“Der Traum von einem eigenem Harem”
Wie man dem obigen Bild entnehmen kann, ging es Frauen in frühen Jahren nicht immer so gut wie heute.
Die Zeit des Harems in der orientalischen Welt ist ja zum größten Teil vorbei.
Doch zieht es viele an die Stätten, wo einst die Lust regierte, dies ist nicht unbedingt nur das Topkapi-Serail in Istanbul, was jedem bei diesem Thema einfällt, sondern auch andere Orte früherer Männer-Herrschaft.
Und einer davon ist der.…
… Palais de la Bahia in Marrakesch.
Zur Erläuterung :
Der Palais de la Bahia (قصر الباهية) liegt in südlichen Teil der Medina am Nordende der Mellah, dem jüdischen Viertel, das zum Schutz seiner Bewohner üblicherweise in der Nähe der Machthaber lag.
Erbaut wurde diese riesige Anlage ca. von 1859 bis 1873 und wurde um 1900 abgeschlossen.
Den ältesten Gebäude-Trakt ließ Si Moussa, ein Berater des damaligen Sultans, in den 1860er Jahren errichten.
Der zweite Bauabschnitt wurde durch den Sohn Si Moussa Ahmed Ba, Großwesir von Sultan Moulay Abd al-Aziz (reg. 1894–1908) geführt, was man in die Jahre 1840 bis 1900 legen kann.
Die gesamte Palastanlage wurde erheblich erweitert, vor allem durch einen traumhaften Garten (Jardin de la Bahia), einen Hamam (Badeanstalt) und einer Moschee.
Hierbei wurden wie oft in der Geschichte, die besten Handwerker, Künstler und Bildhauer des Landes, vor allen Dingen aus Fès geholt.
Materialien für die Dekoration des Palais Bahia kamen aus ganz Nord-Afrika bis hin zu italienischen Marmor aus Carrara.
Es gibt im Palast keine architektonischen Ordnungsprinzipien und durchgehende Achsen bei diesem schon fast 8 Hektar großen Komplex.
Dies hat wahrscheinlich den Grund, dass es in verschiedenen Bauphasen erstellt wurde und in der zweiten Bauphase auch durch ummauerte Gärten, Pavillons und Gebäude, die verschiedene Maßstäbe hatten, erweitert wurde.
Die Baukunst des Palastes erinnert an den andalusisch-maurischen Stil der Prunkbauten Sevillas und vereint viele Merkmale islamischer Baukunst.
Unverzichtbar sind bei diesen Palästen die hellen Innenhöfe, die mit Marmor, Keramikkunst und der marokkanischen Mosaikkunst Zellig gestaltet sind.
Was einem bei anderen Palästen schon oftmals übertrieben prächtig erscheint, zeigt sich im Marmor-Innenhof des Bahia-Palast in Marrakesch (entstanden 1896/97) schon eher einfach und leer, mit einer in Zellig reich gestalteten Brunnenanlage aus bunten Fliesen oder Fayence, was soviel bedeutet, wie kunsthandwerklich hergestellte Keramik (man lernt doch nie aus).
Dieser Begriff leitet sich sogar von dem italienischen Ort Faenza in der Emilia Romagna ab, der auf halber Strecke zwischen Bologna und Rimini Richtung Adria liegt.
Trotz meiner Italien-Begeisterung, wusste ich dies bis vor kurzem auch noch nicht.
Aber man merkt, wie sich alles zusammenfügt – italienische Marmorkunst in Marrakesch, islamische Baukunst bis nach Sevilla und Keramik-Kunst aus der Emilia Romagna in Ober-Italien.
Sehr beeindruckend ist der 50 x 30 Meter messende, von Holzkolonnaden umringte Ehrenhof, von dem die weitläufigen Räumlichkeiten und Zimmerfluchten abführen.
Zur Erläuterung für die, die kein kleines Latinum haben :
Eine Kolonnade ist ein Säulengang (lateinisch columna – Säule), der im Unterschied zur Arkade ein gerades Gebälk besitzt.
Somit sieht man a posteriori, dass sich die Qualen des Lateinunterrichtes in der Sekundarstufe I. doch gelohnt haben.
Der wahre Reiz der marokkanischen Baukunst liegt im Detail.
Die Farbenspiele des Glases der Fenster erinnert schon an die Chagall-Fenster der Kathedrale Saint-Étienne in Metz, die ich an der Seite meines Vaters in frühen Jahren bei Frankreich-Touren bewundert habe.
Der Blick durch die bunten Fenster des Bahia-Palastes in die Gartenanlage hinaus, lässt schon kreative Phantasien aufkommen.
Um die farbig bemalten Holzportale, die detailliert geschnitzten Zedernholzdecken, die phantasievollen Mosaike und aufwendigen Stuck-Verzierungen, auf sich wirken zu lassen, braucht man Zeit, die ich mir im weihnachtlichen Marrakesch auch nahm.
Die dekorativen Motive, Materialien und Arabesken zeigen einen hohen Stand der Handwerkskunst damaliger Jahre.
Die zur Besichtigung heute freigegebenen Räume sind alle unmöbliert, was dadurch in meinem emotionalen Reisegedächtnis wenig Erinnerung hinterließ.
Trotzdem kann man sich bei der Bedeutung des Ortes in der Geschichte leicht vor Augen halten, wie hier einst Gesandte empfangen wurden, Feste gefeiert und Pläne geschmiedet wurden.
Gärten, die das Paradies symbolisieren
Was eher haften bleibt, ist der bezaubernde Garten mit Bananenstauden, Palmen, Jasmin, Springbrunnen und üppiger Natur.
Dieser nimmt einen großen Teil der insgesamt 80.000 Quadratmeter umfassenden Anlage ein und erinnert an die anderen sehenswerten Gärten in Marrakesch, wie zum Beispiel der Jardin Majorelle oder der Jardin de Secret.
Er ist nicht nur vom Duft der Orangen und Zypressen erfüllt, sondern strahlt auch eine gewisse Ruhe im hektischen Treiben der Stadt aus.
Als nun die Stunde kam und der Großwesirs Bou Ahmed verschied, wurde der Komplex während der Protektoratszeit zum Sitz der französischen Protektoratsverwaltung.
Heute befindet sich der Bahia-Palast im Eigentum des Königs.
Ein Großteil der rund 160 Zimmer kann besichtigt werden, viele sind in ihrer orientalischen Pracht kaum zu überbieten.
Ein Teil des Palastes ist vom marokkanischen Kulturministerium belegt.
Trotzdem herrschen heute natürlich hier nicht die Machthaber früherer Jahre, sondern die Touristen, die im sonst trubelhaften Marrakesch diesen Platz der Ruhe gerne aufsuchen.
Um zum Anfangs erwähnten Thema des “Harems in der orientalischen Welt” zurückzukommen, sei zu sagen, dass es auch der Großwesirs Bou Ahmed war, der seinen männlichen Geschlechtstrieb nicht unterdrücken konnte, denn der Palast soll (angeblich) nach seiner Lieblingsfrau benannt sein – Bahia heißt soviel wie “Die Glanzvolle” oder die “Die Strahlende”.
Keine schlechte Idee, seiner großen Liebe einen Palast zu widmen.
Allerdings soll Bou Ahmed hier mit vier Frauen und bis zu 80 Konkubinen (lat. concubinatus – klingt schon fast wie coitus interruptus) gelebt haben.
Da muss es ja in damaliger Zeit im Palast schon heiß hergegangen sein.
Eine Ausnahme für das Verbot außerehelichen Geschlechtsverkehres bei Muslimen gewährt der Koran.
Eine sexuelle Beziehung mit einer Sklavin, die sich im festen Besitz des Mannes befindet, ist nämlich erlaubt (nach meinem Wissen).
Das waren doch noch schöne Zeiten…
Als sich für mich nach mehr als zweieinhalbstündiger Besichtigung des Palast-Komplexes dann doch kein Harem öffnete, zog ich wieder in den Trubel der hektischen Medina von dannen…
Ich sollte nächstes Jahr doch besser nach Thailand fliegen…
* Palais de la Bahia
N° 52, Jemaa El Fna. Marrakech, Maroc
contact@palais-bahia.com
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* sh. auch meine Bildergalerie Marrakesch :