Architektur als Offenbarung des Spirituellen

Beethoven Symphony No. 7 in A Major, OP 92

Beethovens Siebte Symphonie ist in Bezug auf die Form von einer Vollkommenheit wie keine andere Symphonie” (Teodor Currentzis)

Der grie­chi­sche Dirigent Teodor Currentzis hat ein eigenes Orchester (MusicaAeterna Orchestra and Choir) und ist mit diesem in der östlich gele­gendsten Großstadt tätig – im russi­schen PERM, 1.500 km östlich von Moskau.
Beethoven scheint ihm sehr nahe zu liegen, auch wenn er erst die 5. und 7. Symphonie Beethovens auf CD veröf­fent­licht hat.
Currentzis hat ein breit gefä­chertes Spektrum (Mahler, Beethoven, Mozart, Tchaikovsky) und bringt seine Darlegungen der Kompositionen gekonnt auf die Konzertbühnen und auf die Tonträger (soweit ich es beur­teilen kann).

…das primum optimum

Beethoven trieb ja zu seiner Zeit die Symphonie voran wie kein zweiter neben ihm. Zu diesem Zeitpunkt war die Symphonie noch eine junge Gattung, nämlich erst ein halbes Jahrhundert alt.
Richard Wagner, der ja kaum jemand anderen neben sich gelten ließ, verehrte Beethoven abgöt­tisch und er nannte die 7. Symphonie eine “Apotheose des Tanzes”.
Darin erkennt man, dass Wagner immer die Choreografie und die Gestikulation primär sah und auch nach ihr kompo­nierte.

Beethoven versucht im noch relativ kurzen Allegretto (2. Satz) die Musen der Musik, der Dichtkunst und des Tanzes zu einer fein­füh­ligen Einheit zu verbinden.
Und dieses ist auch ohne die Dichtung denkbar, denn letzend­lich sagt alles die Musik, die Universalsprache, die jeder versteht.

Und dies lange bevor Richard Wagner die Idee des durch­kom­po­nierten Gesamtkunstwerkes vorlegte, wo er in den sehr umfang­rei­chen Musikdramen versuchte alle Kunstformen zu fusio­nieren und kongruent zu verknüpfen und trotzdem in einer perfekten Fusion selbst­ständig arbeiten zu lassen, um somit ein voll­endetes neues Kunstwerk zu schaffen.

…die archai­sche Schönheit des Tempels

Laut Currentzis Interpretation fusio­niert sich die archai­sche Schönheit eines Tempels mit Spiritualität, das Linienspiel eines Tempels spie­gelt sich im Aufbau und der voll­kom­menen Form der 7. Symphonie (laut seiner Ansicht).
Nicht unbe­dingt eine gewagte These, der man durchaus zustimmen kann bei der Plastizität und Bombastizität von Beethovens Musik.

Beim Durchschreiten alter Tempelanlagen früherer Weltreiche erkennt man nicht nur eine gewisse Unvergänglichkeit einer Architektur, die es schon Jahrtausende gibt und die ewig erscheint, vor der man sich eigent­lich verneigen sollte, sondern jedem begeis­terten Anhänger der wahren Kunst, speziell der Tonkunst, erklingt mit etwas Fantasie die Schönheit und Kraft der Musik als Universalsprache in den Ohren.
Dies ist nicht von Currentzis, sondern von mir !

Vor Staunen stumm
(Basilica di San Zeno Maggiore Verona 2017)

Die Gefühlswelt des Menschen zeigt sich nicht unbe­dingt nur in der wahren Kunst (nicht Gegenwartskunst!), sondern auch in der Architektur … wenn man natür­lich die immense Architektur früher Zeiten (die ja oftmals nur noch in Ruinen zu bewun­dern ist) sieht, dann fragt man sich, wie man dies alles in den frühen Jahren geschafft hat ohne die tech­ni­schen Möglichkeiten der heutigen Zeit.
Alles eine Frage des Willens…
Dies zeigt nebenbei bemerkt auch, dass die Menschen in früheren Zeiten wesent­lich härter arbeiten mussten, als in heutigen Zeiten.

Zinnengekrönte Architekur (Verona 2017)

Genauso staunt man, wie solche Bauten so lange Jahrhunderte durch­halten konnten (auch ohne Beethoven), ), trotz klima­ti­scher Einflüsse und Rückgewinnungsversuche der Natur, trotz Kriege, Pandemien und mensch­li­cher Zerstörungswut (?)

Reconquista…

Um noch einmal auf die Rückgewinnung zu spre­chen zu kommen, nimmt die Natur immer wieder alles in ihren Griff, denn die Natur macht nichts umsonst.
Somit werden auch oftmals vorher prunk­volle Gebäude irgend­wann nur grüne moos­be­wach­sene Ruinen.
Darin erkennt man eine Art Rückkehr zum Ausgangspunkt der Schöpfung.

Rückwärtsgewand in neuem Gewand

Abschließend will ich noch einmal Teodor Currentzis zu Wort kommen lassen mit seiner schon leicht sakralen Deutung der 7. Symphonie Beethovens.

Die Struktur der Siebten ist tätsäch­lich äußerst komplex. Das Geheimnis liegt darin, sich der Musik zu über­lassen und sich der Lebendigkeit und dem Licht hinzu­geben ; man läßt sich fort­tragen zur sakralen Choreographie des zweiten Satzes und von dort zum Scherzo und zum tänze­ri­schen Finale. Es ist so etwas wie eine Reise zur Quelle, zu einer neuen, lebens­spen­denden Kraft, die Geburt einer neuen Zelle in einem Universum der Widersprüche.”
(Teodor Currenzis, Booklet der unten zu sehende CD)

http://www.teodor-currentzis.com/