nützliche ist besser als das Prunkvolle, nur muss
es auch praktisch sein, sonst ist es nicht nützlich”
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*weitere Fotos aus Perugia :