Atelier Paul Cezanne Aix (Mai 2015)

                                 “Beleuchtung ist alles”

Schließlich will ich Dir sagen, dass ich als Maler vor der Natur hell­sich­tiger werde, doch dass bei mir die Realisierung meiner Empfindungen immer sehr mühselig ist. Ich kann nicht die Intensität errei­chen, die sich vor meinen Sinnen entwi­ckelt, ich besitze nicht jenen wunder­vollen Farbenreichtum, der die Natur belebt…”
(Paul Cezanne 1906)

Unzweifelhaft ist Paul Cezanne (1839–1906) der große Sohn der Stadt Aix-​en-​Provence, der Kunst- und Kulturmetropole in der Süd-​Provence.
Wer einmal in dieser Stadt war, der wird dies nicht abstreiten können, da an vielen Stellen darauf hinge­wiesen wird, sogar in Form eines Logos, einge­lassen als hand­große Insignie auf den Straßen der Stadt.

Immer auf den Spuren des Künstler

Die Stadt besitzt ca. 30 Brunnen, was auf frühe Jahre zur Wasserversorgung zurück­zu­führen ist. 
Außerdem besitzt sie die Prunkmeile Cours Mirabeau, die die Altstadt teilt in die unter­halb und die ober­halb dieser Meile liegende Altstadt-Teile.

Cours Mirabeau – Aix

Diese zeigt sich als äußerst nacht­aktiv und lädt zum abend­li­chen (und nächt­li­chen) Bummeln ein.

Bei einem Direktvergleich mit AVIGNON, einer weiteren Kunst-​Metropole der Provence, welche ich ein Jahr zuvor besucht hatte, kommt Aix aller­dings schlecht weg – die Baudenkmäler und unzäh­ligen Kunstschätze Avignons stellen Aix in den Schatten. 

Doch besitzt Aix-​en-​Provence etwas, was sich mehr lohnt es aufzu­su­chen, als manche Museen, nämlich…

…das Atelier von  PAUL CEZANNE.

Die Schöpfungen großer Künstler besucht und bewun­dert man in Museen oder bei Ausstellungen, doch dies sind nur die Ergebnissen, die Ideen entstehen im Herzen und räum­lich gesehen in ihren Atelier.

Die Künstler- und Schöpferhäuser und Ateliers, egal ob sie von Komponisten, Malern oder Schriftstellern sind, spie­geln oftmals mehr wieder, als ihre Werke…
Sie sind Zufluchtsorte für den Schaffenden und ein Ort der Ruhe.
Dadurch liegen sie auch oftmals außer­halb, oder was früher Außenhalb war.

Hier sind die Werke ja größ­ten­teils entstanden und sie können die Ausstrahlung des Werkes wider­spie­geln, genau wie die Gegenwart ihres Schöpfers. 
Man muss nicht unbe­dingt dem Werke des Künstlers nahe stehen, um sich für dessen Wirkungsstätte zu inter­es­sieren.

PAUL CEZANNE ist als Künstler einem einzigen Stil gar nicht zuzu­ordnen, die einen sehen ihn als Impressionist, bzw. dem Post-​Impressionismus VanGoghs nahe, die anderen als Wegbereiter der Klassischen Modernen.
Unzweifelhaft schuf er
eine neue Bildsprache und versuchte die impres­sio­nis­ti­schen und poin­ti­lis­ti­schen Wirkungen vorhe­riger Künstler zu festigen, um einen zerflie­ßenden Bildeindruck entgegenzuwirken. 
Somit brach er mit den dama­ligen Regeln von Kunstakademien, was ihm in dama­liger Zeit Spott und Hohn einbrachte. 
Soviel kurz und knapp zum Maler PAUL CEZANNE.

Das Atelier Cezannes liegt leicht außer­halb nörd­lich der Altstadt in der Av. Paul Cezanne 9.
Als ich nun bei lauen Temperaturen Mitte Mai 2015 die leicht anstei­gende Avenue ging, war das eher unscheinbar, in einer hohen Mauer liegende Eingangstor, noch verschlossen. 

Die Mittagspause war noch nicht vorüber.

Als ich vor dem rötli­chen Holztor stand, wies mich ein Einheimischer darauf hin, dass es einen guten Ausblickpunkt geben würde, wenn ich die Straße noch weiter hoch gingen.
Denn von hier soll der Maler sein bekann­testes Motiv gemalt haben, nämlich den Montagne Sainte-​Victoire, den Hausberg von Aix, den ich einen Tag später erklimmen wollte. 

…na ja”, dachte ich,…“dann wollen we ma sehen!”

Die anstei­gende Straße geht immer mehr in ein Villen-​Viertel über, wo fast jedes Haus einen Pool hat.
Der Blick von Cezannes Motiv ist eher zu erahnen, als zu sehen – auf deutsch, er ist zugebaut.
Um so höher man kommt, um so prunk­voller werden die Villen, sogar ein Altersheim hat hier “Cezannes Blick” zum Montagne mit seinem Bergkreuz gekauft.

Der noch unver­baute Blick

Als Paul Cezanne mit Staffelei, seiner Palette und dem Pinsel in der Hand hier stand, gab es die Villen sicher noch nicht, aber es ist ja eine gute Idee und Geldanlage – man kauft sich nicht das Bild oder eine Kopie des Bildes, sondern man kauft sich gleich das “Original”, bzw. den Blick zum Original.

Irgendwann gab ich es dann auf, immer über die Hecken und Mauern der luxu­riösen Anwesen zu schauen und ging zurück, denn ich wollte ja in das Atelier des Künstlers, wo bereits die Menschen hineinströmten.

Hinter den Mauern eröffnet sich dem Besucher ein leicht am abfal­lenden Hang liegendes Gelände, wo der Hauptteil vom Garten Cezannes einge­nommen wird.
Hier soll der Künstler oft gewan­delt sein, um neue Ideen zu schöpfen und um einen Bezug zur Natur zu erhalten.
Dieses erin­nert schon an den Garten Claude Monets mit den Teichen voller Seerosen, der ja oft als Motiv benutzt wurde (von Monet).  
Jedenfalls ist ein Bummeln durch die oftmals zuge­wach­senen Gänge (in Cezannes Garten) zu empfehlen.

Fotografischer Reiz

Der Eingang zum Haus bietet ein sehr foto­gra­fi­sches Motiv.
Eine von Natur umwach­sene Eingangstür im samtenen Rotton unter dem licht­durch­flu­teten Blätter nahe­ste­hender Bäume (eigent­lich hätte ich Poet werden sollen).
Dieses lässt da Kommendes im Vorfeld schon reiz­voll erahnen (poetisch auch nicht schlecht).

Man darf nicht annehmen, dass drinnen Bilder von Cezannes gezeigt werden, die sind in den Museen der Welt verstreut.
Das gesamte Haus besteht im Grunde fast nur aus einem großen und hohen Atelier mit Utensilien des Künstlers aus dessen Zeit.
Staffelei, unzäh­lige Pinsel, Töpferware, Stoffe, Tassen, eine hohe Leiter, Schränke mit vielen Schubladen, alte Stühle, Skizzen und Entwürfe, einige Totenköpfe und ein Jesuskreuz an der Wand.
Ob natür­lich alles original ist, bleibt dahin­ge­stellt – eine Vase mit frischem Obst bestimmt nicht (die Vase viel­leicht, das Obst sicher nicht!).

Eine riesige Fensterfront gen Norden bietet das Licht für diesen hohen Raum.
Eine Dame gestal­tete eine Führung in fran­zö­si­scher Sprache.
 
Doch dann kann der Clou :

Seitlich neben der Fensterfront hat der Künstler einen raum­hohen Wanddurchbruch machen lassen, der mit einer Luke zu öffnen und zu schließen ist.
Die Dame betä­tigte einen mecha­ni­schen Hebel und die Luke öffnete sich.
Alle Anwesenden staunten, was man in der dama­ligen Zeit für Ideen hatte, die man in der heutigen Sprache “multi-​medial” einstufen kann.
Das Licht bzw. die Lichtverhältnisse sind das Entscheidende – in der Malerei und auch in der Fotografie.
Schon eine geniale Erfindung in der dama­ligen Zeit, die Cezanne (angeb­lich) selber hatte.
Künstler und Schöpfer sehen immer mehr als andere.

Hier wird es Zeit, mich einmal wieder selber zu zitieren :

Talente lösen Probleme, die andere nicht lösen, Genies lösen Probleme, die andere nicht sehen.”

Als die Dame die Klappe wieder schloss (nicht ihren Mund, sondern den Durchbruch in der Wand), verfiel wieder alles in die alten Lichtverhältnisse zurück.
Da wird man vor Staunen stumm…

Beim Herausgehen warf ich noch einmal einen Blick auf die reiz­volle Tür, die das, was sie verspro­chen hatte, auch gehalten hat.

Hinein in die Welt des Schöpfers

Wenn man bedenkt, dass das Gebäude in der Vergangenheit schon einmal kurz vor dem Abriss stand, dann muss man doch mit dem Kopf schütteln.
Da wäre der Welt etwas verloren gegangen, nicht nur, weil Jahr für Jahr hunderte von Menschen hierher pilgern, ob sie sich nun für Cezannes Werke inter­es­sieren oder nicht. 

Beim abschlie­ßenden Bummeln (und Krabbeln) durch den traum­haften Garten, zeigte es sich mir, dass die Natur den Farbenreichtum eines jeden Schöpfers über­trifft, was Cezanne in seinem oben zitierten Brief an seinen Sohn 1906 schrieb.

Wenn man im Nachhinein bedenkt, dass Cezanne an einer Lungenentzündung im Oktober 1906 starb, die er sich in freier Natur bei einem Unwetter durch Unterkühlung zuge­zogen hatte, gibt dies schon zu denken.
Er soll kurz vor seinem Tod noch in diesem seinen Garten auf und ab gegangen sein, um sein letztes Gemälde unter freiem Himmel zu vollenden…einen Tag später starb er. 

Was lernen wir daraus :

Die größten Geister nützen dem nichts, der keinen hat.”

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*Fotos Aix-​en-​Provence und dem Atelier Paul Cezanne :

Aix-​en-​Provence


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Atelier Paul Cezanne (9 Av. Paul Cezanne, 13100 Aix-​en-​Provence)

(HerrRothBesucht)

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