Im Rausch der Sinne

Erotische Symbolik im “Tannhäuser”
von Richard Wagner

- Teil 2 -

Der 2. Act zeigt ja das Geordnete der Wartburg-​Gesellschaft
Landgraf Hermanns, der sein Volk aufruft in die Wartburg zu kommen, um dem Sängerstreit um die Hand der Elisabeth beizu­wohnen.
Das Erotische ist hierbei nicht mehr existent….

Sängerstritt uf Wartburg

…bis zu dem Zeitpunkt, als Tannhäuser (hier Heinrich von Ofterdingen) wieder das heid­ni­sche Paradies des Venusberges in Erinnerung kommt.

Seine Zeit bei der Göttin preist er mit der Strophe :

Tannhäuser [in höchster Verzückung]

Dir, Göttin der Liebe, soll mein Lied ertönen !
Gesungen laut sei jetzt dein Preis von mir !
Dein süßer Reiz ist Quelle alles Schönen,
und jedes holde Wunder stammt von dir.
Wer dich mit Glut in seinen Arm geschlossen,
was Liebe ist, kennt er, nun er allein : -
Armsel’ge, die ihr Liebe nie genossen,
zieht hin, zieht in den Berg der Venus ein !

Durch das Entsetzen aller gibt es nur noch einen Weg zur Rettung, das Büßen und dies soll Tannhäuser (Heinrich v. Ofterdingen) durch eine Pilgerfahrt nach Rom errei­chen, und dort dem Papst seine Sünden gestehen, damit er ihm vergibt.

Somit ist für den Haupt-​Protagonisten erst einmal Schluss mit der Freude und der Leidenschaft, nun muss dafür gebüßt werden.

Der Reinheit weißen Kleides

Die Erotik im Tannhäuser-Drama hat jetzt erst einmal eine Pause mit Enttäuschungen für Elisabeth und Wolfram – denn Tannhäuser kehrt mit den heim­keh­renden verge­benen Pilgern nicht zurück (3. Act).

Da nun Liebe immer wieder aufflammen kann, kehrt die Erotik wieder zurück, und zwar in dem zurück­keh­renden Tannhäuser (Heinrich v. Ofterdingen), dem in Rom vom Papst die Sünden nicht vergeben wurden und der voll­kommen verzwei­felt darüber mit hängendem Kopft wieder nahe der Wartburg erscheint.

Es ist Nacht geworden. – T a n n h ä u s e r tritt auf. Er trägt zeris­sene Pilgerkleidung, sein Antliz ist bleich und entstellt ; er wankt matten Schrittes an seinem Stabe. (Regieanweisung)

Als Tannhäuser voll­kommen darnieder nun im Tale Wolfram gegen­über­steht, kommt es erst einmal zu einer verzwei­felten Erzählung über die Pilgerfahrt (Romerzählung), die für ihn (Tannhäuser) negativ ausge­fallen ist, denn ihm wurde vom Papst seine Sünden nicht vergeben.
Das Ganze ufert in einen längeren Monolog aus (die Erotik ist noch am ruhen)… bis zu dem Zeitpunkt, als Tannhäuser die Erinnerung kommt…

Ach, lass mich nicht verge­bens suchen, –
wie leicht fand ich doch eins­tens dich !
Du hörst, dass mir die Menschen fluchen, –
nun, süsse Göttin, leite mich…

Es beginnt ein entsetz­li­cher Kampf (auch in der Komposition), peit­schende Streicher flammen auf in einer Art “Fegefeuer der Versuchung” denn Wolfram will den immer mehr sich hinge­benden Tannhäuser stoppen und abbringen, doch er ruft die Venus an und will in ihr Reich eindringen (!).

Entzücken dringt durch meine Sinne,
gewahr‘ ich diesen Dämmerschein ;
dies ist das Zauberreich der Minne,
im Venusberg drangen wir ein.

Die letzte Zeile ist schon HardCore…

Nun erscheint die Venus wieder in Person.

In heller, rosiger Beleuchtung wird V e n u s , auf einem Lager ruhend, sichtbar. (Regieanweisung)

Jetzt sei es ratsam meinen Beitrag Der Fluch des Eros zu lesen, denn nach der hervor­ra­genden Aufführung im Jahre 2018 schrieb ich ihn nieder, da in dem Jahr die Rückkehr-​Scene der Venus choreo­gra­fisch so genial darge­stellt wurde, wie es kein Opernhaus besser darstellen kann… (und mich zu orgi­as­ti­schen Begeisterungsstürmen hinriss). 

Geliebter komm, sieh dort die Grotte…

Diese soge­nannte “Rückkehr-​Scene” zeigt rein sach­lich gesehen das Wiedererscheinen der Göttin, nachdem sie das Rufen ihres Sklaven (Tannhäuser) gehört hat.
Es ist ein verzwei­felter Kampf der Versuchung gegen den Fluch des Eros und den Verführungskünsten der Venus.

Die Venusgöttin wurde dieses Jahr (2022) von einer türki­schen Darstellerin (Deniz Yetim) mit pech­schwarzem Haar gespielt, mit feuer­rotem Kleid und Schleier – im Hochpunkt stand sie auf einer Erhöhung in vollem Scheinwerferlicht mit magne­tisch ausge­streckter Hand.

…doch dann fällt der entschei­dende Name :

…der sich soeben von W o l f r a m losge­rissen, bleibt, wie von einem heftigen Schlage gelähmt, an die Stelle geheftet. (Regieanweisung)

Elisabeth!”

Die Macht dieses Fluches ist gebrochen…die Göttin kann es noch nicht fassen, sie sieht, dass ihr Zauber nicht mehr wirkt.

Sie verschwindet, und mit ihr die ganze zaube­ri­sche Erscheinung. Das Thal, vom Morgenrot erleuchtet, wird wieder sichtbar… (Regieanweisung)

Heilige Elisabeth, bitte für mich!”

Er stirbt. (Regieanweisung)

Wieder einmal schei­tert der Held und das Werk endet nach der Rückkehr der Pilger mit Leid und Sterben (es sind eben Dramen und keine Lustspiele), obwohl die Pilger die eher gute Nachricht von Rom bringen, dass nämlich Tannhäuser (durch das soge­nannte Stabwunder) nun doch die Sünden vergeben worden sind, dies nützt ihm aber nichts mehr, er ist ja bereits tot…
Der Held hat wie so oft, sein Heil nur durch seinen Tod erreicht
(sh. Tristan).

Was bedeutet nun aber dieses drama­ti­sche Finale in bezug auf das Hauptanliegen dieses Beitrages, nämlich der Erotik im Tannhäuser-Drama ?
Es zeigt ja wieder einmal (wie im Holländer und im Tristan) einen Erlösungstod, und dies von den Lüsten der Liebe und des Eros ?

Kein unbe­schrie­benes Blatt


Es ist natür­lich immer gut, wenn gewisse Fragen unbe­ant­wortet bleiben, nur weiss man aus der Geschichte, dass Liebe und Tod nahe beiein­ander stehen (sh. Liebestod im Tristan), aller­dings ist es hier ja keine Liebe, sondern reine Lust, die mit Liebe eigent­lich gar nichts zu tun hat.
Psychologisch gesehen hat Sex und Liebe eigent­lich gar nichts mitein­ander zu tun, denn Liebe ist nur ein Blendwerk der Natur zur Aufrechterhaltung der Brut (nicht von Goethe, sondern von mir!).

Tannhäuser entsagt durch seinen Tod den Lüsten des Eros, aber zu Elisabeth war es reine jung­fräu­liche Liebe, die quasi der Auslöser für seinen Tod ist, weil er ja den Namen nennt und damit die Macht des Eros in Form der Venusgöttin bricht.

Ist damit die eroti­sche Liebe zu Ende ?
Wohl kaum, zu mindes­tens nicht in Wagners Werken, sie glüht immer wieder auf, im Liebestod im TRISTAN, in der Zwillingsliebe Siegmund und Sieglindes in der WALKÜRE, in der hexen­ar­tigen Gestalt der Kundry im PARSIFAL u.v.m.

Das Erotische des Venusberges (!) zieht den Mann eben an und bedeutet eher Versuchung und Lust (die schnell in Sucht über­gehen kann), als wahre Liebe.
Aber wenn dieses Anziehen nicht wäre, gebe es keine Mensch.

Und wie schreibt Schopenhauer : “Ohne Geschlechtstrieb gebe es
keine Menschen”.

Was lernen wir nun daraus ?

Liebe kann schnell in die Nähe des Todes rücken”

Anlass zu diesem Beitrag war mein vier­zehnter Besuch der halb-
szeni­schen Aufführung von Wagners “Tannhäuser” im Festsaal

der Wartburg, wo ich dieses Mal zwei kurz hinter­ein­ander liegende
Aufführungen besuchte (also mein 14. und 15. Tannhäuser uf Wartburg)
mit zwei verschie­denen Plätzen (Oktober 2022).

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*sh. Fotos Wartburg Eisenach :

*sh. auch meinen Beitrag “Der Fluch des Eros”:


*sh. auch “Im Rausch der Sinne” Teil 1 :


(Sonstiges)

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