“Soll ich von Smaragden reden,
die dein Finger niedlich zeigt,
manchmal ist ein Wort vonnöten,
Oft ists besser, wenn man schweigt.”
(Goethe – “West-östlicher Divan”)
“Die Kunst des tönenden Schweigens”
J.W.v.Goethe ist ja nicht nur der größte deutsche Dichter, politische am Hofe Herzogs Carl August von Sachsen-Weimar und Eisenach in der damaligen Zeit aktiv, Gesteins- und Flora-Forscher und hat nebenbei mal eben Jura studiert – er hat sich auch tiefergreifend mit Newtons Farbenlehre beschäftigt und hat seine eigene Farbenlehre erstellt.
Und dieses Gefühl für Farben und Farbkontrasten erkennt man unschwer in der Einrichtung und Gestaltung der Wohnräume seiner Häuser in Weimar.
Die Wohnung ist ein Spiegel des inneren Ichs und man kann nicht nur den Charakter und das Ich des Bewohners darin erkennen, sondern auch seinen Intellekt.
Zeigt mir wie du wohnst und ich sag dir, wer du bist…
Genauso hat ein anderes Genie zu seiner bahnbrechenden und revolutionären Tristan-Komposition den schlauen Spruch entworfen :
“Große Dichter erkennt man daran, was sie uns verschweigen
und nicht, was sie uns mitteilen”
Damit meinte Wagner natürlich seinen Kompositions-Stil des tönenden Schweigens, der “Tristan und Isolde” unsterblich gemacht hat.
Denn, was der Dichter verschweigt, bringt der Musiker zum vollen Erklingen.
Tja…, da sieht man, wenn Genies aufeinander treffen, was hätte Goethe wohl zum Genie Wagners gesagt, wenn er in derselben Epoche gelebt hätte.
Bilder sprechen immer mehr als 1000 Worte.
Das trifft jedoch auf Goethe nicht zu, denn der hat ja viel geschrieben und wenig verschwiegen.
Der Dichterfürst hat allerdings eher mehr diktiert, als selbst geschrieben, sonst hätte er ja nicht so viel schreiben können.
Trotz der vielen Worte soll im Folgenden zwar nicht das Schweigen im Mittelpunkt stehen, aber doch eher die Bilder.
Und zwar die Bilder der Farbkontraste, der natürlichen Rahmen, der Plastiken, des Vorder-Hintergrund-Effektes und der Dreidimensionalität von Licht uns Schatten geprägt.
Man kann sich nur annähernd ein Bild machen, mit welchem Geschick Goethe es verstand, sein eignes Ich hier zu manifestieren.
Das Haus am Frauenplan war ja ab einem gewissen Zeitpunkt sein Eigentum, und er konnte es gestalten, wie er wollte und als Krönung “ergießt” sich nach hinten ein Garten, der eine Pflanzenpracht hat, dass man vor Staunen stumm wird, auch ohne Flora-Forscher zu sein.
Bei meinem ersten Besuch des Goethe-Hauses am Frauenplan in Weimar habe ich von den Innenräumen keine Fotos gemacht, nicht machen können, denn ich war vor Staunen stumm Mitte Mai des Jahres 2003, ich schwieg…
Doch jetzt Mitte Juni 2018 konnte ich endlich loslegen und Goethes raumgestalterisches Talent fotografisch festhalten.
Dadurch sagen nun die Bilder doch mehr als 1000 Worte.
Bis zu seinem Tode im Jahre 1832 lebte Goethe in seinem Haus am Frauenplan in Weimar.
Das im barocken Stil erbaute Wohnhaus bewohnte Goethe erst als Mieter nach seinem Einzug im Jahre 1782.
1792 kaufte es Herzog Carl August von Sachsen-Weimar und schenkte es 1794 dem Staatsminister Goethe, der mittlerweile in den Adelsstand aufgestiegen war.
Nun konnte Goethe als Eigentümer 1794 erste Pläne zur Umgestaltung der Innenräume angehen.
Es entstanden neue Raumfolgen und Wegeführungen, Licht- und Farbwirkungen.
Ausschließlich nach seinen Entwürfen nahten sich die raumgestalterischen Ideen immer mehr seinen (Kunst-)Vorstellungen mit Farbe der Skulptur-Kunst mehr Ausdruckskraft zu verleihen und somit eine gewisse Einheit von Mensch, Werk und Leben zu erreichen.
Das ganze Haus war in den 50 Jahren, in denen Goethe hier wohnte, immer wieder Veränderungen unterworfen.
Erste Veränderungen brachte eine nach italienischen Vorbild geschaffene Treppenanlage mit in die Wände eingelassene Skulpturnischen, die mit Büsten altgriechischen Charakters und antiken Abgüssen bestattet sind.
Dies bringt schon den fast genial wirkenden Effekt, dass diese Büsten quasi gar keine Platz wegnehmen, aber ohne auf die Wände gemalt zu sein, doch dreidimensional existieren und durch die dunkel gestaltete Nische sich gut hervorheben.
Farbenlehre…
Laut Zeitzeugen war Goethe auf die Ergebnisse seiner in Buchform festgehaltenen Farbenlehre stolzer, als auf sein dichterisches Werk, obwohl er gegenüber Newton im Nachhinein gesehen bei gewissen Einzelteilen irrte.
Manchmal können große Geister sich auch irren, was ich gerne Goethe bei meinem Besuch persönlich mitgeteilt hätte, wenn ich ihn angetroffen hätte, denn seine Einschätzung der beiden schiefen Türme von Bologna habe ich ja widerlegt.
Nur wäre Goethe garantiert nicht begeistert gewesen, dass ich gezeigt habe, dass er in seiner Größe und bei seinem Genie auch nicht in allem Recht hatte.
Des Weiteren bringen Stuckfriesen im hellem Türkis gehaltenen Aufgang und schwarze Skulpturen auf weißem Marmor stehend, die Antiken Vorbilder zum Klingen.
Hier zeigt sich Goethes Hang zum klassizistischen Kunstideal schon bereits im Treppenhaus, der der erste Teil der vorgenommenen Veränderungen darstellt.
Tauben-Blau – Ocker-Gelb – Türkis-Grün
Die Hauptfarben der Wandgestaltung sind die Mischfarben Tauben-Blau, Ocker-Gelb, helles Türkis-Grün und Rosa-Rot. Also alles helle Farbtöne, die Plastisches noch stärker zur Geltung kommen lassen und eine harmonischen Farbgebung erzeugen.
Komischerweise sind, abgesehen von Rosa-Rot, die Wände meiner Wohnung auch in diesen Farbtönen gestaltet, was Parallelen zu Goethes Farb-Empfinden aufweist.
Die zu sehenden Foto eines der Wohnräume sind ein gutes Beispiel, wie geschickt Goethe seine Räumlichkeiten durch die Farben, Stuckarbeiten und Mobiliar zu gestalten wusste.
Vor allem die Wohn- und Gesellschaftsräume sollen eine gewisse Geselligkeit ausstrahlen und einladend wirken, auch wenn sie oft schlicht und einfach eingerichtet sind.
Man kann sich denken, dass dies das Denken eines Denkers hebt.
Eine kleine Veränderung des Standpunktes gibt dem Ambiente schon einen anderen Ausdruck.
Genau wie im Park an der Ilm, an dessen Gestaltung Goethe ja auch maßgeblich beteiligt war, gibt es in der Anlage des Hauses gewisse “Sicht-Achsen”.
Im Gegensatz zu den “Sichtachsen” im Park unter freiem Himmel, verbindet Goethe die Räume, sodass man von gewissen Standpunkten aus, durch mehrere Räume schauen kann, also quasi den richtigen “Durchblick” hat.
Im sogenannten Juno-Zimmer zeigt sich die Kollosalbüste der Göttin Juno, die Goethe als das „Symbol griechischer Kunst schlechthin” ansah.
Die mit kleinen Ausnahmen weiß gehaltenen Skulpturen und Büsten, sind meistens in den Ecken oder an den Wänden platziert.
Es gibt eine Ausnahme, denn im sogenannten kappelenhaften Brücken-Zimmer des Wohn‑, Gesellschafts- und Sammlungbereiches steht eine antike Skulptur (Knaben-Torso) auf einem Marmor-Sockel mitten im Raum, der an die Funde von Herculaneum und Pompeji erinnert.
Diese ist eine Geschenk an Goethe gewesen und da ist natürlich ein repräsentativer Präsentationsplatz vonnöten.
Auch darf natürlich der bereits 1805 gestorbene Friedrich Schiller hier mit einer ansehnlichen Büste nicht fehlen, der wie so oft, Schiller mit einer Art Umhang zeigt, wiederum in einer Ecke neben einer Tür platziert.
Im zur Stadt hin ausgerichteten Haus-Teil findet man die repräsentativen Wohn‑, Gesellschafts- und Sammlungszimmer, während der Arbeitsbereich an den Garten grenzt.
Das Vorder- und Hinterhaus sind durch Übergänge im oberen Geschoss verbunden.
In einer Art Innenhof ist Platz für Goethes Kutsche, ohne die er seine Reise durch Italien nicht hätte realisieren können.
Da hätte mir auf meinen Italienreisen aber auch etwas gefehlt, bei den vielen Punkten, an denen ich schon war, wo Goethe damals geweilt hat.
Wohnung oder Museum ?
Wenn man die 18 zu besichtigenden Zimmer durchschreitet, fragt man sich, ob das hier ein Wohnhaus ist oder ein Museum (?)
Gut ausgeleuchtet, gut platziert und farblich kontrastreich gestaltet, übertrifft Goethes Haus am Frauenplan allerdings viele Museen an Ausdruckskraft, denn normale Museen sind ja nicht bewohnt.
Die Ecken werden “gefüllt” durch Büsten, die wie große griechische Philosophen oder römischen Feldherren anmuten.
Feldherren und Philosophen
Manche der unzähligen Skulpturen kommen einem, wenn man davor steht, schon überlebensgroß vor, was sich aber immer noch in den großen Räumen einpassen lässt.
Jetzt fragt man sich, wenn man über knarrenden und quietschenden Paneelen schreitet, ob Goethe in diesen oftmals rein repräsentativen Räumen alleine gewohnt hat (?)
Die Antwort ist nein !
Goethe lebte hier zeitweise nicht nur mit seiner Familie, sondern auch mit Bediensteten und mit Hausgenossen (was man darunter verstehen mag?) und mit seinem Freund, Helfer und Maler Johann Heinrich Meyer, der an der Gestaltung aktiv beteiligt war.
Außerdem gab es immer wieder Anlässe zu Versammlungen, Treffen mit Freunden oder kleine Feiern und gemütlichen Beisammensein.
Da wäre meine Wohnung doch etwas klein für.
Neben den unzähliger Büsten und Skulpturen beinhalten die Räume Handzeichnungen, Gemälde, Bronzen und Majoliken, Münzen und originale Möbel. Diese Kunst- und Naturaliensammlung ist bis auf den heutigen Tag in seinem Umfang noch erhalten. Alles zeigt Goethes Liebe zu persönlichen Erinnerungsgegenständen und Objekten aus verschiedenen Sammlungsbereichen.
Was wären große Schöpfer ohne ihre Gärten ?
Genauso der Naturfreund Goethe, denn ohne den angrenzenden Garten, wäre das Goethehaus am Frauenplan in Weimar nicht denkbar.
Der groß anmutende Garten ist von außen durch umgebende Mauern nicht einsehbar.
Die Rückseite des Hinterhauses hat einen überdachten Gartenausgang aus dem sogenannten Gartenzimmer heraus.
Ohne Garten nicht denkbar…
Der Garten diente zu Goethes Zeit eher der Versorgung des Haushaltes mit frischem Gemüse und Obst, war also Nutzgarten.
Goethes Talent zeigt sich auch hier, da er im Jahre 1794 zeitweise botanische Studien und Versuche durchführte.
Eine Erweiterung des Garten im Jahre 1817 brachte weiteren Platz. Der Zustand, in dem der Besucher den Garten heute sieht, entspricht weitestgehend dem Zustand um 1820, auch wenn vieles sicher rekonstruiert worden ist. Beim Bummeln über die Kieswege dieses bunten Gartens, erkennt man allerdings, dass früherer Gemüsebeete durch größere Rasenflächen ersetzt wurden.
Auch wenn der Garten zum Teil nur Rekonstruktion ist, bietet er schon einen gelungenen Schritt aus dem Wohnhaus in die Natur, bei der Vielfalt von Pflanzen, die einem Besucher hier ins Auge springen.
Abschließend sei zu sagen, dass das Wohnhaus J.W.v.Goethe in Weimar am Frauenplan weit mehr ist, als nur ein Wohnhaus oder ein Museum.
Es ist ein Ort der Welterkenntnis und spiegelt 50 Jahre aus Goethes Leben wieder.
Eine Art Museum von Kunst und Natur und ein stiller Ort einer anderen Zeit, die Zeit eines Mannes, der Deutschland veränderte, zu einem Land der Denker mit erfrischenden Impressionen und geistiger Größe.
Der Verfasser diese Beitrags ist sich aber bewusst, dass die Zeit nicht stehen bleibt, auch bei Goethe nicht.
Was lernen wir daraus :
“Große Dichter erkennt man daran, was sie uns verschweigen,
und nicht, was sie uns mitteilen”
******************
* sh. auch meine Fotos von Weimar
* sh. auch Stiftung Weimarer Klassik