Canale di Reno Bologna (2011)

                 “Die verschwie­genen Kanäle von Bologna”

BOLOGNA
besaß in seiner Blüte im Mittelalter des 13. Jahrhunderts mehrere Dinge, die nicht jede Stadt zu dieser Zeit besaß.
Sie war nicht nur die fünft­größte Stadt Europas, sie beher­bergte außerdem eine Universität, die heute als die älteste Universität der west­li­chen Welt aus dem Jahre 1088 n.Chr. gilt.

Desweiteren wurde das mittel­al­ter­liche Stadtbild von ca. 180 Türmen (!) geprägt…
Man kann bis heute nicht genau sagen, welchen prak­ti­schen Zweck diese gehabt haben, denn sie lagen ja inner­halb der Wehrringe, die zum Schutz der Stadt dienten und aufgrund des stän­digen Wachsens der Stadt mehr­fach erwei­tert werden mussten.
Wie J.W.v.Goethe in seiner “Italienischen Reise”  beim Besteigen des 97 Meter hohen Torre degli Asinelli leicht zynisch schrieb, kann dies nur ein Protzen und Angeben einer jeden reichen Familie gewesen sein.
Außerdem wurde damals jedes Gebäude zur Festung, und da durfte ein Wehrturm nicht fehlen, auch wenn er als wirk­li­cher Wehrturm gar nicht genutzt wurde.

Torre Garisenda – Torre degli Asinelli

Neben der Universität und dem “Wald” von Türmen, besaß Bologna aber auch ein modernes Kanalsystem, was die Stadt vom west­lich liegenden Fluss Reno (könnte man als den italie­ni­sche Rhein bezeichnen) über Jahrhunderte mit Wasser versorgte, denn dieses bedeu­tete die lebens­wich­tige Energie für das Blühen des Handels und der Manufakturen.
Es herrschte hier das Handwerk der Stoffproduktion und der Seidenweberei und dazu brauchte man Mühlen und zum Antreiben dieser, brauchte man Wasser.
Bologna war damals das größte Zentrum der Textilherstellung und dies dank eines komplexen Wasserversorgungssystems und eines modernen Netzes von unter­ir­di­schen Kanälen, quasi die dama­lige Form der heutigen Kanalisation, nur dieser weit überlegen.
Nicht nur für die Seidenmühlen war dieses Wasser notwendig, sondern auch zum Betreiben von Weizenmühlen unerlässlich.

Es handelte sich nicht nur um Ableitungen des west­lich flie­ßenden Flusses, sondern auch um die Bäche Moline, Aposa und Savena.
Der bedeu­tendste war der Canale di Reno, der von einer heute noch exis­tie­renden Schleuse in Croce di Casalecchio im Westen Wasser in die Stadt führte.

Eine heute noch exis­tie­rende Einsicht liegt am äußeren west­li­chen Wallrand der Altstadt, wo es die soge­nannten “Kirchen am Wasser”  gibt, was schon zeigt, dass das Kanalsystem in frühen Jahren hier ausge­prägt gewesen sein musste.
Der Canale di Reno ist ganz im Westen (außer­halb des Äußeren Wallrings) noch voll erhalten, endet aber im Quatiere Saragozza, bzw. er verlässt das Tageslicht und fliest unter­tage weiter.
Die vierte und letzte der “Kirchen am Wasser” (S.Maria e San Valentino della Grada) liegt an diesem äußeren Wallring in der Via della Grada unter­halb des Porta San Felice.
Und hier gelangt der außer­halb im Westen verschwun­dene Canale di Reno durch ein Gitter (“grata”) im letzten Mauerring in die Stadt (sichtbar von der Via Monaldo Calari ).

Der berühmte Neptunbrunnen von Bologna (Fontana del Nettuno), als Wahrzeichen der Stadt, ist als Wassergott doch nicht so ganz fehl am Platz.

Fontana del Nettuno

Wenn man nun weiter fort­schreitet in die Neuzeit, waren aufgrund neuer Energiequellen die Kanäle irgend­wann, zu mindes­tens für das Antreiben der Mühlen, nicht mehr notwendig.
Viele Kanäle wurden besei­tigt, über­baut oder zuge­schüttet – da zeigt sich wieder der Lauf der Geschichte, dass manches besei­tigt wird, was vormals sehr sinn­voll und nütz­lich war.

Wenn man heute unter den Arkadengängen Bolognas bummelnd durch die Stadt schlen­dert, vermutet man kaum, einen Kanal unter seinen Füßen zu haben.
Ob er einst dort war oder heute noch ist, ist schwer zu sagen.
An der Namensgebung einzelner Straßen etc. sind die Spuren des Kanalsystems heute noch zu erkennen.

Ausblicke auf die Reste der Kanäle sind nur schwer zu finden, das heißt, dass der Interessierte mit der Kamera in der Hand, es doch nicht so einfach hat, eine Stelle für ein gelun­genes Foto zu finden.

Canale di Reno (Via Piella) – Blick Richtung Osten

Im Bereich der Historischen Altstadt gibt es diese wenigen Stellen nur östlich der Via dell’ Indipendenza  und leicht unter­halb der Via Irnerio, also mehr im nörd­li­chen Teil der Altstadt.
Weitere frei einzu­bli­ckende Stellen findet man auch nörd­lich des Wallrings, wo der Canale del Navile (die dama­lige Wasserautobahn) heute noch durch einen Park (Parco di Villa Angeletti) von Norden kommend bis fast unter die Eisenbahnschienen kurz vor der Einfahrt in den Hauptbahnhof Bolognas zu sehen ist und im bereits erwähnten west­li­chen Quatiere Saragozza.

Bei meinem dies­jäh­rigen Besuch in Bologna entdeckte ich auch kurz vor dem Hauptbahnhof (Bologna Centrale) bei Resten der alten Stadtmauer, nahe dem Stadttor Porta Galliera, einzelne Stellen, wo der Kanal noch zu sehen, bzw. zu hören ist.

Wie ich erst vor kurzem erfuhr, liegen an der Via Capo di Lucca, abzwei­gend von der Via delle Moline (benannt nach dem Bach Moline), einige Häuser, die früher von Müllern bewohnt wurden, womit wir wieder im oberen Altstadtbereich wären.

Müllerhäuser (Via Capo di Lucca)

Und hier soll man noch das Rauschen des Kanalgefälles hören, was auch der Fall ist.
Wiederum ließ ich es mir nicht nehmen, beim dies­jäh­rigen Aufenthalt (2016) diese Stelle aufzu­su­chen, zwischen zwei Häusern war ein Gitter und so dreist wie ich bin, schob ich das unver­schlos­sene Gitter (nachdem ich erst nach rechts und links geschaut hatte) auf und konnte doch noch einen Blick auf den Canale delle  Moline werfen. Was tut man nicht alles, um Verborgenes ans Tageslicht zu bringen.

Canale delle Moline

Die Via Piella zweigt von der Via Bertiera Richtung Norden und Süden ab – der Abzweig Richtung Norden führt als erstes durch ein Tor eines ehema­ligen Wehrturmes (Porta Govese oder Torresotto dei Piella) in die Via Piella, wo man auf der rechten Seite nach ca. 25 Metern von einer Brücke einen guten Blick über den Kanal hat.
Genau gegen­über, auf der anderen Straßenseite (Via Piella) ist rechts neben einer Trattoria das berühmte Fenster mit dem Einblick, was viele Prospekte ziert.

Canale di Reno (Via Malcontenti) – Blick Richtung Osten

Hier zeigt sich das Mittelalter in mehr­fa­cher Form.

Jeden Italienfreund lassen diese wenigen Ausblicke im Historischen Zentrum natür­lich sofort an Venedig denken, oder an die über dem Arno hängenden Häuser der Ponte Vecchio in Florenz.
Die Gebäudeteile der Häuser zum Kanal hin (in Bologna) scheinen schon sehr waghalsig über dem Wasser des Kanals zu hängen.
Man sieht, was im frühen Mittelalter alles möglich war.

Ein weiterer schöner Einblick befindet sich auf der Via Guglielmo Oberdan von unten kommend, auf der linken Straßenseite, kurz vor der Kreuzung mit der Via Augusto Righi/​Via della Moline .
Hier befindet sich sogar eine Beschilderung des Canale di Reno.

Von der Via Augusto Righi zweigt rechts ab die Via Malcontenti und kurz nach der Unterführung befindet sich auf der linken Seite auch ein kleiner Einblickspunkt, der mit einem goldenen Schild beschriftet ist.

Im Goldenen Spiegel (Via Malcontenti)

Die Beschriftung der goldenen Platte weist mit einer Jahreszahl (1998) darauf hin, wann diese Kanalstelle restau­riert und die Platte ange­bracht worden ist.
Auch wenn meine Italienisch-​Kenntnisse sich in Grenzen halten, kann man von der Nennung der Straßennamen den Verlauf des Kanals ersehen oder erahnen (Via Malcontenti – Piella – Oberdan).
Ansaloni” ist die Firma, die die Platte herge­stellt hat.

Das alles ist aber nicht nur für Geschichtsforscher interessant.

So auch für mich, der ich bei meinem ersten Besuch in Bologna im August 2011 mit Temperaturen weit über 40° C zu kämpfen hatte.

Bei meinen Vorbereitungen, fand ich auch das Foto mit dem Blick durch die Mauer auf den Canale di Reno.
Das Herumirren und Suchen in durch­ge­schwitzter Kleidung mit der Kamera im Anschlag, brachte aber keinen Erfolg.
Ich hatte die ganze Sache mit dem schönen Einblick durch das Mauerloch schon aufge­geben, als der letzte Tag kam…
…und dann bummle ich meis­tens zum Abschied noch einmal durch die Gassen…
…und plötz­lich stand ich dann doch vor dem Loch in der Mauer und konnte das lang­ersehnte Foto machen.

Canale di Reno (Via Piella) – Blick Richtung Westen (2011)

Dies zeigt mal wieder, dass man manches findet, wenn man es gar nicht sucht.

Bei meinem dies­jäh­rigen Besuch Ende August 2016 ging ich besser vorbe­reitet und gewappnet an das Suchen der einzu­bli­ckenden Stellen der verschwun­denen Kanäle von Bologna heran…

…aber es ist besser, ich suche sie gar nicht, dann finde ich sie besser …

Was lernen wir daraus :

                              “Manches findet man eher,
                           wenn man es gar nicht sucht”

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* sh. auch meinen Beitrag zu den mittel­al­ter­li­chen Türmen von Bologna :

Torre degli Asinelli Bologna (Aug. 2016)


* weitere Fotos zu Bologna in meiner Bildergalerie Italien :

Bologna (2011/​2014/​2016)



(HerrRothBesucht)

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