Rotermanni Kvartal Tallinn (Juni 2017)

                               “Aus Alt wird Neu”

Es gibt gewisse Tricks, wie man aus Alt Neu macht.
Damit meine ich nicht unbe­dingt den Kleidungsstil mancher Menschen oder die Werbung für Kosmetika, sondern die Umwandlung von Schrott in Gold.

Dieses hat man ja im heimi­schen Deutschland auch schon versuchs­weise gestartet, indem man in der Ruhrpott-​Gegend, wo die wahre Kultur ja eher rar gesät ist, aus Schrotthalden “Industrie-​Kultur” gemacht hat.

Eigentlich nur eine Veränderung eines Namens und ein biss­chen Werbung und die Menschen kommen in Scharen.

In einzelnen Fällen ist dies im heimi­schen Ruhrpott-​Germany sogar positiv anzu­sehen, denn was vormals vergam­melt brach lag, “blüht” auf einmal unter Besucherströmen auf, auch wenn man dabei eher geteilter Meinung sein kann.

                      “Neues Leben erblüht aus den Ruinen”

Ein passendes Zitat, was ja schon immer ange­wendet werden konnte, denn erst wird immer alles mühe­voll errichtet und dann wird alles wieder zerstört.

Und dieses Zitat passt auch auf einen Stadtteil von TALLINN

…nämlich dem  Rotermann-​Viertel.

Wem das ganze nichts sagt und die, die jetzt denken, dies sei eine Zigarettenmarke (ohne Schock-​Fotos), sei eine kurze Erläuterung gegeben.

Hirschgeweihartige Beleuchtungstechnik

Dieser Stadtteil Tallinns schließt sich östlich der Altstadt Richtung Hafen an und symbo­li­siert einen guten Übergang des modernen Tallinns mit seinen Zweckbauten zur mittel­al­ter­li­chen histo­ri­schen Altstadt mit ihren alten Stadtmauern, Wehrtürmen und den Fassaden aus der Zeit der Hanse.

Jetzt fragt man sich als erstes natür­lich, wer denn dieser “Rotermann” war, wenn es keine Zigarettenmarke ist (?)

Hier die Antwort :

Christian Abraham Rotermann (1801–1870) legte an diesem Ort 1829 die Basis für das spätere Handelsimperium der Rotermanns – die wirt­schaft­li­chen Aktivitäten waren sehr breit gefä­chert : Baustoffhandel, Wollstoffe, Sägewerke … sogar Nudeln wurden hier produ­ziert (die müssen ja auch irgendwo herkommen!).
Hier kam sogar 1920 der erste Autohandel Estlands hinzu.
Parallel des Gedeihens der Firma, entstanden natür­lich auch immer prunk­vol­lere Bauten.

Durch den Zahn der Zeit, Kriege, Brände und Zerstörung verfiel immer mehr die eins­tige Pracht, was man ja von vielen Stätten eins­tiger Macht her kennt.
In den Zeiten der Sowjets ist dieses Viertel zuse­hends verfallen und es gehörte zu den herun­ter­ge­kom­mendsten Gegenden von Tallinn.

Aus Alt mach Neu

Die gläserne Fassade des ehema­ligen Warenhauses aus dem Jahre 1850 (!) am Viru Platz (Viru väljak) zeigt eine gute Fusion von Alt und Neu – das ehema­lige Warenhaus hat eine neue Fassade bekommen und oftmals zeigen deren Spiegelungen, dass Alt und Neu nicht nur nahe beiein­ander liegen können, sondern auch gut fusio­nierbar sind.

Und dieses ist ja die eigent­liche Grundidee des (heutigen) Rotermann-​Viertels, denn hier findet sich neben einigen noch erhal­tenen alten Fassaden und leer­ste­henden Fabrikhallen, vieles Neue.

Die alte Bausubstanz konnte Anfang der 90er Jahre gerettet werden und Architekten hatten keine Grenzen für ihre Fantasie.
Eine Mischung aus Gastronomie, Hotellerie, Geschäften, Ausstellungen und Cafes, einem kleinen Platz mit Brunnen – eine design­hafte Umgebung einge­bettet in alte Fabrik- und Lagerhallen-Atmosphäre.

Alles gleicht einem modernen “Einkaufsparadies” gemischt mit rost­roten Fabrik-Backsteinbauten.

“Rotermann City”

Kulturelle, kuli­na­ri­sche und konsum­ori­en­tierte Angebote entwachsen dem Boden des ehema­ligen, schon längst verblühten Handelsimperiums, eine gelun­gene Weiterführung, die Herrn Rotermann sicher gefallen würde.
Zudem gibt es auch Wohnungen und Büro-​Flächen, sehr exklusiv mit sicher auch exklu­siven Preisen.
“Rotermann-​City” – eine tref­fende Wort-​Kreation für den heutigen Stand dieses Viertels. 

Den Zugang zum “Herzen” des Viertels erreicht man, wenn man von der Hauptstraße (Narva maantee) links abbiegt in die Hobujamaa (inter­es­santer Straßenname).
Die erste Straße links (Rotermanni) bildet einen symbo­li­schen Eingang, denn rechter Hand stehen noch alte Fabrikhallen, worin es auch Asiatisches zu futtern gibt, und linker Hand zeigt sich schon ein Casino und ein Großkino in mondäner Form (der Rubel muss halt rollen).
Die rost­roten Fassaden neuerer Gebäude fusio­nieren gut mit der Erinnerung an das Alte.

Dass die Entwicklung und Sanierung des Viertels noch nicht abge­schlossen ist, zeigen zahl­reiche Hinweise auf noch freie, zu nutzende Gewerbeflächen und noch teil­weise brach­lie­gende Abschnitte.

Ultimate Glitter-​Party

Das “Ultimative”, was man in der Werbesprache als “sich nicht mehr verbes­sernd lassend, das höchste Stadium einer Entwicklung darstel­lend”, über­setzen kann, ist hier somit noch nicht erreicht, auch wenn ein Werbeplakat für eine Party damit protzte und der moderne Touch dieses Plakates schon symbo­lisch für die Entwicklung dieser Umgebung steht.
…also weiter so !

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* Fotos von Tallinn in meiner Bilder-Galerie :

Tallinn (Estland)

(HerrRothBesucht)

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