“Eingedenk .….….….….……”
Immer wieder passiert es einem reisenden Menschen in gewissen Städten an Häusern sogenannte “Erinnerungstafeln” zu erblicken.
Natürlich nur, wenn man ein Auge dafür hat…
Dieses bedeutet, dass in diesem Haus einmal vor langer Zeit eine bekannte Persönlichkeit gewohnt oder gewirkt haben muss.
Oftmals wird auch der Name einer “Berühmtheit” aus kommerziellen Gründen benutzt, um z.B. ein Hotel herauszuheben aus der Menge aller anderer Hotels in der jeweiligen Stadt.
Denn in diesem Hotel, weilte ja einmal in grauer Vorzeit diese berühmte Person und nicht in einem anderen…
Bei meinem 5. Venedig-Aufenthalt im Juli weilte ich auch in so einem Hotel.
Welches ist eigentlich egal – aber hier hatte um 1850 der britische Schriftsteller John Ruskin geweilt und vor allem, gewirkt.
Auch ein Venedig-Begeisterter (wer ist das nicht?), der sich aber auch Gedanken um den Erhalt der Stadt im steigenden Meer machte.
Er verfasste nach seinen Eindrücken ein mehrteiliges sehr umfangreiches Werk (“The stones of venice”).
Dieses ist meines Wissens (fast) nur auf Englisch erschienen, eine Ausnahme bildet eine 3 bändige Taschenbuchausgabe von 1994 (Harenberg-Verlag), die man in Deutsch genießen kann.
Inwieweit Ruskin nun wirklich in diesem Hotel weilte und vor allem, wie lange, bleibt dahingestellt. Hierbei geht es natürlich nur darum, das Hotel durch den Namen des eher unbekannten Autors (ich kannte ihn bis zu dem Zeitpunkt auch nicht) herauszuheben…warum nicht ?
Nicht weit entfernt im südlichen Stadtteil Venedigs Dorsoduro traf ich in einer Seitengasse der Zattere auf eine weitere “Berühmtheit” und ein Mensch mit einer kulturellen Bildung wie ich, erkannte diese Person sogar an seiner Handschrift.
Und zwar ist dies der italienische Maler Amedeo Modigliani, der aus der Toskana stammt.
Aus früheren Jahren meiner intensiveren künstlerischen Aktivitäten hatte ich allerdings Modiglianis Werke nicht unbedingt als bewundernswert in Erinnerung.
Wie man erfahren kann, hatte er ein eher trauriges Leben mit Krankheiten, Drogen und frühem Tod.
Auch bitterarm soll er gewesen sein, aber dann ein Haus in Venedig (?), widerspricht sich aber gewaltig.
Dass er hier in Venedig ein Haus hatte, war mir neu und ich erfuhr es auch erst durch Recherchen nach meiner Rückkehr aus Venedig.
Nun hat eine weitere Stadt, die auch in der Toskana liegt, einiges an großen Geistern angezogen.
Im südlichen Stadtteil Santo Spirito von Florenz trifft man auch auf einige Tafeln mit den Namen berühmter Persönlichkeiten, bekanntere oder auch unbekanntere.
Wie man dem obigen Foto entnehmen kann, weilte in diesem Haus der russische Komponist Pjotr Iljitsch Tschaikowski (Pëtr Il’ič Čajkovskij).
Genau wie der aus Florenz stammende Bildhauer Pasquale Romanelli,
der ja eher unbekannt ist (auch mir), hier Tage seines Daseins verbracht haben muss.
Ein weiterer Name ließ wieder im sommerlich warmen Florenz des Jahres 2014 mein Gedächtnis arbeiten, nämlich Louis Aragon.
Ich brauchte schon eine kurze Zeit, bis mir einfiel, dass dies ein surrealistischer Schriftsteller aus Frankreich war/ist, der hier im Süden sicher mehr Ruhe fand für seine Arbeit, als im lauten Paris.
…der heiße Hauch des Südens
Im zweiten September-Teil diesen Jahres zeigte sich mir das südlich Sevilla eher mit bedeckter Wolkendecke.
Sevilla ist ja nicht nur die Stadt der Opern und des Flamencos, sondern auch die Stadt einer ausgedehnten Keramik-Kunst.
Man kommt an kaum einem Haus vorbei, an dem nicht irgendetwas (egal was) mit Keramik verziert ist.
Straßenschilder, Türklinken, Hausnummern, Handläufe von Treppen, Arztschilder, Hausklingeln mit Namensschild, Eingangstüren, Fensterrahmungen, und somit auch “Erinnerungs-Schilder” an Personen, die einen Bezug zu dieser jeweiligen Wohnstätte haben.
Ob rund, gerade, eckig, um die Ecke, von unten nach oben, von oben nach unten … egal, man hat das Gefühl, dass man versucht diese Kunst überall zu präsentieren.
…Erinnerungen an Marokko
Der marokkanische Einzugsbereich erstreckte sich in früheren Jahren (soweit ich weiß) ja bis hoch in spanische Gefilde.
Die marokkanischen Mosaikkunst Zellig lässt ja jeden Marokko-Besucher vor Staunen stumm werden, da er nicht nur handwerkliches Geschick aufweist, sondern auch viel Fantasie.
Somit ist es natürlich denkbar, dass diese Mosaikkunst hier in der Torero-Stadt aus dem afrikanischen Marokko stammt und dort seine Wurzeln hat.
Um nun zum Ausgangsthema zurückzukehren, gibt es auch hier in Sevilla eine große Anzahl dieser “Erinnerungstafeln” an den Häuserwänden, die von der Aufmachung gleich aussehen, alle rechteckig mit denselben Maßen und in blauer Schrift auf weißem Hintergrund.
Man hat hierbei sogar noch ein bisschen mehr Fantasie aufgebracht, als bei anderen Tafeln.
Denn man gibt dieser rechteckigen Tafel erst einmal einen schönen Rahmen, der sogar oft herausgearbeitet ist.
Des Weiteren erscheint die besagte Person links oben in der Ecke der Tafel mit einem Bild, sogar oftmals bei der Arbeit oder in seiner Berufskleidung.
Man erkennt also auf einen Blick, ob es sich um eine Privatperson handelt oder einen Gewerbetreibenden.
Manchmal erscheint sogar ein Ehepaar – wenn schon immer Zank und Streit war, dann soll man für die Nachwelt wenigstens hier friedlich vereint erscheinen.
Der künstlerische Effekt wird noch gesteigert, indem man das Bild der Person durch Kränze und Rahmungen heraushebt, Ehre wem Ehre gebührt, ob es stimmt oder nicht.
Die oben zu sehende Dame zeigt ja mit ihrem strahlenden Lächeln eine gewisse mütterliche Ausdruckskraft.
Dieses wird durch einen Rahmen um ihr Gesicht noch hervorgehoben.
Wenn man bei dieser Tafel in die untere Zeile schaut, erkennt man links das Wort “TUS Vecinos” – ob es sich hierbei um einen Fußballverein handelt, ist fraglich (?)
Auch die Wahl der Schriftart weicht von Tafel zu Tafel ab, es ist also jede Tafel einzigartig, auch wenn sie auf den ersten Blick gleich erscheinen.
Jeder Mensch ist ja auch einzigartig, dadurch muss ja auch jede Tafel anders sein.
Dem Gesicht dieser strahlenden Dame ist der ganze linke Teil der Tafel gewidmet, der Text beschränkt sich nur auf den rechten Teil.
Hierbei ist der ganze Text in Versalien (Großbuchstaben) geschrieben, was einen Schriftsetzer wie mich eher abschreckt, da man Fließtext niemals in reinen Großbuchstaben setzen sollte, höchstens Überschriften, oder herausgehobene einzelne Worte.
Dies ist allerdings “Fach-Latein”.
…das südliche Triana
Wenn man genau hingesehen hat, konnte man feststellen, dass auf vielen dieser Platten als Fußzeile vor dem Datum das Wort TRIANA erscheint.
Dieses ist ein südlich vom Kanal (Canal de Alfonso XIII.) gelegener Stadtteil, der für mich, auch bei einem früheren Besuch dieser Metropole, einen ruhigeren Eindruck machte.
Nicht so viel Verkehr, kleinere Geschäfte, schöne Gassen…und eben sehr viele dieser Gedenktafeln.
Wie man der Fahne entnehmen kann, scheint hier das Wasser nicht weit entfernt zu sein, was auch stimmt, die Anzahl der Fisch-Restaurant ist auch auffallend hoch.
Die erste Häuserzeile am Kanal genießt sicher einen schönen Ausblick, nicht nur auf den Kanal, sondern auch auf das oberhalb liegende Santa Cruz.
Der Herr auf der oben zu sehenden Tafel scheint die Kunst des Flamenco-Tanzes gut beherrscht zu haben, denn er wird hier als “maestro de baile” direkt unter seinem Namen tituliert.
Wenn man nachsieht, bedeutet dies soviel wie “Tanzlehrer, Ballettmeister etc. “
Dass er die Musik im Blut hat, zeigt schon die Körperhaltung auf dem Bild. Das Bild braucht gar keine Rahmung, da seine Gestikulation eine Rahmung unnötig macht.
Auch die Mütter bekannter Persönlichkeiten kommen nicht zu kurz.
Die oben zu sehende, etwas schlichter gestaltete Tafel, ist nämlich nicht dem eigentlichen “Helden” gewidmet, sondern dessen Mutter (!), wie man sehen kann, handelt es sich hier um die Mutter des Poeten (“madre de los poetas”) Manuel Y Antonio Machado.
Und somit zeigen sich dem Besucher der Stadt nicht nur bekannte Persönlichkeiten, sondern auch normale Handwerker, Toreros, Poeten und stadtbekannte Personen oder sogar deren Mütter (!).
Abschließend sei zu sagen, dass man diese fantasievolle Keramik-Kunst also nicht nur als “Eye-Catcher” (wie man heute sagen würde) zum Anlocken von Besuchern und Kunden benutzt, sondern auch eher unkommerziell benutzen kann.
Als Werbung für meinen Blog würde dies an meinem Hotel in Sevilla sich auch gut machen.
“Wenn alle Toten auferstehen, dann werde ich in Nichts vergehen!”
(“Fliegender Holländer”, 1. Act)
Fotos Sevilla 2019 :