“…materielle Abbilder sind Teil der Scheinwelt, dagegen manifestiert sich in den Urbildern, die nur einem potenzierten Blick zugänglich sind, das wahre Sein.” (PLATON)
Der Aufenthalt in der EMILIA ROMAGNA im August 2011 brachte ein Gefühl zu Tage, was ich nicht häufig bei meinen Reisen hatte, und das ist, wie sich einem die Welt gibt, wenn man eine starke Grippe bei Temperaturen von 45°C Grad hat.
Wie schon Arthur Schopenhauer treffend festgestellt hat, ist die Welt ja nur ein Schein und das Leben eine Farce – dies kann ich, an Vieles zurückdenkend, nur befürworten.
Mein erster Aufenthalt in BOLOGNA stand ja im Jahre 2011 nicht gerade unter einem guten Stern – dicke Grippe und eben Temperaturen von über 40° Grad, wie ich sie in Italien bis dato noch nicht erlebt hatte.
“…Bologna wird durchgezogen!” – so steht es noch heute in meinem Tagebuch am 18.8.2011, denn der Wille ist die Urkraft im Universum, wie Schopenhauer wiederum meint herausgefunden zu haben, bzw. wenn ich mir etwas in den Kopf gesetzt habe, dann wird es durchgezogen, komme was da wolle…
Die Menschen standen bei meiner Abfahrt von Bologna nach Parma nicht mehr auf dem Bahnsteig, weil die Hitze so groß war, dass man kaum die Bahnhofshalle verlassen konnte.
Es ging mir einfach darum, einmal PARMA zu sehen, denn wer kennt ihn nicht, den berühmten Schinken aus Parma…
…außerdem ist hier der berühmte Dirigent Arturo Toscanini geboren und des weiteren steht hier ein Gebäude, was alle Reiseführer über Parma ziert…
…nämlich der Baptistery von Parma.
Am Bahnhof in Parma angekommen, schlug ich den vorher ausgearbeiteten Weg in die Strada Garibaldi ein – als Italienreisender fragt man sich, ob es überhaupt eine italienische Stadt gibt, wo nicht irgendetwas nach dem großen Freiheitskämpfer Garibaldi benannt ist (?) – gut vergleichbar mit Goethe, denn gibt es eine Stadt in Deutschland, wo nicht irgendetwas nach Goethe benannt ist (?).
Rechterhand an der Strada liegt ein kleiner Park, wo bestimmte Stellen mit weißen Kieselsteinen ausgelegt sind und hier merkte ich, warum die Erfindung der Sonnenbrille nicht nur für das äußere Erscheinungsbild keine schlechte war.
Durch die kochende Hitze war es kaum möglich auf den Kiesel herunter zu schauen.
Kurz danach auf der selben Straßenseite ist das Teatro Regio Di Parma, was wie die meisten Opernhäuser in Italien nicht für Touristen geöffnet ist – man will halt im Mutterland der Oper die normalen Besucher der Stadt nicht in den hoch und heiligen Häusern haben, zumindestens nicht als reine Besucher des Hauses und nicht der jeweiligen Aufführung.
Dies war mir durch die zahlreichen Aufenthalte in Italien bekannt, bei denen ich meist vor verschlossenen Türen stand.
Nach meinem vorher ausgearbeiteten Plan, ging ich nun in die links abbiegende Via Carlo Pisacane, wer dies nun immer sein mag, das war mir in dem Moment mit kochendem Kopfe auch egal – dann geht diese Via in die Strada Duomo über, da kommt man der Sache schon näher …
Nach ca. weiteren 500 Metern stand er vor mir … das Wahrzeichen Parmas…
…der BAPTISTERY ...
“…es wird durchgezogen.…” – und wie durchgezogen fühlte ich mich auch.
Wenn man die Fotos über dieses mächtige mittelalterliche Bauwerk betrachtet, fällt einem auf, dass es ab einer gewissen Höhe über dem Eingangsportal balkonartige Gänge gibt, wo jeder normal Denkende die Vorstellung hat, dass sich ein Aufstieg zwecks des guten Ausblicks doch lohnen würde.
Somit blätterte ich 8,00 € auf den Tisch und schritt hinein.
Im Innenbereich wird erst einmal jeder stumm – Deckenfresken, christliche Geschichte, bildhafte Gestaltung, Balustraden, Blendbögen und Kunst ohne Ende … ein wahres Wunderwerk damaliger Schaffenskraft.
Jetzt kam natürlich die große Frage, wo der Aufgang zu den balkonähnlichen Ausblickspunkten sei (?).
Die Antwort war ganz einfach, es gibt gar keinen – ich erinnerte mich an die ausführlichen Vorbereitungen zu dieser Reise und die unzähligen Fotos von diesem Bauwerk. Mir kam eine gewisse Erleuchtung, denn auf keinem Foto war von außen irgendein menschliches Wesen auf diesen ominösen “Balkonen” zu sehen.
Wie Platon schon erkannt hatte, gibt es eben Ur- und Abbilder, materielle und immaterielle Bilder, hier wird es philosophisch, die Vision ist immer im Unbildlichen, also eher eine Utopie oder wie im Fall des Baptistry eher ein Wunschdenken.
“Das Bild als Schein der Wirklichkeit” – ein Buchtitel aus frühen Jahren, der mir wieder in den Kopf kam.
Bei allem Prunk doch leicht enttäuscht, ging ich wieder raus auf den mit dicken Steinen gepflasterten Piazza del Duomo.
Jetzt kann es natürlich sein, dass es versteckte Aufgänge gibt, die aber, wie das Teatro Regio, für den normalen Besucher nicht zugänglich sind.
Als solches hatte ich in dem Moment absolut keine Lust, mir darüber Gedanken zu machen und schlug meinen Weg in Richtung eines anderen Herrn ein, der nämlich in Parma geboren ist … und das ist ARTURO TOSCANINI.
Jedem Musikfreund und Wagnerianer geht der Name richtig dramatisch von den Lippen – lange Erklärungen sind nicht nötig, wenn es nämlich für Italien einen berühmten Dirigenten seiner Epoche gibt, dann ist es Toscanini.
Die Aufnahmen aus den 30er Jahren sind zwar heute ein bißchen knisterig, bringen aber schon das Epochale des Werkes Wagners gut herüber.
Der Fluss Parma (Torrente Parma) war zu dem Zeitpunkt meines Besuches durch die Hitze nicht mehr existent – es war nur noch ein ausgetrocknetes “Flussbett” zu erkennen.
Jetzt war schon in den Vorbereitungen zu meiner Reise klar, dass an diesem Montag das Geburtshaus Toscaninis geschlossen ist.
Aber ich wollte es wenigstens sehen und davor stehen.
Ein eher schmales Gebäude, was in den umliegenden Häusern untergeht.
Jetzt muss man abschließend sagen, dass Parma zu den Städten gehört, wo das “Schöne” verflüchtigt ist, aus dem ganz einfachen Grund, weil die Lücken zwischen den alten Fassaden mit modernen Betonbauten gefüllt sind, was der Atmosphäre einer Stadt den Reiz nimmt.
Dies bemerkte auch ein anderer nicht ganz unbedeutender Italienreisender, der 1817 kurz Parma aufsuchte … und das ist der französische Schriftsteller STENDHAL alias Henri Beyle, der treffend in seinem Italienbuch schrieb :
“…die herrlichen Fresken von Correggio hielten mich in Parma auf, das sonst ein ziemlich ödes Nest ist…”
Stendhal meinte die Fresken des Schöpfers CORREGGIO in der Kathedrale von Parma, dem Rest des Zitates ist kein Kommentar hinzuzufügen.
Mit diesem Gedanken betrat ich nun noch einen Supermarkt bei meinem Rückweg zum Bahnhof, um mir etwas Schokoladenmäßiges zu kaufen.
Als ich den Supermarkt verließ, war allerdings bei den Temperaturen in kurzer Zeit alles dahingeschmolzen, genau wie meine Vorstellung den Baptistery einmal besteigen zu können…
Was lernen wir daraus :
“Der Irrtum ist ein Instrument der Wahrheit”
* Casa Natale Arturo Toscanini
* sh. meine Bildergalerie Parma :