Der Hausberg von Aix (Mai 2015)

                     “Der Blick auf Cezanne und Picasso”

Da mein Besuch in AVIGNON 2014 (sh. “Operation AV) ein Erfolg war und diese Stadt bei mir einen großen Eindruck hinter­lassen hatte, tat ich das, was ich schon öfter getan haben.
Ich plante einen Besuch einer Stadt, die mit der ersten vergleichbar ist.
Nämlich  AIX en PROVENCE  süd-​östlich von Avignon.

Alle Städte hier sind von Marseille gut mit Bus oder Bahn zu erreichen.
Bei einem Direktvergleich kommt Aix mit Avignon nicht mit, vor allem, was die Baudenkmäler und Kunstschätze betrifft.
Aber Aix sollte nur ein Teil dieses “Projektes” sein.
Das Atelier Paul Cezannes liegt leicht ausser­halb und es lohnt sich, es einmal aufzusuchen 
… jetzt kommen wir der Sache schon näher.

Eines der Hauptmotive von Cezanne ist bekannt­lich der Hausberg von Aix, nämlich der…

                            Montagne Sainte-​Victoire

Die Landschaft zeigte sich in den Lektüren sehr reiz­voll, ein Naturpark mit Stauseen, Gehöfte und Wandermöglichkeiten … also genau das rich­tige für mich.
Die Literatur gab einen ausge­schil­derten Wanderweg an …, “tja, dann wollen we mal sehen”.

Montagne Sainte-​Victoire

Das Hotel in Aix lag an der Nobelmeile Cour Mirabeau und war dementspre­chend teuer.
Ich hatte alles in einer Route geplant.
Richtung Osten führt die D10, die sich durch den ganzen Naturpark Réserve Naturelle de Sainte-​Victoire hinzieht.

Die erste Teilstrecke hatte ich mir ausge­ar­beitet bis zu einem Gehöft mit dem Namen LES CABASSOLS links der Straße und hatte seine 12 km, was ja kein Problem darstellt, Temperaturen wunderbar zwischen 24° und 26° Grad.
Die Südwand ist für den normalen Wanderer zu extrem, laut der Literatur stellt die Nordwand über den Weg  GR9  keine Probleme dar.
Die Straße führt durch eine bizarre Felsenlandschaft mit Felder und Wiesen, der Punkt des Aufstiegs war nach 2 Stunden erreicht. 

Schon von Weitem ist das 18 Meter hohe Bergkreuz zu erkennen, was auf Cezannes zahl­rei­chen Bildern auch auf dem Gipfel thront.
Nach diesem eher kleinen “Spaziergang” kam die Stelle, die in der Literatur als Beginn des Aufstiegs empfohlen wurde.
Die Ausschilderung war eine rote und eine weiße Linie über­ein­ander – doch wo waren die Wanderwege ?

Wanderwege oder nur Wandermarkierungen ?

Von Wegen konnte hier nicht die Rede sein, dadurch sollte man im Nachhinein gesehen den Aufstieg auf den ca. 1000 Meter hohen Berg nicht unterschätzen. 

Die 2. Teiletappe hatte das Bergkloste LE PRIEURE zum Ziel.
Der Aufstieg war mühe­voll, denn die “Wege” waren oftmals nur ange­deutet und es bedarf schon etwas berg­stei­ge­ri­schem Können und natür­lich Durchhaltevermögen, sowie dem rich­tigen Schuhwerk.
Der durch felsiges Gelände führende Aufstieg von 2,5 bis 3 Stunden bietet immer wieder traumhafte Ausblicke über die Provence und war dann auch in der Mittagszeit gepackt.

Le Prieuré de Sainte-Victoire

Das Kloster Le Prieuré  ist nach einem verhee­renden Brand 1989 wieder reno­viert und ist ein zauber­volles  Kloster, in dessen Innenhof  auch ein Brunnen ist, was bei einem so teils kräfteraubenden Aufstieg schon eine Rettung ist.
Der Blick Richtung Süden zeigt eine steile Felswand, deshalb hatte ich (und andere sicher auch) verstan­des­gemäß  natür­lich den nörd­li­chen Aufstieg gewählt.
Nach einer halb­stün­digen Verschnaufpause kam das “letzte Gefecht”. 

Das letzte Gefecht

Der Abschnitt zwischen Kloster und Bergkreuz (CROIX DE PROVENCE) ist zwar der kürzeste, aber auch der steilste, aber wenn man das Kloster gepackt hat, nimmt man den Rest auch.
Für das Bergkreuz sollte man sich schon eine halbe Stunde Zeit nehmen und erst einmal den Blick genießen.

Genialer Ausblick … geschafft !

Bei meinen Vorplanungen hatte ich den Bergkamm Richtung Osten mit eingeplant.
Das hatte auch seinen Grund, worauf ich später eingehen will.
Doch dann kam wieder das “Verstandesgemäße”, ich wollte mir aber ein paar gute Perspektiven (für meine Kamera) dann doch nicht entgehen lassen und setzte beim Abstieg im “jugend­li­chen Leichtsinn” noch meinen Weg auf dem Bergkamm Richtung Osten fort.
Denn hier hat man nicht nur einen guten Blick zum oben trium­phie­renden Kreuz, sondern auch auf den Stausee LAC DE BIMONT.


Da die Nachmittagsstunde bereits einge­setzt hatte und ich alles in einer Etappe machen wollte,
handelte ich dann doch verstan­des­gemäß und entschied mich, den Abstieg über den GR9 anzu­treten.
Hinterher erst habe ich heraus­ge­funden, dass man, wenn man diesen Bergkamm weiter­geht, auch auf der Straße D10 unter­halb des Stausees herauskommt.
Tja hinterher …

Der Abstieg war manchmal noch mühe­voller als der Aufstieg und erst gegen 20:00 h war ich wieder unten am Les Cabassols-​Gehöft.

Bei unter­ge­hender Sonne wieder unten


Jetzt kam etwas, was mich schon oftmals in ein gewisses Gefühl versetzt hat, es ist nicht un
bedingt der Überlebenstrieb, kommt dem aber in gewisser Art nahe.

Die 12 km zurück nach Aix waren fast  ausschliess­lich im Dunkeln zurückzulegen.
Es gab keine Straßenlaternen und keine Fusswege, das muss man ca. 2 Stunden einmal gemacht haben – einzelne Autos rechnen natür­lich nicht in spät abend­li­cher Stunde mit einem Fussgänger auf der
Straße. Hinterher habe ich mir erst einmal eine kleine Taschenlampe gekauft – tja, hinterher.

Nach ca. 2 Stunden kam die Zivilisation – begin­nende Bürgersteige, Straßenlaternen und  Mülleimer …
Aix ist ja, wie viele andere Städte hier, nacht­aktiv, das heisst, dass man hier auch des Nachts noch etwas Trinkbares und Essbares bekommen kann, zu dieser Uhrzeit ist die Cour Mirabeau noch reizvoller, als am Tag.

Cour Mirabeau – Aix-en-Provence

Doch ich hatte zu diesem Zeitpunkt keinen Sinn mehr für Melancholie.
Am Hotel zeigte mein Schrittzähler 42,21 km, also knapp über Marathon, dieses kam aber nur zustande durch meinen nicht geplanten Abstecher auf den west­li­chen Bergkamm.

Apropos “Bergkamm” ist abschlies­send zu sagen, dass ich den östli­chen Bergkamm vorher nicht ohne Grund ausge­wählt hatte, ihn dann vor Ort doch verstan­des­gemäß aufgab.
Schon 1973 inter­es­sierte ich mich mit 13 Jahre für Kunst, was bis heute auch so geblieben ist.
Und 1973 starb Picasso – genauso habe ich mich immer für Burgen und Kastelle begeis­tert.

Damals stand nämlich in der Zeitung :
      “Picasso im Garten seines Schlosses in der Provence beerdigt”. 

Das war natür­lich etwas  für einen 13jährigen, dass ein Künstler auf seinem Schloss beer­digt wird …
… dass ich dort einmal hin käme, habe ich damals natür­lich nicht gedacht.
Wäre ich den Bergkamm gegangen, dann hätte ich einen wunder­baren, freien Blick auf das kastell­ar­tige Gebäude gehabt.
Wie man nun Picassos Kunst gegen­über­stehen mag, ist Geschmackssache, dass er eine große Bedeutung für die Kunstgeschichte hatte, kann man ja nicht abstreiten.
Das kastell­ar­tige Gebäude (Château  de Vauvenargues), was heute in der Hand der Nachfahren ist und demnach auch nicht besich­tigt werden kann, liegt rechts der Straße von Aix kommend bei dem Dorf VAUVENARGUES.

Die Bewohner des kleinen Ortes protes­tierten gegen eine Öffnung für die Allgemeinheit, weil man fürch­tete, dass zu viele Touristen dorthin strömen würden.
Also hat Picasso dort doch seine Ruhe nach seinem langen und abwech­se­lungs­rei­chen Leben  gefunden.


Er schrieb an einen Bekannten, er habe sich Cezannes Blick zum Bergkreuz gekauft, dieser glaubte natür­lich, er hätte das Bild gekauft, was ja gar nicht zu kaufen ist. Picasso meinte natür­lich den Blick von den Zinnen des Kastells hoch zum Croix de Provence.     

Zu dieser Besteigung und zu den Schöpfern großer Werke ist zu sagen, dass man nichts berechnen kann, ob beim Schaffen eines Kunstwerkes oder bei einer Bergbesteigung, es findet sich oft im Triebhaften .…
.… doch manchmal kommt dann doch das Verstandesgemäße, ob nun mit Picasso Schloss oder ohne.

Was lernen wir daraus :

Die großen Ideen kommen aus dem Herzen
und nicht aus dem Kopf”

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*Fotos zum Hausberg in meiner Fotogalerie Frankreich :

Montagne Sainte-​Victoire (Provence)


(HerrRothWandert)


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