“Überwindung, Abschied oder Vollendung”
Jetzt kommt mal wieder ein schöner Stabreim, der es in sich hat.
Denn er ist nicht nur ein 4facher Stabreim, sondern ein sauberer 4facher Stabreim – zudem haben die ersten beiden und die letzten beiden Reime drei (!) erste Anfangsbuchstaben, quasi ein doppelt-doppelter sauberer Stabreim.
Aber er zeigt noch wesentlich mehr :
“Der Meister vollendet die Partitur des Parsifals
im Hotel des Palmes in Palermo”
Da werden alle vor Staunen stumm.
Denn in diesem Luxushotel an der Via Roma in der historischen Altstadt von Palermo wurde etwas am 13. Januar 1882 vollendet, was man schon als ein Jahrtausendwerk bezeichnen kann…
In Wagners Leben gab es mehrere 13.
13 Werke (inklusiv der Frühwerke), Vollendung des letzten Werkes in Palermo am 13.01.1882, 13 Monate vor seinem Tod, am 13. Februar in Venedig.
Wagner befürchtete immer durch seinen Tod eine Vollendung des Werkes nicht mehr zu erreichen und an diesem Freitag, den 13. Januar 1882 (13 Monate vor seinem Tod!) werden abends zu Ehren des immer mitreisenden Malers Paul Joukowsky Chor und Ouvertüre der “Feen” (Wagners erstem Werk) gespielt.
Wagner lies es keine Ruhe…
Die letzte Seite der Partitur hatte er a priori zu Cosimas Geburtstag (24.12.) “vollendet”, die 11 vorpaginierten Seiten davor warteten allerdings noch auf die Hand des Meisters.
Das Abschluss-Szenario der Grals-Enthüllung des 3. Actes soll Wagner sich 30–40 Mal durchüberlegt haben, bevor er es festlegte.
Doch am Abend dieses Freitags ist Wagner verschwunden und kurz darauf schaut Cosima nach ihm.
“Es ließ mir keine Ruhe…”, so berichtet Cosimas Tagebuch.
Es wird im kleinen Kreise der Tannhäuser-Marsch gespielt … er kommt herein, und … “es ist vollbracht!”
Es klingt wie Passionsworte einer Vollendung.
“Erlösung dem Erlöser” (Parsifal, 3. Act, Finale)
Eine Vollendung des einzigen Werkes, was positiv ausgeht, was einzig und allein für die Bayreuther Bühne komponiert worden ist und 30 Jahren außerhalb von Bayreuth nicht aufgeführt werden durfte (Schutzfrist).
Eine Vollendung des Werkes, mit dem Wagner die Kluft zwischen Kunst und Religion überwunden hat. (sh. “Wagner in Verona”)
Mit diesem Werk (Parsifal) erklärt Wagner sein Werk zur Religion.
Nach dem Untergang der Welt am Ende in der “Götterdämmerung”, quasi der 5. Teil des “Rings”, hier nun die Wiederauferstehung und die Erlösung durch den Menschen der Zukunft (Parsifal), den reinen Toren.
“…zum Raum wird hier die Zeit” (Parsifal, 1. Act)
Als ich nun meine Weihnachtsflucht-Residenz 2008 in den sonnigen Süden verlagerte, gab es nur eine gute Möglichkeit, und zwar den südlichsten (bedeutenden) Punkt auf der “Wagner-Europakarte”, nämlich Palermo.
Nachdem mir im lettischen Riga eine Besichtigung der Räume des sogenannten “Wagner-Saales” in der Riharda Vagnera iela (Richard Wagner Straße) verwehrt wurde, versuchte ich kurz nach meiner Ankunft am Mittwoch 24.12.2008 (!) mit der Kamera bewaffnet, wiederum mein Glück.
Wieder zeigt eine Skizze (unten), bzw. ein Plan, meine vorbereitenden Maßnahmen.
Schnellen Schrittes sofort zur Via Roma 398 – diese Zahl alleine zeigt, dass die Straßen hier eine gewisse Länge haben und auch oftmals Haupt-Achsen durch die 3000jährige Altstadt im Schachbrettmuster angelegt, darstellen.
Mich überkam beim Betreten dieses 5 Sterne Luxus-Hotels doch ein komisches Gefühl nach der Erinnerung der Ablehnung in Riga ein paar Monate vorher, auf der anderen Seite sah ich, in welchem Luxus Wagner damals lebte, denn das Hotel ist ja noch genauso gestaltet, wie zu damaligen Zeiten.
“.….……can I make some pictures?”
Der prunkvolle Eingangsbereich ist kaum zu beschreiben – ein schwarzes Klavier auf einem weinroten Samt-Teppich, eine schwarze (?) Marmor-Büste Wagners vor einem Spiegel-Kabinett, archaische Säulengänge, Palmen, weinrote Polstermöbel und eine mit einer weißen Marmorplatte gezierte Rezeption.
“I come from Germany…can I make some pictures…?”, weiter kam ich nicht…
Jetzt kam der große Moment – der nobel gekleidete Herr an der Rezeption schaute nur kurz auf und nickte leicht uninteressiert.
Somit wälzte ich mich auf der Erde herum, um festzuhalten, wo Wagner den “Parsifal” vollendete.
Man muss bedenken, dass Wagner es im Mutterland der Oper, in Italien, damals (und heute) nicht einfach hatte, überall wird nur einer verehrt, und das ist Verdi, Verdi, Verdi …
Doch hier im Grand Hotel des Palmes in Palermo ist es genau umgekehrt … von Verdi keine Spur, alles ist geprägt durch Riccardo Wagner.
Nach dem Eintreffen in Palermo am 5. Nov. 1881 verlässt Wagner mit der ganzen Familie das Hotel des Palmes nach einer Einladung des Fürsten Gangi in sein Landhaus (Villa Porazzi) in der nahen Umgebung der Stadt, am 2. Februar 1882.
Cosima hält den Auszug in ihrem Tagebuch informativ fest :
“Wir verlassen den Raum, dessen eingedenk, daß hier Parsifal vollendet wurde. R(ichard) sagt, ‘wir sind eine große, ganz gute Familie’ und bei rauhem Wind besteigen wir den Wagen ; ‘…was zahlen Sie mir dafür, dass ich ausziehe?’, sagt R(ichard) zu H. Ragusa, welcher erwidert : ‘Ich zahle etwas, wenn Sie bleiben.’ ” (Cosima, Tagebuch, 2. Februar 1882)
…zuletzt sagt alles die Musik
Die Musik entsiegelt alles, was gemeint ist, denn die Musik ist die Universal-Sprache, die jeder versteht.
Was uns der Dichter verschweigt, bringt der Musiker zum vollen Erklingen. Denn das Orchester spricht die Sprache des Unaussprechlichen.
Somit vollendet Wagner sein “Welt-Überwindungswerk” hier in Palermo und es sollte auch “Welt-Abschieds-Werk” werden…
“Palermo … Für Dich!”
* Grand Hotel des Palmes Palermo
* sh. Beitrag “Wagner in Verona”
* sh. Beitrag “Wagner-Saal Riga”
* Fotos Bilder-Galerie Italien (Palermo)