“Die Bedeutung des Chores in den Werken Richard Wagners
anhand choraler Scenen des “Tannhäusers”
und deren Realisierung im Festsaal der Wartburg bei Eisenach”
- Teil 3 -
(D.) Chorale Stellen im “Tannhäuser” mit der Realisierung vor Ort
Der Festsaal der Wartburg bei Eisenach zeigt nicht nur eine hervorragende Akustik, sondern auch gute Platzierungsmöglichkeiten.
Ohne auf nähere Details einzugehen, bringt die trapezförmig angelegte Decke des Saales ein überraschendes Klangerlebnis – der Klang des im vorderen Bereich platzierten Orchesters scheint in die Höhe zu steigen und verteilt sich nach hinten über die Köpfe der “Zuschauer” hinweg.
Dieses Phänomen fällt einem geübten Hörer am besten auf, wenn er das erste Mal dieses erlebt.
Hierbei ist auch die Platzwahl zu beachten.
Platzierungstechnisch gibt es die Möglichkeit den Chor außerhalb der Scene (z.B. im Foyer) zu lokalisieren, was für den Rezipienten eine Erweiterung der Vision zur Folge hat.
Genauso ist ein Aufstellen auf dem seitlich des Saales verlaufenden Balkons möglich, was das Stimmvolumen des Chores über die Köpfe hinweg führt.
Letztendlich schreitet der im “Tannhäuser” oftmals sich bewegende Chor von hinten durch das Spalier in den Saal, was die Implikation in das Werk immens steigert.
Der oben zu sehende Sitzplan des Festsaals der Wartburg zeigt rechts einen Erweiterungsbau Podium, was man als “Bühne” annehmen kann.
Dieses ist allerdings nur ein fiktiv fixiertes Zentrum, da das Werk im kompletten Saal spielt.
Plätze an der Fensterfront oben haben den Vorteil, dass man den ganzen Saal überblicken kann.
Die Balkonseite (unten) zeigt einen spalierförmigen Ausgang Richtung Foyer, auf diesem ist oberhalb der Balkon, der zur Platzierung von Chöre gut verwendbar ist. Die mit rot markierten Plätze zeigen die Plätze, die ich bisher in den Jahren hatte.
Im hinterer Bereich rechts (vom Podium aus gesehen) herrscht die beste Akustik und Optik (nach meiner Erfahrung).
E.) Umsetzung choraler Scenen im Festsaal der Wartburg
Im Folgenden fünf ausgewählte chorale Stellen im “Tannhäuser”, und deren Realisierung im Wartburg-Festsaal, die weit über die Bedeutung eines normalen Chores hinausgehen und somit hier nennenswert sind.
Der 1. und 3. Act beherbergt auch einen sogenannten A‑Capella-Chor, also chorale Stellen ohne konzertante Begleitung, was zeigt, dass hier der Chor auch das einzige Mittel der Darstellung sein kann.
“Naht Euch dem Lande, naht Euch dem Strande…”
(Gesang der Sirenen und Nymphen, 1.Act, 1. Scene)
Das sogenannte “Sirenenbad” in der Pariser Fassung im Eröffnungs-Bacchanal im Venusberg zeigt, dass es sich hier (auf Wartburg) um eine Mischfassung handelt.
Vor Ort wird durch die außer-scenische Platzierung des Chores im Foyer (außerhalb des Festsaales) die räumlichen Erweiterung der Vision gesteigert.
Das restliche Bacchanal fällt weg und der 1. Act beginnt mit der 1. Scene der Dresdener Fassung im Venusberg (“Geliebter, sag’, wo weilt dein Sinn?”)
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“Zu Dir wall’ ich, mein Jesus Christ…”
(Pilgerchor, Gesang älterer Pilger, 1. Act, 3. Scene) *
Nach der Rückkehr Tannhäusers in die Welt, spielt ein Hirte auf einer Schalmei. Ein auf- und abtretender A‑Capella-Chor der älteren Pilger zeigt ein optisch und akustisch multimediales Geschick der Visionserweiterung.
Im 1. Act wird eine Strophe des Chores (“Ach, schwer drückt mich der Sünde Last…”) von dem nach Reue rufenden Tannhäuser wiederholt.
Es geschieht ein Übergang aus der Scheinwelt des Venusberges in die geordnete Wartburg-Gesellschaft mit dem Wunsch nach Vergebung.
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“Beglückt darf nun dich, o Heimat, ich schauen…”
(Pilgerchor kehrt aus Rom zurück, 3. Act, 1. Scene) *
Nach einigen Minuten A‑Capella setzt das Orchester mit peitschenden Streichern langsam ein.
Es gewinnt immer mehr an Stärke, bis an einem Punkt, als die vorher getrennten Frauen- und Männerchöre sich vereinen und alles steigert in ein ziemliches Klangvolumen untermalt mit Orchester.
Die Ouvertüre der Dresdener Fassung nimmt schon viel Stimmung für die Melodik des Pilgerchores vorweg.
“Heil ! Heil ! Der Gnade Wunder Heil!”
(Pilgerchor – Verkündung d. Stabwunders, 3. Act, 3. Scene) *
Rückkehr des Pilgerchores aus Rom im Finale mit jüngeren Pilgern.
Wiederaufnahme und Fortführung des Pilgerchors aus der 1. Scene des 3. Actes.
Die letzte Strophe wird vom gesamten Chor getragen (Alle in höchster Ergriffenheit - Regieanweisung).
Es entsteht eine starke Steigerung des Stimm-Volumens als finaler Effekt. Vor Ort wird der Zuschauers in die Scene mit eingebettet und impliziert, es geschieht eine Aufhebung der Rolle des Zuschauers in die Rolle des mitwissenden Statisten durch den von hinten einschreitenden Chor (bei der Aufführung 2019 schritt der Chor allerdings seitlich ein, was den Effekt sinken ließ).
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“Freudig begrüßen wir die edle Halle…”
(Einzug der Gäste des Sängerstreits in den Festsaal, 2. Act, 4. Scene)
Unter Trompetenklängen beginnt der Einzug der Gäste in die Sangeshalle, der den Beginn des Sängerwettstreites markiert und von der Masse-Volk-Gäste gehuldigt wird.
Vor Ort wird der Chor (bzw. die Chöre) auf dem seitlichen Balkon positioniert, oben Frauen – unten Männer…(wie es sich gehört).
Es wechselt mehrfach die Ebene von Frauen zu Männer(-Chor).
Eine dreifache Anhebung und Wiederholung der Strophe lässt die Huldigung ins Unermessliche steigen.
Vor der letzten wiederholenden Steigerung glaubt man als geübter Hörer ein chorales Ende, was allerdings nicht der Fall ist – es lässt die Einzigartigkeit dieses Ereignisses (Sängerwettstreit) symbolisch hervortreten.
*Anmerkung :
Der Pilgerchor der älteren und jüngeren Pilger (nach Rom – von Rom zurück) ist immer in Bewegung.
Langsam einherschreitend, in die Scene hinein und aus der Scene heraus (…dem Zuge der Pilger), bewegt sich der Pilgerchor.
Somit entsteht ein an- und abschwellendes Klangvolumen durch Auftauchen und Ausschreiten des Chores mit einer räumlichen Erweiterung durch Kommen und Gehen.
Als Folge ergibt sich eine optische und akustische Erweiterung durch die Platzierung und Abfolge der choralen Scenen.
(***) Resümee
Erst einmal sei als Resümee zu sagen, dass Chöre ein gelungenes Instrument bis zurück ins antike Griechenland waren und sind.
Neben dem Einsatz von Chören bei vielen Komponisten sieht man Wagners Aufgreifen des Chores als Mittel die Präsenz seines Gesamtkunstwerkes besser in Scenen zu stellen.
Das wagnersche “Gesamtkunstwerk” sollte alle Kunstformen, also auch Chöre, fusionieren.
Man sieht, dass die Platzierung eines Chores im Werk eine bedeutende Rolle spielt, genau wie der Unterschied von einem bewegendem Chor zu einem stehenden Chor.
Der “antwortende” Chor in einzelnene Werken Richard Wagners ist als integrierter Statist zu sehen, der auch choreografisch eingesetzt wird, ähnlich den Chören in Bellinis Werken, die auch als Brücke zu einer neuen Scene anzusehen sind.
Des Weiteren erkennt man unweigerlich die Nähe der halb-szenischen Inszenierung des “Tannhäusers” im Festsaal der Wartburg zu dem Idealbild der multi-medialen wagnerschen Idee.
“Wenn man das Werk Richard Wagners verstanden hat,
merkt man, dass sich einem ganz andere Welten öffnen, und diese Welten gilt es zu ergründen…”
*sh. Fotos Wartburg Eisenach :
*“Bewegte und antwortende Chöre” Teil 1 :
*“Bewegte und antwortende Chöre” Teil 2 :