“In Richtung Orient”
Dieses dachte sich ein gewisser Herr Zeitz zu Anfang des letzten Jahrhunderts.
Er hatte bereits 1886 ein Unternehmen für den Tabak-Import von den Anbaugebieten in Nord-Griechenland gegründet – dazu gehörte schon einiger Mut…aber dem nicht genug.
Seine eigene Zigarettenmarke hatte ihren Tabak aus einem Anbaugebiet nahe dem Orte YENIDZE in Griechenland, der damals noch zum Osmanischen Reich gehörte.
Er träumte davon auch eine Fabrik in Dresden nahe der Elbe zu bauen.
Doch man machte ihm einen Strich durch die Rechnung – es war nämlich zur damaligen Zeit verboten, im Stadtbereich ein Fabrikgebäude zu errichten, was als dieses auch verständlich zu erkennen ist.
Schade … aber da kam mal wieder einer der großen Momente in der Geschichte, von denen man sagen kann…
“…eine gute Idee ist besser als ein Leben lang Büroarbeit!”
Er hatte die grandiose Idee, das Fabrikgebäude so zu tarnen, dass es gar nicht als solches erkennbar ist, quasi mehrere Fliegen mit einer Klappe schlagen und störende Gesetze umgehen.
Somit entwarf er 1907 mit einem Architekten ein “Fabrikgebäude”, was von außen wie eine orientalische Moschee aussah – fantasievoll mit farbig verglaster Kuppel und Schornsteine, die wie Minaretten aussahen.
Hiermit sollte natürlich auch Werbung für seine aus dem Orient stammenden Tabakprodukte gemacht werden – quasi eine “Tabak-Moschee”.
Als solches auch ein guter Werbetrick, der andere Werbung jeglicher Art in den Schatten stellte.
Nach 3 Jahren Bauzeit war man im damals eher konservativen Dresden, auch wenn es nicht mehr wie eine Fabrik aussah, doch nicht so begeistert davon.
Es war allerdings in aller Munde, bzw. in aller Augen.
Und somit stieg die orientalische “Fabrik” zur damals größten Zigarettenproduktion Deutschland auf.
“Na, wenn das keine gute Idee ist…”, dachte sich Herr Zeitz – gute Einrichtungen für die Arbeiter, Waschstellen, alles voll klimatisiert, Kantine, Ruhezonen, Dachterrasse… und dann noch ein Gebäude, was aller anderen Architektur trotzt.
Außerdem steht es auch noch symbolisch für das Produkt, was drinnen gefertigt wird.
Meine Erinnerungen an den Aufenthalt 1993 in Istanbul kamen dann doch hoch, und so machte ich mich im September 2005 von meinem Quartier in der Äußeren Neustadt auf Richtung Elbe, bzw. Richtung
Orient.
Man baute und zimmerte zu dem Zeitpunkt am Elbufer nahe dem sächsischen Landtag an einem anderen Gebäude, nämlich einem riesigen Luxus-Hotel, was dem Elbufer bestimmt keinen schönen Anblick verschaffen würde.
Noch das Hämmern und Bohren in den Ohren, näherte ich mich der “Moschee” – diese machte schon von weit her einen imposanten Eindruck.
Wenn man natürlich davor steht, kommt man aus dem Staune nicht mehr heraus.
Im nachbarlichen Fußball-Stadion waren ziemliche Krawalle zu hören, aber trotz Hämmern und Krawalle, ließ ich mir dieses Objekt für die Kamera nicht entgehen.
Ich hatte allerdings nicht vor, mir das ganze “Gebäude” anzusehen, außerdem wird Vieles als Geschäfts- und Büro-Haus genutzt.
In meiner vorbereitenden Literatur hieß es, dass in der prachtvoll gestalteten Kuppel ein Restaurant untergebracht sei …und auch eine Dachterrasse einen wunderbaren Ausblick bieten solle.
Das kleine Restaurant in der lichtdurchfluteten Spitzbogen-Kuppel ließ einen orientalischen Flair aufkommen, dass man eigentlich gar nicht mehr zu essen braucht.
Die Glaskuppel besteht aus vielen verschiedenfarbigen Glasteilen, die das einfallende Licht brechen.
Somit kommt man kaum noch dazu, seinen Blick auf das Essen zu werfen – dadurch kann ich mich auch gar nicht mehr entsinnen, was ich überhaupt gegessen habe – ist ja auch eigentlich egal, denn zum Essen war ich ja gar nicht dorthin gegangen.
Als Krönung war der Ausblick von der Terrasse gedacht, auf der man sich in Klappstühlen niederlassen kann.
Warum ich keine Fotos von dort oben gemacht habe, ist mir bis heute ein Rätsel, vielleicht versagte die Kamera vor dem berauschenden Motiv.
Doch da fiel mir etwas anderes ein…
…ich schreibe immer wieder gerne Postkarten an Bekannte, auch wenn dies überholt erscheint.
Die damalige Nachbarin leerte immer meinen Briefkasten und goss die Blumen, wenn ich auf Reisen war.
Ich hatte ihr gesagt, dass ich nach Dresden wolle, sie wird sicher bei dem Anblick der Postkarte gedacht habe, dass ich aus dem Orient schreibe, als sie das Bild sah…
…kam ja auch fast hin…
Auf dem Rückweg an der Elbe entlang, hörte ich wieder das Bohren und Hämmern der Arbeiten auf der naheliegenden Baustelle des neu entstehenden “Luxus-Hotels”…
Was nun dem Panorama der Elbe mehr schadet, das Hotel heute oder die Yenidze damals, bleibt allerdings offen (?)…
Was lernen wir daraus :
“Wenn zwei das gleiche tun, ist es noch lange nicht dasselbe”
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*sh. auch Beitrag über die Ravensberger Spinnerei in Bielefeld :
*Fotogalerie Dresden :