“Wo der Herr nicht die Stätte behütet,
da wachet der Wächter umsonst”
Die Begeisterung für Burgen und Kastelle lag HerrnRoth schon immer im Blut, ein Mythos zwischen Himmel und Erde…
…oder eher eine Kindheitserinnerung, oder eher die Verehrung für das Werk Richard Wagners, wo in (fast) allen Werken eine Burg in der Scenerie erscheint…(?)
Wahrscheinlich beides – denn was einen von Jugend an begeistert, das läßt einen ein Leben lang nicht los – genau wie das Werk Wagners.
Da wurde es im Jahre 2005 doch langsam Zeit, einmal eine ganze Tour im Zeichen von Burgen zu machen…
Somit wurde eine Route ausgearbeitet mit 10 Burgen von Kassel beginnend und in Kassel endend – eine Route, die durch Hessen bis an die Grenze nach Thüringen und dann herunter nach Süden und in einer Art Kreis wieder zurück ins Druseltal oberhalb von Kassel ging.
Eine große Karte auf dem Fußboden meines Wohnzimmers ließ die Stationspunkte erkennen, weil diese mit 2Cent-Stücke markiert waren und die größeren Stopps mit 10Cent-Stücke.
Und das Ganze bekam dann auch einen Namen, nämlich die…
… Burgen-Tour.
Und diese war lange Jahre im Kreis der fünf besten Touren, die ich gemacht habe, wurde dann aber durch gewisse italienische Reisen aus diesem verdrängt.
“Nichts besonderes…”, denkt da jeder, aber es hatte einen Hauch von Abenteuer, Spontanität und Freiheitsgefühl.
Übernachtungen auf einem Bauernhof, Nächte im Auto im Wald, Kurzstopps in größeren Ortschaften und natürlich der Mythos…
…und zwar der Mythos zwischen Himmel und Erde, nämlich Burgen.
Es hört sich leicht an, doch Burgen haben (meistens) die Eigenschaft, dass sie hoch oben auf dem Berg liegen.
“Auch nix besonderes…”, sagt da die kritische Stimme – doch, wenn man mit dem Auto durch das Tal rast und sieht dann hoch oben auf einem Berg die Burg, dann ist man noch lange nicht da !
Meistens blieb der Wagen irgendwo im Tal und der Aufstieg zeigte, dass es in frühen Jahren Gegnern und Angreifenden schwer gemacht werden sollte, die Burg zu stürmen ohne gewisse Blockaden zu überwinden.
Eine Art Burgen-Jagd oder ‑Sturm war es Anfang April des Jahres 2005 schon.
Außerdem herrschte ein “Außerplanmäßiges Superwetter” (APMSW).
Die Nächte im Auto im Wald waren geruhsam, absolut nicht kalt, und das Anfang April (!).
Den Omega habe ich dann Anfang 2006 mit Tränen in den Augen abgegeben, er hatte fast 200.000 km weg und seinen Dienst getan, und dieses sollte auch die letzte Tour mit ihm gewesen sein.
Ohne jetzt ins Detail zu verfallen, waren die 12 Tage schon eine Mischung von Abenteuer, Freiheit und Mythos, wie HerrRoth es immer sucht…
Bei einem spontanen Stopp im Werra-Tal unterhalb von Bad Sooden-Allendorf (Hessen) fiel mir doch in meinem ADAC-Atlas (einen Navigator habe ich bis heute nicht) ein Name auf, und zwar…
… Schloss Rothestein.
Klingt fast wie mein Name, nur mit einem Stein dazu…
HerrRoth aus Stein, klingt nicht schlecht, aber so hartherzig bin ich nun auch wieder nicht.
Bei einem kurzen Ansprechen des Gastwirtes in der kleinen Pension, in der ich für 2 Nächte abgestiegen war, empfahl er mir das Prozedere doch einmal auf mich zu nehmen, die weit sichtbare kastellartige Burg, die sich Schloss nennt, aufzusuchen.
Der Ausblick, die Architektur, die Natur…
Seine kurzen Andeutungen gerieten ins Schwärmerische.
Schloss Rothestein war nicht auf meiner ausgearbeiteten Route, aber der Reiz liegt immer im Spontanen und das weiß ich nicht erst seit meiner “Burgen-Tour”.
Die Burg basiert architektonisch auf dem neo-gotischen Stil englischer Kastelle und dieser kastellartige Turm war weit zu sehen.
Das lässt einen Menschen wie HerrnRoth schon das Herz höher schlagen, denn Kastelle geben noch einen Hauch mehr an Mystifikation, und dann eine Burg mit einem Kastellturm…(!)
Laut späterer Recherche wollte sich ein gewisser Freiherr von Gilsa im Jahre 1891 einen langen Lebenswunsch erfüllen, nämlich ein kastellartiges Schloss in einer landschaftlich traumhaften Lage.
Man sieht, dass ich nicht der einzige bin, der so einen Traum hat.
Der Platz des “Schlosses” war ausgewählt weit oberhalb der Werra und es zeigte sich beim Bau roter Sandstein, was dem Objekt dann den Namen “Rothestein” gab.
Nach vierjähriger Bauzeit kam das ganze dann doch leicht ins stocken.
So eine Burg ist natürlich nicht mal eben aus der Erde zu stampfen, und vor allen nicht, aus dem rotem Sandstein.
Nach weiteren drei Jahren (1897/98) ohne eine Fertigstellung, gab Herr v. Gilsa seinen Traum auf und ab an einen englischen Baron v. Knoop, der dann den Traum doch wirklich vollendete.
Der Fabrikant aus Manchester hatte das nötige Kleingeld und Interesse an dem Projekt.
Im Jahre 1911 wurde das “Schloss” noch durch einen Anbau erweitert.
1927 erwarb ein gewisser Herr v. Lüninck das Hauptschloss.
Alles Adlige, denn nur die haben das nötige Kleingeld für so eine Immobilie.
Dieser von Lüninck, bzw. seine Familie besaßen das “Schloss” sogar bis ins Jahr 1989 (was ja noch gar nicht so lange her ist!).
1994 wurde das Schloss von dem Dipl.-Ingenieur Theo Becker aus Bergisch-Gladbach gekauft (endlich mal kein Adliger), die Chronik der Besitzerwechsel hört nicht auf.
Dieser verstarb im Jahre 2010 – er soll einiges investiert haben…
Als nun im besagten Jahr 2005 HerrRoth aus seinem Omega im tiefen Tale stieg, so konnte er unschwer erkennen, dass das ein ganz schöner Aufstieg werden würde.
Am Rand der Aufgangsstraße erkannte man immer wieder stufenartige Gebilde unter den Blättern – aus frühen Jahren so eine Art Notfall-Abstieg.
Als ich fast oben war, kamen mir schon 2 Herren beim Heruntergehen entgegen, dies bedeutete nichts Gutes.
Denn als ich nach knapp einer Stunde oben war, stand ich vor einem mit einem dicken Schloss verriegelten klapprigen Tor, was nur eines bedeuten konnte : “…kein Zutritt…Eintritt verboten…oder …verflixt noch mal!”
Nun kennt fast jeder das Gefühl, wenn man mühevoll etwas vorbereitet hat und dann alles in die Hose geht oder man vor verschlossener Tür steht.
Sollte alles an dem klapprigen Tor scheitern ?
“Nein, nein, so nicht..”, dachte ich, “…nicht mit mir!”
Nach links vom Tor abweichend, ging ein Waldweg, den ich erst noch leicht enttäuscht, entlang schritt.
“…jetzt nicht aufgeben!”, dachte ich mit sehnsüchtigem Blick zum Kastell-Turm.
Nun kennen vielleicht auch viele Wanderer gewisse Stellen im Wald, wo ein umgestürzter Baum einen Zaun mit sich herunter gerissen hat.
Und nach ca. einem halbstündigem Umrunden des Schlosses, kam so eine Stelle vor meine Augen.
Schon fast ein Wink des Schicksals, um es einmal übertrieben zu sagen.
Und so kletterte ich ganz dreist über den umgestürzten Zaun mit Vorsicht vor herannahenden Hunden, nur als sich keine Hunde meldeten, bekam ich nach kurzer Zeit doch noch das Objekt vor die Linse meiner Kamera.
Der leicht bedeckte Himmel brachte im Nachhinein gesehen doch nicht so gute Fotos zu Tage, aber darum ging es eher in zweiter Linie.
Vor dem mächtigen Eingangstor stehend, merkte ich doch, dass alles verlassen, wie eine Geisterburg wirkte.
Nur ist es ja komischerweise so, dass das den wirklichen Reiz noch steigert, schon fast wie in einem schwarz-weiss Krimi mit Blacky Fuchsberger nach einer Vorlage von Edgar Wallace aus den 60ger Jahren.
Ein weiteres Eindringen in die Burg verdrängte ich aber und schlich mit Kamera um die Schultern, wieder zu dem besagte Zaunstück.
Die Spannung und das Abenteuerliche lässt sich nicht leugnen und ich fragte mich zu dem Zeitpunkt, warum kein Mensch zu sehen sei (?).
Im Sommer 2009 (was ja noch lange hin war) soll die Anlage durch eine Gastronomie und Café der Öffentlichkeit wieder zugänglich gemacht worden sein, wie ich im Nachhinein las.
Tja,… 2009… doch HerrRoth war aber früher da…
Als es dämmrig wurde, nahm ich allerdings meinen Weg wieder herunter ins Tal zu meinem moosgrünen Omega und fuhr zurück Richtung Pension.
“Na, wie hat es Ihnen gefallen…?”, fragte mich der Wirt am kommenden Morgen beim Frühstück.
“Na, nicht so gut, denn ich bin nicht reingekommen!”, sagte ich leicht verlegen.
“Tja, die Burg ist auch nicht zugänglich, sie steht nämlich zur Zeit zum Verkauf…”, meinte er.
“Oh, das hört sich ja nicht uninteressant an…”, dachte ich.
Dieser spontane, schon leicht abenteuerliche Einsatz, hatte sich doch gelohnt, denn eine Burg hatte ich mir schon immer gewünscht, nicht nur als Kind.
10 Tage später im heimischen Deutschland stürzte ich sofort auf eine Immobilienseite für Luxus-Immobilien im Internet.
Nach kurzem Suchen fand ich sie – 2,5 Millionen Euro, …doch ein bisschen zu viel für mich zu dem Zeitpunkt.
Nach dem Jahr 2010 suchte man wohl weitere Sponsoren (sogar aus China), um das Ganze wieder rentabel zu machen, denn durch die Pächter-Einnahmen konnten die laufenden Kosten des “Gebäudes” nicht getragen werden.
In letzter Zeit hat sich die Gastronomie Pelikan-Restaurants aus Bad Sooden-Allendorf dort niedergelassen und bietet Veranstaltungen wie Silvester-Partys, Halloween etc. bei besonderen Gerichten mit exzellenter Küche, die wohl auch weit im Voraus ausgebucht sind.
Genauso kann man das Schloss oder die Burg auch zu Hochzeitsfeierlichkeiten mieten und das Standesamt hat dort eine Außenstelle aufgemacht…
…und es ist sogar auf Facebook (aber was ist dort nicht?)
Es scheint sich nach meinem “Besuch” im Jahre 2005 also doch etwas getan zu haben im Schloss Rothestein, aber wer zum jetzigen Zeitpunkt der wahre Besitzer des Anwesens ist, das ist mir nicht klar.
Nach neueren Recherchen ist allerdings auf Luxus-Immobilien-Seiten im Internet das Schloss nicht mehr zu finden oder rausgenommen worden.
…2,5 Millionen Euro wären damals und auch heute für mich doch ein bisschen zu viel gewesen.
Was lernen wir daraus :
“Jeder Mensch braucht einen Traum,
jedes Kind einen Vater und jedes Land eine Legende”
* Stand 2018 Schloss Rothestein (November 2018)
(Hessische-Niedersächsische Allgemeine)