“Wie macht man aus Wenig mehr?”
Wer kennt das nicht ?
Nun hat man schon seine eigene Wohnung und trotzdem passt nicht alles rein. Nun ist die Partnerin endlich ausgezogen und trotzdem hat man Probleme, die eigenen Sachen unterzubringen.
Was fehlt ? Natürlich der Platz.
Dieses ist allerdings relativ, denn man kann aus jeder kleinen Wohnung eine große machen und aus jeder großen, ein kleine.
Es kommt nur auf die Verteilung an.
Nur gibt es bestimmte Städte, da ist das Ganze nicht so einfach.
Und diese Städte findet man unter anderem in ITALIEN.
Allen voran natürlich …
… NEAPEL
… wie das mit der Raumnot in dieser Metropole aussieht, das habe ich ja schon in meinem Beitrag Neapel I. (Wohn-Hierarchie) angedeutet.
Vor allem in der Altstadt (San Lorenzo) gibt es eine ungeheure Bevölkerungsdichte. Man kommt also nicht darum herum, das Problem auf irgendeine Weise zu lösen.
Die meisten 4–6 Etagen hohen palazzo-ähnlichen Gebäude stehen quasi so dicht aneinander, dass man dem Nachbarn auf der anderen Seite der schluchtenartigen Gassen die Hand reichen kann.
Wie ich schon im oben erwähnten Beitrag ausgeführt habe, gibt es in diesen voluminösen Gebäuden, in denen oftmals 30–40 Wohnungen sind, eine gewisse Wohnhierarchie.
In den unten liegenden sogenannten “Bassis” wohnen, oder besser hausen, die Ärmeren oder die, die froh sind, überhaupt eine Wohnung bekommen zu haben. Wenn man im Vorbeigehen einen Blick hinein wirft, kann man sich kaum vorstellen, wie hier oftmals 4–5köpfige Familien “wohnen” können – da wird unser Jammern über zu wenig Wohnraum verstummen.
Jetzt kommt der zwangsläufige Trick, den man ja in ganz Neapel beobachten kann und ohne diesen wäre es nicht Neapel.
Es ist der, dass sich das komplette tägliche Leben auf der Straße, bzw. in den Gassen abspielt.
Das erinnert mich als Kind der 60ger Jahre an die Jugendzeit, als alle noch auf der Straße spielten und sich nicht hinter ihren Flachbildschirmen verkrochen haben.
Um so höher man nun kommt, um so teurer wird es.
Wie es mit der Kluft zwischen Arm und Reich aussieht, das habe ich ja schon im Beitrag Neapel II. (Arm und Reich) ausgeführt.
Die Dachgeschoss-Wohnungen, auch hier in der Altstadt, können ein Vermögen kosten. Beim Betrachten von Fotos aus der Höhe kann man unschwer erkennen, dass (fast) ganz Neapel aus Flachdachbauten besteht.
Dies hat den einfachen Grund, dass man noch einiges auf dem Dach platzieren kann, z.B. den Swimmingpool eines Hotels oder einen Tennisplatz.
Oder eben eine Traumwohnung, die nicht unbedingt viel Platz drinnen bietet, aber über eine Dachterrasse mit dem Blick über den Golf von Neapel verfügt, und für diesen Blick nimmt man schon gerne etwas weniger Platz drinnen hin, um so einen Blick von einer mit Palmen und Kakteen geschmückten Terrasse zu haben.
Ganz abgesehen davon, ist man ja bei dem herrlichen Wetter, was hier das ganze Jahr herrscht, so oder so lieber draußen, als drinnen – da kann man in Deutschland nur von träumen.
Des weiteren gibt es ja in Neapel das von mir so titulierte Wohnen mit Weitblick.
An den schrägen Hängen des Posillip-Hügels kann man, vom Stadtteil Chiaia ausgehend, Gebäude sehen, die kreuz und quer verschachtelt und ineinander gebaut sind, um so viel wie möglich Platz zu schaffen.
Und diese Gebäude sind auch noch stufenweise ansteigend gebaut (sh. Neapel II. – Die Anlage Neapels) .
Die Folge sind ansteigende Traumgassen in Zick-Zack-Form, um so höher man es zu Fuß schafft, um so fantastischer ist der Ausblick.
Man sieht, Not macht erfinderisch und kann auch Positives mit sich bringen – es ist natürlich ein Unterschied, ob man hier wohnt, oder ob man Besucher der Stadt ist, denn dann genießt man ja nur das Positive.…
Vollkommen anders sieht das aus in …
… VENEDIG
…Venedig ist ja die “Stadt” mit dem größten Unterschied zwischen der
Anzahl der Touristen und Einheimischen.
Die großen Palazzos, vor allem am Canale Grande, sind ja nun eher weniger in privater Hand, sie beherbergen eher Konsulate, Museen oder das Casino etc.
Trotzdem gibt es natürlich eine gewisse Anzahl von “normalen” Menschen, die hier wohnen, was man sich aus der Sicht eines Touristen gar nicht vorstellen kann.
Gärten, wie wir sie kennen, findet man ja selten in Venedig – da darf man sich aber nicht vertun.
Wenn man nämlich von hinten (vorne ist ja Wasser) vor bzw. hinter einem Palazzo am Canale Grande steht (was schon orientierungsmäßig nicht einfach ist), ist dieser nach hinten meist mit dicken hohen Mauern umgeben, die einzelnen Etagen bzw. Appartements sind auf den Klingeln ausgeschildert.
Trotzdem muss jeder Bewohner des Palazzos erst einmal durch einen Innenhof und dieser wird sicher als Garten genutzt, dieses kann man aber von außen nicht sehen.
Nun hat natürlich nicht jeder Venedig-Einwohner den Genuss eines Traumgartens hinter dicken Mauern.
Da ist man schon in früheren Jahren auf eine Idee gekommen und diese Idee heißt … ALTAN.
Was ist denn das (?), fragt man sich…
Ein ALTAN ist eine klapprige Holzterrasse, quasi eine begehbare Holzplattform, die es vermutlich nur in Venedig gibt.
Diese besondere Konstruktion befindet sich auf den Dächern der Häuser und wird auf Pfählen errichtet.
Es sind abenteuerliche Brettergebilde, oft auf bröckeligen Kaminstümpfen gezimmert.
Selbst die Stelzen, auf denen sie “stehen”, vermitteln den Eindruck eines kurz bevorstehenden Zusammenbruchs – als ordentlich denkender Deutscher würde man sich wahrscheinlich für kein Geld in der Welt dort in die Sonne legen.
Man kommt, wie häufig in Venedig, in gewisse Sprachlosigkeit, wenn man erfährt, dass es sich nicht um kurzzeitige Baugerüste handelt, sondern um “Sonnenterrassen” mit langzeitigem Anspruch.
Die Altane sind eine Alternative, um sich einen Sonnenplatz zu garantieren oder um die Wäsche unter freiem Himmel trocknen zu können.
Wenn man nun diesen Altan auch noch mit Pflanzen und Palmen schmückt und sich dort einen Liegestuhl hinstellt, dann kann man wirklich von einem Platz an der Sonne reden, ganz zu schweigen von dem Blick, den man von dort genießen kann.
Wenn man diese Gebilde näher durch die Linse der Kamera betrachtet, fällt einem nicht unschwer auf, dass die ganze Konstruktion oftmals sehr wackelig und unsicher auf ihren Stelzen erscheint, aber trotzdem zu halten scheint…
Viele der Gebäude von Venedig sind ja von Verfall bedroht, da kommt es eigentlich auf den wackeligen Zustand dieser “Dachterrassen” Marke Eigenbau, auch nicht mehr an.
Das Ganze ist zwar eine gute Idee, würde aber durch die Bauvorschriften in Deutschland nicht durchkommen …
Wesentlich nobler und traditioneller sieht die Wohnraumgewinnung in einer anderen Stadt aus…
…nämlich in BOLOGNA.
BOLOGNA ist ja eine hochgeistige Stadt mit einer über 900 Jahre alten Universität.
Nach einem Besuch Bolognas bleibt immer ein Geschmack des oberitalienischen Mittelalters in der Seele zurück.
Und dies liegt vor allem an der Architektur.
Bologna hat eine der besterhaltensten zusammenhängenden Altstädte Italiens. Neben den zinnengekrönten, festungsartigen Bauwerken und den Farben von Weinrot nach Eierschalenfarbengelb (Ocker), bleibt allerdings auch etwas anderes haften, und das sind…
…die sogenannten PORTICI.
Bologna besitzt fast 40 km Arkadengänge, ein wichtiger architektonischer Baustein der Stadt.
Aber wie kam man auf die Idee dieser Portici ?
Die weltberühmte Universität zog schon im frühen Mittelalter immer mehr Menschen an, sowohl Studierende, wie auch Professoren.
Und dies sprengte den Wohnraum im heute historischen Kern der Stadt. Nun hatte man wie schon öfter in der Weltgeschichte eine gute Idee.
Die Häuser haben meistens nur 1–2 Etagen über dem Erdgeschoss – die Erweiterung des Wohnraums in der oberen Etage zur Straße hin, war die sinnvollste Lösung – die Portici waren geboren.
Da ja nun architektonisch damals wie heute klar ist, dass bei einer Erweiterung nach vorne heraus, alles einstürzen würde, kam man auf die Idee, alles durch Arkaden zu stützen.
Nach anfänglicher Skepsis, hatte diese Erneuerung Folgen, die Bologna unvergleichlich machen und praktisch viele Vorteile mit sich bringen.
Denn man hatte mehrere Fliegen mit einer Klappe geschlagen.
Das Handwerk und die Geschäfte konnten sich in den Erdgeschossen mit Schaufenster einrichten und in den darüber liegenden 1–2 Ebenen hatte man mehr Wohnraum geschaffen.
Was in der heutigen Zeit schon ein Wahrzeichen Bolognas geworden ist, hat auch einen ungeheuren praktischen Nutzen.
Man kann nämlich durch den ganzen historischen Kern der Stadt wandeln, ohne aufs Wetter Rücksicht nehmen zu müssen.
Bei strömenden Regen bieten die “fliegenden Händler” Regenschirme an, aber wofür (?), man ist ja immer unter Dach und Fach.
Wenn die Temperaturen wie 2011 in Richtung “kochende Hitze” steigen, findet man immer Schatten, ohne irgendwo einkehren zu müssen.
Man ist also vollkommen wetterunabhängig und kann Bummel, ob am Tag oder in der Nacht.
An einzelnen wenigen Gebäuden erkennt man noch die Entstehung dieser Portici, weil einst im 12. Jh. erst eine Art Veranda vor die oberen Stockwerke gebaut wurde und mit Holzpfählern gestützt werden mussten.
Dieses wurde dann allerdings als zu wackelig und vom Einsturz gefährdet angesehen und durch einen Erlass wurden die Holzstützen umgewandelt in Ziegel und Stein, was jedem etwas sicherer vorkam.
Die 9 km außerhalb liegende Pilgerkirche Santuario Madonna di San Luca wurde genauso durch einen solchen Laubengang quasi mit der Stadt verknüpft, damit die Gläubigen vor schlechtem Wetter geschützt zur Kirche kamen – genauso wie ich im Jahre 2011, als ich bei Temperaturen über 40° C zur Kirche San Luca emporstieg und am eigenen Leibe spürte, welch gute Erfindung diese Portici doch sind, ob nun für Gläubige oder weniger Gläubige …
Was lernen wir daraus :
“Eine gute Idee ist besser als ein Leben lang Büroarbeit”
***************