Vornamen und andere Namen

Was man sein ganzes Leben lang tragen muss”

Vornamen haben den Nachteil, dass man sie das ganze Leben tragen muss. Dies muss aber kein wirk­li­cher Nachteil sein, denn es gibt auch Vornamen, die schon tief “rein­gehen”, also nicht die, die für alle genommen werden oder bei denen man keinen anderen finden konnte, sondern Vorname, die tief unter die Haut gehen.


Wenn man da an die großen Komponisten des italie­ni­schen Belcanto denkt, sieht man, dass man im südli­chen Italien doch wesent­lich mehr Phantasie hat, zumin­des­tens bei der Suche von Namen eines Neuankömmlings, ob dann aus dem Neuankömmling ein großer Komponist wird, ist bei der Wahl des Vornamens noch nicht abzu­sehen.

Wenn man etwas genauer hinsieht, haben Vornamen (und Namen) noch andere Verwendungsmöglichkeiten, zum Beispiel werden ja auch Plätze, Straßen etc. nach bedeu­tenden Personen benannt, und diese hatten ja alle einen Vornamen und einen Zunamen.
In Italien trifft man immer wieder auf Giuseppe Garibaldi und auch auf Vittorio Emanuele beim Suchen nach Straßen, Plätzen, Parks etc. und wer suchet, der findet.

Corso Vittorio Emanuelle – Palermo 2008

Bei den beiden genannten Herren handelt es sich um poli­ti­sche Objekte, einen Freiheitskämpfer und einen König, was sich immer gut macht, aller­dings ist es immer ratsamer Straßen besser nach Schöpfern zu benennen, als nach Politikern, es gibt ja nun in Germany keine Stadt, wo nicht irgend­etwas nach unserm Goethe oder Beethoven benannt ist, das wird nur noch einge­holt von Luther.

Wenn man nun die Rollenregister der Werke oben ange­spro­chener Komponisten des italie­ni­schen Belcanto betrachtet, allen voran die ersten vier, Verdi, Rossini, Bellini und Donizetti, springen einem Namen ins Auge, an denen man hängen­bleibt, weil sie wie oben bereits erwähnt, unter die Haut gehen, stark die Gefühlswelt anspre­chen und die Fantasie anregen. 

Lorena … Laura … Leonora … Lorenzo … Loredano

LORENA kommt ja aus dem Lateinischen und wenn man sich in der Schule mit Latein herum­ge­quält hat, weiss man, dass es von laurus kommt und dies bedeutet Lorbeerkranz, also quasi die “Lorbeerbekränzte”, die “Siegerin”.
Es ist eine Weiterbildung des Namens Laura, aller­dings schließt man hier auch auf eine Stadt im alten Rom, nämlich Laurentum, also die “Frau aus Laurentum”.
Es war eine Stadt west­lich von Rom, ich sage extra war, denn diese Stadt gibt es schon lange nicht mehr, also eher Geschichte. 

Loreto (Laurentum) süd-​westlich von Rom

Wenn man bedenkt, dass die männ­liche Variante des Namens Lorena Lorenz ist und die Italiener das Ganze poeti­scher Lorenzo nennen, kommt jedem Bellini-Freund sofort das fanta­sie­volle Werk “I Capuleti E I Montecchi” in den Sinn, denn hier ist Lorenzo der Arzt und Begleiter Capellios, dem Haupt der Capulets und Vater Giuliettas, also die Umwandlung von Julia, auch wenn anzu­merken ist, dass Bellinis Werk, bzw. das Werk des Librettisten Felice Romani, der den Text verfasste, mit Shakespeares “Romeo und Julia” nichts zu tun hat, hierher stammt nur die Grundidee.

Aber nicht nur beim sizi­lia­ni­schen Bellini tauchen Abweichungen des Namen Lorena auf, auch Verdi setzt in Abwandlung den Namen ein (Laura, Leonora). Leonora, die Hofdame im “Il Trovatore”, Donna Leonora de Vargas im “La forza del destino” (“Die Macht des Schicksals”).

Auch der aus Pesaro an der Adria stam­mende Rossini verwendet in seinem in Venedig im 17. Jahrhundert spie­lenden Werk “Bianca und Falliero” den Namen Loredano als Senator, der zum “Rat der Drei” gehört.
Auch Beethoven nimmt, wie man wissen muss, den Namen Leonore in seinem “Fidelio” mit auf – in seiner Urfassung soll das Werk auch gar nicht “Fidelio” geheißt haben, sondern “Leonore”, man kann vermuten, dass also auch Beethoven sich an den Namen Lorena orien­tiert hat. 

Man sieht den poetisch weichen Geschmack dieses Namens (Lorena), denn bei der Verwendung in den italie­ni­schen Opern benö­tigten die Schöpfer Namen mit mehreren Selbstlauten, die bei der weib­li­chen Variante auf den Buchstaben A enden.

Um zur Ausgangsidee zurück­zu­kehren, ist das Tragen eines Namens nicht unbe­dingt eine Last, sondern kann auch mit Würde voll­zogen werden – es kommt natür­lich darauf an, was man in den Namen hinein­in­ter­pre­tiert…
… den Vornamen Claudia würde ich wahr­schein­lich gar nicht lesen.

I Capuleti E I Montecchi (Vincenzo Bellini)
(Aufführung 2008 in Rom mit Anna Netrebko in der Rolle Giuliettas)

I Capuleti E I Montecchi (Ouvertüre/​Sinfonia)