Erotische Symbolik im “Tannhäuser”
von Richard Wagner
- Teil 1 -
Fast alle Werke RICHARD WAGNERS enthalten starke Symbolik, was schon manchmal in die Richtung Pornografie geht, worüber man heute lachen würde.
Nur zu dem damaligen Zeitpunkt sah es mit diesem Thema anders aus – Wagner hatte mehrfach Probleme seine Werke oder die Betitelung seiner Werke durch die Zensur zu bekommen, was die Konsequenz hatte, dass er die Werke teilweise umtitulieren musste.
Hier sticht ein Werk hervor, was eine gebündelte Erotik beinhaltet, andere Werke stehen daneben immer noch leicht zurück, und dies ist sein TANNHÄUSER und der Sängerkrieg auf Wartburg.
Hierbei sei am Rande bemerkt, dass es auf und nicht auf der heißt.
Dieses kommt durch den Titel in landesüblicher Sprache : “Tannhäuser und der Sängerstritt uf Wartburg”.
Bei der berüchtigten, abwegigen sogenannten “Pariser Fassung” heisst der Titelheld allerdings noch Tannhauser und nicht Tannhäuser (mit ä), was sich erst danach einbürgerte.
Wagner wollte das Werk erst “Der Venusberg” nennen, was nicht zugelassen wurde, somit ging er über zum heute bekannten Titel.
Von diesem Werk, was im Schaffen Wagners das Umbruchswerk darstellt, existieren durch kontinuierliche Veränderungen seines Schöpfers viele Fassungen, alleine vier autorisierte Fassungen und unzählige Mischfassungen.
Bei jeder Aufführung oder Aufnahme muss immer auch die Fassung mit angegeben werden (Ur-Tannhäuser, Dresdener Ur-Aufführungs-Fassung, Pariser Fassung, Wiener Fassung).
Bei der sogenannten Wiener Fassung handelt es sich der Information wegen eigentlich nur um eine (aus dem Französischen) rückübersetzte Fassung der Pariser Fassung, quasi die zweite Pariser Fassung, bei der neben verschiedenen Kürzungen, auch von Wagner die ehemalige Ouvertüre benutzt wird, allerdings zum ersten Mal nahtlos in den 1. Act hineingehend.
Mit der Pariser Fassung wollte Wagner in der Grand Opera in Paris Fuß fassen, was aber kläglich scheiterte.
Deshalb ist diese Pariser Fassung auch eher selten auf den Bühnen zu sehen.
Von meinen 23 Tannhäusern waren nur vier die Pariser Fassung, allerdings in deutscher Sprache, was zeigt, dass es auch nicht die reine Pariser Fassung ist.
Eine beliebte und häufig gespielte Fassung ist eine Mischfassung, nämliche die “Dresdner Fassung” mit dem Pariser “Bacchanal” des 1. Actes der “Pariser Fassung”.
Und dieses “Bacchanal” (ungezügeltes, ausschweifendes Fest, Trinkgelage) alleine enthält einen starken Bordellglanz mit Rotlicht und erotischer Rauschhaftigkeit.
Im Zentrum steht allerding eine, und dies ist die VENUSGÖTTIN, die in ihrem Reiche herrscht, regiert und alles in ihren Bann schlägt (mit den Waffen der Frau).
Und wie schrieb Wagner : “Jede Frau hat einen Teil Hexe, Hure
und Heilige“
Und in jedem Mann steckt ein Teil Tannhäuser.
Hier ist die VENUS natürlich die Hure und ihr Gegenpol die ELISABETH in der geordneten Gesellschaft auf der Wartburg die Heilige (abgeleitet von der Sage der Heiligen Elisabeth).
Zwei Frauengestalten aus gegensätzlichen Welten, die mythische Göttin der Sinnlichkeit, Herrscherin über das unterirdische Freudenhaus und die jungfräuliche Fürstin der Wartburg.
Tannhäuser heißt auch nur Tannhäuser im Venusberg, in der geordneten Gesellschaft der Wartburg heißt er Heinrich von Ofterdingen.
Dies symbolisiert seine gespaltene Persönlichkeit, sein hin und her gerissenes Dasein, seine innere Zerissenheit.
Das Bacchanal (der Pariser Fassung) beginnt mit dem sogenannten
“Sirenenbad”.
Sirenen symbolisieren Nixen, Elfen, Amoretten, Satyren, Faunen, also weibliche Fabelwesen.
Hier sei der verführerische Gesang dieser Sirenen zitiert :
Naht euch dem Strande,
naht euch dem Lande,
wo in den Armen
glühender Liebe
selig Erbarmen
still’ eure Triebe !
Man erkennt in diesem verführerischen Gesang schon durch einzelne Worte, worum es geht : orgiastische Triebe, glühende Liebe.
Es zeigt den Rausch des Eros (sh. Beitrag : Der Fluch des Eros), aber im Laufe des Werkes wird immer deutlicher, dass dieser Rausch zum Fluch wird (ähnlich Rauschgiften, die schnell zur Sucht werden können).
Bereits hier soll das Rauschhaft, Triebhafte der erotischen Liebe symbolisiert werden, wo man nicht mehr Herr seiner Sinne ist, wenn allerdings das Rauschhafte endet, endet alles…
Der Erostrieb, ein Trieb der Wonne und Fluch gleichermaßen bedeutet.
“Ohne Geschlechtstrieb gäbe es keine Menschen” (Schopenhauer).
Schon durch diese Einleitung (in der Pariser Fassung) erkennt man als geübter Hörer in der Rhetorik, wohin der Weg geht.
Die Venusgöttin versucht den zweifelnden Tannhäuser in ihrem Venusberg (!) zu halten, Tannhäuser zeigt aber schon im dreimaligen Anstimmen des “Preisliedes an die Venus”, dass er allem entfliehen will, er wieder die Schönheit der realen Erde genießen will und nicht den Schein des Rauschhaften.
Immer stärker wird der Zweifel, bis die Venus zu dem markanten (und bekannten) Zitat als letzte Rettung greift :
Geliebter, komm ! Sieh dort die Grotte,
von ros’gen Düften mild durchwallt !
Entzücken böt selbst einem Gotte
der süß’sten Freuden Aufenthalt :
besänftigt auf dem weichsten Pfühle
flieh’ deine Glieder jeder Schmerz,
dein brennend Haupt umwehe Kühle,
wonnige Glut durchschwell’ dein Herz.
Aus holder Ferne mahnen süße Klänge,
daß dich mein Arm in trauter Näh’ umschlänge :
von meinen Lippen schlürfst du Göttertrank,
aus meinen Augen strahlt dir Liebesdank : -
ein Freudenfest soll unsrem Bund entstehen,
der Liebe Feier laß uns froh begehen !
Nicht sollst du ihr ein scheues Opfer weihn, -
nein ! – mit der Liebe Göttin schwelge im Verein.
Jetzt geht es richtig zur Sache (heute würde man HardCore sagen).
Wenn man diesen Teil des Librettos (1. Act) liest, merkt man, worum es der Venus geht und wie sie alle Register ziehen will, Tannhäuser in ihrem erotischen Bann zu halten, in der Üppigkeit und Wollust ihres Reiches.
Am Rande sei bemerkt, dass der nahe gelegene Hörselberg vaginale Grotte hat, die sogar im Ur-Tannhäuser mit in die Handlung eingeschlossen sind.
Bei meinen zahlreichen Besuchen in Eisenach bin ich sogar im Jahre 2006 einmal interessenshalber den Hörselberg von hinten hoch, um in eine dieser Grotten zu gelangen (sh. Foto), dieses ist mir auch gelungen (mit Interesse fängt ja alles an).
Wenn man es weiterinterpretiert, zog mich die Grotte auch an (genau wie Tannhäuser), was dieses schon fast waghalsige Unternehmen zeigte, aber welchen Mann zieht dies nicht an (also nicht der Hörselberg, sondern die Grotten der Frau)?
Wie schreibt GOETHE hierzu im Faust : “Das Ewig-Weibliche zieht uns
hinan.“
Für so etwas ist unser Goethe natürlich gut zu gebrauchen.
Als sich immer mehr zeigt, dass Tannhäuser kaum noch zu halten ist, beschimpft die Venus ihn schon als Wahnsinnigen und Verräter in erbosten Zorn.
Aber die Venus läßt nicht locker, sie legt Tannhäuser nahe, wie kalt und verflucht das Menschengeschlecht ist (womit sie ja Recht hat) und er den Fehler macht, sein Heil in der realen Welt zu suchen (womit sie in gewisser Art und Weise auch Recht hat).
Immer mehr bricht das Bündnis bis zu dem Punkt, als Tannhäuser den Gegenpol zu der Venus erkennen läßt, nämlich die ELISABETH (die für das Helige steht), also die jungfräuliche Hauptrivalin, die Ihre Macht (Venus) bricht :
“Mein Heil ! mein Heil ruht in Maria!”
Maria steht hier (wieder einmal symbolisch) für die Reinheit und Treue.
In einer Art plötzlichen Umbruchs ist die Macht der Göttin gebrochen und sie verschwindet (Regieanweisung : Furchtbarer Schlag. Venus ist verschwunden).
Dieses ist nicht das Ende des 1. Actes, sondern das Ende der 2. Scene dieses Actes (die 1. Scene ist das Sirenenbad).
Damit ist das eigentliche Thema, nämlich die Erotik erst einmal (zumindestens in diesem Act) beendet.
Was lernen wir nun aus dieser 2. Scene ?
Die Symbolhaftigkeit der Erotik ist hier durch vaginale Grotten, durch die herrische Venusgöttin im Venusberg (!), durch Düfte, durch süße Klänge, durch Freudenfeste, durch Göttertrank, , wonnige Glut, brennende Häupter, glühende Liebe und Triebe kaum zu überbieten.
Aber auch wenn es dann abflammt, tritt es wieder auf (Das Sehnen, das furchtbare Sehnen), und dieses Wiederaufflammen kommt dann im Finale des Werkes.
Die Intensität wird erst in dem besagten Finale weitergeführt, als sich der Venusberg wieder öffnet (!), und die Venusgöttin wieder erscheint.
Anlass zu diesem Beitrag war mein vierzehnter Besuch der halb-
szenischen Aufführung von Wagners “Tannhäuser” im Festsaal der
Wartburg, wo ich dieses Mal zwei kurz hintereinander liegende
Aufführungen besuchte (also mein 14. und 15. Tannhäuser uf Wartburg)
mit zwei verschiedenen Plätzen (Oktober 2022).
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*Weiterführung “Im Rausch der Sinne” Teil 2 :